# taz.de -- Polizeigewalt in Berlin: Bruder fordert Aufklärung | |
> Ein psychisch kranker Schwarzer stirbt nach einem brutalen | |
> Polizeieinsatz. Die Opferberatungsstelle ReachOut spricht von | |
> rassistischem Einsatz. | |
Bild: Mutombo Mansamba, Bruder des Opfers, bei einer Pressekonferenz in der Ber… | |
BERLIN taz | Auf dem Tisch steht ein Foto von Kupa Ilunga Medard Mutombo. | |
Der 64-Jährige war am 14. September nach einem Polizeieinsatz in einer | |
Unterkunft in Spandau, in der er lebte, ins Koma gefallen. Drei Wochen | |
später, am 6. Oktober, war er in der Charité gestorben. [1][Die | |
Opferberatungsstelle ReachOut hatte die Nachricht vom Tod des gebürtigen | |
Kongolesen Ende letzter Woche publik gemacht]. | |
Am Montag hatte ReachOut zur Pressekonferenz geladen. Der Bruder des Toten | |
ist gekommen. Mutombo Mansamba ist aufgewühlt. Anders als die Mitarbeiter | |
von ReachOut hat er sich noch keine abschließende Meinung gebildet, aber er | |
stellt sich die gleichen Fragen: Wie kann es sein, dass drei starke | |
Polizisten nicht mit einem schlanken, psychisch kranken Mann fertig werden? | |
Wie kann es sein, dass 13 Polizisten zur Verstärkung geholt werden müssen, | |
um ihn zu fixieren? | |
Mutombo Mansamba spricht mit Bedacht, manchmal muss er eine Pause machen um | |
gegen seine Tränen anzukämpfen. Sein Bruder habe an Schizophrenie gelitten. | |
Er sei schon länger in dem Wohnheim in Spandau untergebracht gewesen. „Wir | |
haben nie eine Art von Aggressivität an ihm festgestellt“, sagt der Bruder. | |
Die Betreuer des Heims hätten ihn als kindlich beschrieben, der Bruder habe | |
viel gelacht, habe in der Krankheit sein eigenes Leben geführt – bis zum | |
14. September. | |
Vom gesetzlichen Betreuer seines Bruders habe er Details über den Ablauf | |
erfahren, berichtet Mutombo Mansamba am Montag. Der Betreuer sei bei dem | |
Einsatz in dem Heim zugegen gewesen. Als er die drei Uniformierten vor der | |
Tür habe stehen sehen, sei der Bruder in Panik geraten. Durch die Tür habe | |
der Betreuer – er musste wohl draußen bleiben – ein Gerangel gesehen. Die | |
Polizisten hätten versucht, den Bruder zu überwältigten. „Man versuchte, in | |
dem Gerangel meinem Bruder zu fixieren“. | |
Einer der Beamten habe ihm mit einer Decke Blut aus dem Gesicht gewischt. | |
Der Betreuer habe auch gesehen, dass ein stämmiger Polizist mit seinem Knie | |
auf dem Hals seines Bruders gesessen habe. Im Gespräch mit ihm, so Mutombo | |
Mansamba, habe der Betreuer zum Vergleich den Namen George Floyd verwendet. | |
Der Schwarze US-Amerikaner war 2020 von einem Polizisten im Einsatz | |
erstickt worden. | |
## „Er atmet nicht mehr!“ | |
Es sei dann Verstärkung gerufen worden, so der Bruder weiter unter Berufung | |
auf den Betreuer. 13 weitere Polizisten seien in das 3 mal 6 Quadratmeter | |
große Zimmer eingedrungen. Sowohl der Betreuer als auch ein Mitarbeiter des | |
Wohnheims hätten gehört wie jemand geschrien habe: „Er atmet nicht mehr! | |
Reanimierung!“ Nach 20-minütigen Reanimationsversuchen auf einer Wiese vor | |
dem Heim sei der Bruder in ein Krankenhaus in Spandau abtransportiert | |
worden und von dort fünf Tage später in die Charité. | |
Die Polizei hatte erst rund eine Woche nach dem Vorfall über den Einsatz | |
berichtet. Grund sei ein „Bürofehler“, hieß es zur Begründung. In der | |
Pressemitteilung vom 22. September hieß es, dass der Mann von einem | |
Obdachlosenheim in Spandau in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt | |
werden sollte. Ein Gericht habe die Verlegung des Mannes angeordnet, weil | |
der Mann ein psychiatrisches Krankheitsbild entwickelt habe. „Da der Mann | |
zunehmend aufgebrachter wurde, wurden die im Vorfeld informierten | |
Polizeikräfte um Unterstützung gebeten“, hieß es damals in der Mitteilung | |
der Polizei. | |
Gegen die Mitnahme habe sich der 64-Jährige „mit Tritten, Schlägen und | |
Bissversuchen“ gewehrt. Auch nachdem ihm Handschellen angelegt worden | |
seien, habe er „massiv Widerstand“ geleistet. Schließlich sei er im Beisein | |
eines Rettungsdienstes und seines Betreuers kollabiert, ein Notarzt habe | |
ihn reanimieren müssen. | |
Erst am 21. September sei er erstmals von dem Vorfall und dem Zustand des | |
Bruders informiert worden, und zwar durch Ärzte der Charité, sagte | |
Mansamba am Montag. Als er ihn dort besuchte, habe der Bruder im Koma | |
gelegen. Er habe ein stark geschwollenes Gesicht gehabt, ob von Schlägen | |
oder von den Medikamenten, wisse er nicht. Sein Gesicht sei mit der Zeit | |
abgeschwollen. Am 6. Oktober hat Mansamba dann den Anruf mit der | |
Todesnachricht bekommen. | |
ReachOut wirft der Polizei vor, bei dem Einsatz „massive brutale Gewalt“ | |
angewendet zu haben und für den Tod verantwortlich zu sein, zudem spricht | |
die Organisation von Rassismus. [2][Der Fall decke sich mit vielen anderen | |
Fällen, wo psychisch Kranke nach Hinzuziehung der Polizei ums Leben | |
gekommen seien], sagte ReachOut-Mitarbeiter Biplap Basu. Und auch das | |
stellte Basu klar: „Wenn jemand von 16 Polizisten überwältigt wird und | |
einige sitzen auf seinem Körper, hat er nur die Möglichkeit, Widerstand zu | |
leisten, weil er das Gefühl hat, es geht um sein Leben.“ | |
Mutombo Mansamba sagte, er habe Vertrauen in „unsere Polizei“, dass der | |
Vorfall sauber untersucht und aufgeklärt werde. Auf Nachfrage, ob er in dem | |
Tod des Bruders auch rassistische Motive vermute, antwortete Mansamba: „Ich | |
will diese Sache nicht kolorieren.“ Es gäbe Pannen, aber Leute die diese | |
verantworteten, müssten bestraft werden. | |
Von allen Dienststellen der Polizei sei er nach dem Todesfall zuvorkommend | |
behandelt worden, sagte der Bruder. Ein Beamter habe ihm sogar [3][die | |
Telefonnummer von ReachOut] in die Hand gedrückt. | |
Die Polizei hat gegen die beteiligten Beamten am 20. September ein | |
Ermittlungsverfahren eingeleitet. Warum erst dann, ist unklar. | |
10 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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