# taz.de -- Niedersachsen bremst Flussvertiefungen: Behaltet euren Schlick gern… | |
> Der rot-grüne Koalitionsvertrag kündigt Gegenwehr gegen | |
> Schlickverklappungen aus Hamburg an. Dort motzt die Hafenwirtschaft. | |
Bild: Die Fahrrinne der Weser zu vertiefen ist geplant. Niedersachsen will Klag… | |
BREMEN taz | Flüsse ausbaggern – nicht mit uns! Die Botschaft sendet | |
Niedersachsens rot-grüner Koalitionsvertrag an die Stadtstaaten Bremen und | |
Hamburg. Und sogar in Bezug auf die Ems, die regelmäßig für die | |
Kreuzfahrtschiffe der Meyer-Werft zurechtgemacht wird, hat man | |
festgeschrieben, dass künftig Fahrrinnenvertiefungen nur im Einklang mit | |
Europarecht bewilligt werden sollen. | |
Schwierig: Die [1][Wasserrahmenrichtlinie der EU sieht vor], dass sich der | |
Zustand der Flüsse und Seen verbessern muss. Kämpferisch klingen die | |
Ausführungen in Richtung Bremer und Hamburger Hafenwirtschaft: „Die neunte | |
Elbvertiefung ist ökologisch gescheitert“, konstatiert der Vertrag. | |
Während die durch sie verursachten „enorm gestiegenen Baggergutmengen“ in | |
den schwarz-roten Regierungsvereinbarungen kein Thema waren, will man nun | |
bei der Verklappung des Schlicks aus der Elb-Fahrrinne nicht mehr | |
mitspielen. Gegen die Nutzung der Vogelinsel Scharhörn als Sedimentklo | |
werde man sogar „nötigenfalls rechtliche Schritte einleiten“. | |
Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, | |
hat die Ankündigung laut dpa umgehend als unfreundlichen Akt gewertet. Ob | |
Niedersachsen hier klageberechtigt wäre, ist zwar unklar. | |
## Gesetz gegen die Bürger*innen | |
Strittig ist aber auch der staatsrechtliche Status der Insel vor Cuxhaven: | |
Zwar beansprucht Hamburg sie seit 1961, doch der Vertrag, der diese | |
Veränderung der Ländergrenzen fixiert, hätte [2][laut Artikel 29 des | |
Grundgesetzes als Maßnahme zur Neugliederung des Bundesgebietes per | |
Volksentscheid bestätigt] und dann in ein Bundesgesetz überführt, also von | |
Bundesrat und Bundestag beschlossen werden müssen. Ist nie passiert. | |
Eine 180-Grad-Wende stellen die Ausführungen zur Weser dar: SPD und CDU | |
hatten 2017 noch angekündigt, das, was Baggerfreunde „Fahrrinnenanpassung“ | |
nennen, „bis Brake“ voranzutreiben. Die neue Regierung will hingegen | |
Widerstand gegen die Pläne ermöglichen, etwa durch Umweltverbände und | |
Bürger-Inis. | |
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht 2016 den damaligen | |
[3][Planfeststellungsbeschluss zur Weservertiefung als rechtswidrig | |
kassiert hatte], hatte der damalige Bundesverkehrsminister Andi Scheuer | |
(CSU) kurzerhand den Rechtsrahmen geändert. Dieses | |
„Maßnahmenvorbereitungsgesetz“ [4][dient dazu, den Widerspruch gegen | |
spezielle Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen zu torpedieren] – darunter auch | |
die Weservertiefung. | |
Nur das Bundesverfassungsgericht könnte sie noch stoppen, wenn nachzuweisen | |
ist, dass sie unmittelbar jemandes Grundrechte verletzt. „Wir werden | |
beantragen, die Vertiefung der Unterweser aus dem | |
Maßnahmenvorbereitungsgesetz herauszunehmen“, heißt es nun. Geschieht das, | |
hätten auch die anerkannten Umweltverbände wieder die Möglichkeit, ganz | |
regulär gegen die Maßnahme zu klagen – vorm Verwaltungsgericht. | |
3 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.umweltbundesamt.de/wasserrahmenrichtlinie#undefined | |
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html | |
[3] https://www.bverwg.de/110816U7A1.15.0 | |
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/magvg/BJNR064000020.html | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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