| # taz.de -- Biografie von Eric Warburg: Brücken bauen bis zu Cum-Ex | |
| > Der jüdische Bankier Eric Warburg prägte die transatlantische | |
| > Nachkriegspolitik. Während der NS-Zeit verhalf er zahlreichen Jüd:innen | |
| > zur Flucht. | |
| Bild: Bankier Eric M. Warburg in seinem Hamburger Büro 1985 | |
| Eric Warburg wirkt wie eine typische Randgestalt der Geschichte, die | |
| insbesondere in der ereignisreichen Nachkriegszeit leicht aus dem Blickfeld | |
| geraten kann. Schenkt man jedoch dem Buch von Jeanette Erazo Heufelder | |
| „Alle Guten gehören zu uns!“ Glauben, war Warburg maßgeblich daran | |
| beteiligt, die arg beschnittenen Beziehungen zwischen den USA und der BRD | |
| neu zu knüpfen. | |
| Als jüdischer Bankier verhalf er der 1798 gegründeten Bank M. M. Warburg | |
| über die NS-Zeit hinweg zu Bedeutung und rettete als Neffe [1][des | |
| berühmten Kunsthistorikers Aby Warburg] dessen Bibliothek vor den | |
| feuerwütigen Nationalsozialisten. Der 1900 in Hamburg geborene Warburg | |
| selbst verließ Nazi-Deutschland erst kurz vor knapp. Zusammen mit seinem | |
| Vater ermöglichte er deutschen Jüd:innen eine geordnete Flucht, | |
| finanzierte [2][Kindertransporte] und emigrierte erst 1938 nach New York. | |
| Gewissenhaftigkeit scheint sein Leitstern gewesen zu sein, so erfährt man | |
| bei Heufelder, die klare Sympathien für Warburg hegt. Die führt mitunter zu | |
| interessanten Schlussfolgerungen: Eric, der als junger Mann gern | |
| Karrierewege abseits der vorgesehenen Bankierslaufbahn bestritten hätte, | |
| habe sich nicht aus Konfliktscheue gefügt, sondern war, Heufelder zufolge, | |
| schlicht „zu uneitel, um an sich irgendeine so außergewöhnliche Begabung | |
| festzustellen, die es gerechtfertigt hätte, seinen Vater zu enttäuschen“. | |
| ## Warburg fühlte sich der neuen Heimat verpflichtet | |
| Warburgs Pflichtgefühl galt jedoch nicht nur der Familie, sondern auch | |
| seinem neuen Land. Als Freiwilliger bei der US-Army verhörte er dutzende | |
| Kriegsgefangene, darunter Hermann Göring. Rachegelüste scheinen ihm jedoch | |
| fremd oder schlicht mit seinem pragmatischen Liberalismus unvereinbar | |
| gewesen zu sein. | |
| Der Bankier engagierte sich nach dem Krieg aufs Energischste für den Ausbau | |
| transatlantischer Beziehungen. Es war Eric Warburg, der darauf insistierte, | |
| Industrieanlagen in Deutschland zu erhalten, und gemäß Heufelder die tief | |
| in der NS-Kriegswirtschaft verwurzelten Reichswerke Hermann Göring als | |
| Salzgitter AG vor der kompletten Demontage bewahrte. | |
| Den personellen Verstrickungen Warburgs und seines Umfelds zu folgen ist | |
| dabei oft mühsam, die Ausführungen zum eigentlich spannenden Konnex von | |
| Geopolitik und transatlantischer Ökonomie geraten mitunter zur trockenen | |
| Angelegenheit. Dabei könnte die Biografie des 1990 verstorbenen Warburg | |
| aktueller nicht sein. | |
| So lebt nicht nur die transatlantische Freundschaft seit Beginn des | |
| Ukrainekriegs wieder auf, auch die Warburg-Bank ist aus ihrem Bankensektor | |
| ins Licht der Öffentlichkeit getreten. Erics Sohn Max steht im Mittelpunkt | |
| [3][des größten Steuerbetrugs in der deutschen Geschichte:] Allein aus | |
| Cum-Ex-Geschäften müsste die Bank eigentlich 47 Millionen Euro | |
| zurückerstatten. Hamburg unter dem erinnerungsschwachen Bürgermeister Olaf | |
| Scholz war jedoch das einzige Bundesland, das keine Rückforderungen | |
| gestellt hatte. | |
| 24 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julia Hubernagel | |
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