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# taz.de -- Gewalt im Westjordanland und Jerusalem: Tage der Unruhe
> Anschläge militanter Palästinenser, Militäreinsätze im Westjordanland:
> Vor der Wahl ist die Lage in Israel und den palästinensischen Gebieten
> volatil.
Bild: Sammeln Steine, um sie zu schmeißen: Jugendliche im Camp Shuafat in Ostj…
Berlin taz | Wenige Wochen vor der israelischen Parlamentswahl eskaliert
die Gewalt im Westjordanland und in Jerusalem weiter. Die zweite Nacht in
Folge kam es am Donnerstag zu schweren Ausschreitungen in verschiedenen
Stadtvierteln im mehrheitlich arabisch bewohnten Ost-Jerusalem.
Am Freitagmorgen meldeten Polizei und Rettungsdienste in Israel 18
Festnahmen und mehrere Verletzte. [1][Am Wochenende könnte sich die Lage
weiter verschärfen]: Palästinensische Gruppen haben zu einem “Tag des
Zorns“ aufgerufen, während rechtsextreme israelische Politiker und
Aktivisten die Eskalation für ihren Wahlkampf nutzen.
So besuchte der rechtsextreme israelische Parlamentsabgeordnete [2][Itamar
Ben Gvir] am Donnerstag nach Auseinandersetzungen zwischen arabischen und
jüdischen Bewohnern das mehrheitlich arabisch bewohnte Stadtviertel Scheich
Dscharrah. Dabei zog er eine Pistole und forderte von Polizisten, auf
arabische Steineschmeißer zu schießen.
Ben Gvir ist dafür bekannt, anti-arabische Ressentiments in Israel
salonfähig zu machen. Sein national-religiöses Parteienbündnis kann bei den
Parlamentswahlen Anfang November laut Umfragen mit einem massiven
Stimmenzuwachs rechnen und eine der stärksten Fraktionen in der Knesset
werden.
## Videos zeigen Auseinandersetzungen
Auf palästinensischer Seite nutzen radikale Gruppierungen wie die [3][in
Gaza regierende Hamas] die Frustration und bestehende Ablehnung Israels
unter jungen Palästinensern, um zunehmend auch im Westjordanland Fuß zu
fassen.
Die palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter dem langjährigen
Präsidenten Mahmud Abbas hat bei der jungen Generation jede Glaubwürdigkeit
verloren, auch weil Abbas seit langem überfällige Wahlen immer weiter
verschiebt und politische Gegner mit Terrorvorwürfen ausschaltet.
In sozialen Medien wurden Videos von mehreren [4][Auseinandersetzungen]
zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern in Jerusalem und im
Westjordanland veröffentlicht. Im Flüchtlingslager Dschenin wurde am
Freitagmorgen bei einem Schusswechsel zwischen bewaffneten Palästinensern
und der israelischen Armee ein 25-jähriger Palästinenser getötet sowie ein
palästinensischer Notarzt schwer verletzt, wie das Gesundheitsministerium
der palästinensischen Autonomiebehörde mitteilte. Er erlag schließlich
seinen Verletzungen. [5][Laut der Times of Israe]l soll er Teil der
militanten Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden gewesen sein.
Die israelische Armee bestätigte den Einsatz. Bewaffnete hätten die
Sicherheitskräfte “mit Sprengsätzen und Schüssen“ angegriffen. Bei der
Aktion seien drei Verdächtige verhaftet worden, darunter ein Mitglied der
Terrormiliz Hamas. Bei einem weiteren Einsatz in Dschenin am Samstag waren
zuvor zwei palästinensische Jugendliche erschossen worden.
## Ein palästinensischer Terrorist erschoss eine Soldatin
Unmittelbarer Auslöser der Gewalt: Am Samstag erschoss ein
palästinensischer Angreifer eine 18-jährige israelische Soldatin an einem
Checkpoint nahe des Shuafat-Flüchtlingslagers in Ost-Jerusalem. Die Armee
riegelte daraufhin das Viertel auf der Suche nach dem 22-jährigen
mutmaßlichen Täter weitgehend ab und verhaftete dessen Familie.
Die palästinensischen Bewohner hatten Anfang der Woche zunächst mit einem
Generalstreik und Demonstrationen reagiert und die massiven Einschränkungen
für zehntausende Bewohner des Viertels kritisert. Schulen und Läden blieben
am Mittwoch geschlossen, Arbeiter gingen nicht zur Arbeit.
Am Dienstag wurde ein weiterer israelischer Soldat im Westjordanland nahe
Nablus erschossen, während er eine Demonstration israelischer Siedler
begleitete. Im Laufe der Woche weiteten sich die Proteste von
Palästinensern gegen die Abriegelung des Shuafat-Lagers auf weitere Viertel
Jerusalems aus.
In der Nacht zu Donnerstag griffen hunderte Palästinenser mit Brandsätzen,
Feuerwerkskörpern und Steinen Sicherheitskräfte an. Omer Barlev, Israels
Minister für öffentliche Sicherheit, ordnete daraufhin am Donnerstag an,
die Einschränkungen am Shuafat-Checkpoint zu lockern.
## Anspannung durch die anstehende Wahl
Die Spannungen im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern haben seit
Monaten stetig zugenommen. Anfang des Jahres wurden bei einer [6][Serie von
Terroranschlägen] mindestens 20 jüdische Israelis getötet. Daraufhin
starteten die israelischen Sicherheitskräfte eine groß angelegte
Anti-Terror-Operation im besetzten Westjordanland. Seit Anfang des Jahres
wurden dabei mehr als einhundert Palästinenser getötet, darunter auch
Kinder.
Angesichts der zunehmenden Gewalt, des schwindenden Einflusses der PA sowie
des wachsenden Frust in der palästinensischen Bevölkerung steigen die
Sorgen vor einer weiteren Eskalation oder gar einer dritten Intifada.
Aktuell sorgen neben den anstehenden Parlamentswahlen auch die
Feierlichkeiten zum jüdischen Sukkot-Fest für erhöhte Anspannung. Viele
gläubige Juden besuchen im Rahmen der Feierlichkeiten die Jerusalemer
Altstadt. Die israelische Polizei mobilisierte am Freitagmorgen vier
zusätzliche Einheiten. [7][Regierungschef Jair Lapid] betonte nach einem
Treffen mit Vertretern der Sicherheitsbehörden, Israel sei “entschlossen“,
die Sukkot-Feierlichkeiten stattfinden zu lassen und gegen “Terror und
gewalttätige Ausschreitungen“ vorzugehen.
14 Oct 2022
## LINKS
[1] https://www.timesofisrael.com/police-brace-for-tense-friday-after-18-arrest…
[2] /Schwere-Krise-in-Israel/!5767361
[3] /Palaestinensische-Gruppen-in-Gaza/!5870198
[4] /Unruhen-im-Westjordanland/!5882251
[5] https://www.timesofisrael.com/palestinian-doctor-dies-after-being-wounded-i…
[6] /Terroranschlag-in-Israel/!5874273
[7] /Israel-fordert-Drohung-an-Iran/!5883423
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Jair Lapid
Westjordanland
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