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# taz.de -- Studie zu Rassismus in der Polizei: Schlaglicht auf Alltagsrassismus
> Ein Forscherteam untersucht im Auftrag der Innenverwaltung rassistische
> Strukturen in der Berliner Polizei. Der Bericht soll bald vorliegen.
Bild: Polizeieinsatz im Görlitzer Park in Kreuzberg
Berlin taz | Es war das große Thema der vergangenen Jahre: Nicht nur im
Bundesgebiet, auch in Berlin flogen vermehrt Polizisten auf, die in Chats
mit rechtsextremen Inhalten geschrieben hatten. Die Ermordung des schwarzen
Amerikaners George Floyd in den USA im Mai 2020 durch einen Polizisten tat
ein Übrigens, dass immer lauter über rassistisch motivierte Kontrollen und
Polizeigewalt diskutiert wurde. Beschwerden von nichtweißen Betroffenen
über sogenanntes Racial Profling gibt es genug, aber die Polizei leugnet
das Problem, weil es dazu bislang kaum Untersuchungen gab.
Das dürfte sich nun ändern. Als Reaktion darauf, dass sich der ehemalige
[1][CSU-Bundesinnenminister Horst Seehofer] geweigert hatte, eine
entsprechende bundesweite Untersuchung in Auftrag zu geben, haben vier
Bundesländer eigene Rassismusstudien aufgelegt. Auch Berlin gehört dazu.
Die von der Senatsverwaltung für Inneres 2021 in Auftrag gegebene
[2][Rassismusstudie über die Berliner Polizei] befindet sich nun in der
finalen Phase der Ausarbeitung. Bis zur Sommerpause werde sie der
Senatsverwaltung für Inneres vorgelegt, sagte die Studienleiterin
Christiane Howe zur taz.
Ein Jahr lang hatten die Soziologin und ihr Team vom Forschungsbereich
Sicherheit und Kriminologie im Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der
Technischen Universität zu dem Thema geforscht. Die Studie ist eine
qualitative Studie, auch ethnografische Forschung genannt. Anders als
quantitative Studien, die repräsentativ erhoben werden, handelt es sich bei
einer ethnografischen Forschung um sogenannte teilnehmende Beobachtungen
vor Ort. Man geht „ins Feld“ und führt Interviews mit Beteiligten.
Zunächst hatten Howe und ihre Leute mit Betroffenenverbänden über deren
Rassismuserfahrungen gesprochen. Im Anschluss nahmen sie dreieinhalb Monate
in fünf verschiedenen Abteilungen und Abschnitten im Osten, Nordwesten und
in der Mitte an der Polizeiarbeit teil. Auch bei einer
direktionsübergreifenden Einheit und beim LKA lief das Team mit. „Tag- und
Nachtdienst, häusliche Gewalt, Unfälle, Verkehrsüberprüfung – das volle
Programm“, beschreibt es Howe gegenüber der taz.
Und wartet die Studie mit überraschenden Erkenntnissen auf? Dem Ergebnis
könne sie nicht vorgreifen, sagt Howe. Um allzu große Erwartungen zu
dämpfen, verrät die Soziologin immerhin das: „Wir haben nicht mit der Lupe
nach Rechtsextremisten und Oberrassisten bei der Polizei gesucht.“ Was
solche Personen angehe, verfüge die Polizei grundsätzlich über genug eigene
Mittel auch strafrechtlicher Natur. Bei „der Feldforschung“ habe man sich
vielmehr darum bemüht, Schnittstellen aufzuspüren, die bei der
Polizeiarbeit Alltragsrassismus befördern. Auch um Lösungsansätze bemühe
sich die Studie.
Im Kern gehe es um Fragen wie diese: Wie gelinge bei einer so
anforderungsreichen, stressbesetzten Arbeit wie bei der Polizei eine gute,
bürgernahe Kommunikation und Interaktion unter Wahrung von professioneller
Distanz? Oder, anders ausgedrückt: „Wie bleibe ich wertschätzend
handlungsfähig?“
Gespräche geführt hat das Forscherteam auch mit Biplab Basu, Mitarbeiter
der Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer
Gewalt ReachOut. Basu, der auch die [3][„Kampagne gegen rassistische
Polizeigewalt“] (KOP) gegründet hat, kennt sich aus. Zur taz sagte er am
Donnerstag, er erwarte sich von der Berliner Studie nicht viel, weil die
Innenverwaltung die Auftraggeberin sei. Er wolle damit nicht die
Unabhängigkeit von Howe in Frage stellen, betont Basu, „aber eine
Behördenstudie ist immer eine verdeckte Rechtfertigung“.
## Unterstützung aus Fachkreisen
Howe selbst hatte die Frage nach einer Parteilichkeit im vergangenen Jahr
mit den Worten kommentiert: Einzige Bedingung der Innenverwaltung sei
gewesen, dass es sich um eine qualitative Studie handele. Ethnografische
Forschung sei ohnehin ihr Spezialgebiet, sagt Howe.
Unterstützung erfahren die Soziologin und ihr Team aus wissenschaftlichen
Fachkreisen. Studien wie die von Howe seien überfällig, sagt Daniela
Hunold, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht mit dem
Schwerpunkt Empirische Polizeiforschung, zur taz. Die Polizei könne sich
nun nicht mehr damit rausreden, es gebe keine Studienergebnisse darüber,
dass es Rassismus in der Polizei gebe. Mit Argumenten wie diesen sei eine
Auseinandersetzung mit dem Thema bislang blockiert worden.
Wie Howe ist Hunold spezialisiert auf ethnografische Forschung. Bei der
Berliner Polizei hat Hunold bisher nicht geforscht, die Erkenntnisse aus
ihren Projekten in zwei Bundesländern ließen sich aber auch auf die
Berliner Behörde übertragen, sagt sie. Für Hunold steht fest: „Es gibt ganz
eindeutig Racial Profiling bei der Polizei, aber es wird negiert.“
## Polizeibeauftragter kommt
Das Problem sei, dass es keine klar strukturierten Wege in der Behörde
gebe, wie Racial Profling von der Kollegenschaft anzeigt werden könne.
Denn: Racial Profling ist strafbar. Bei einer Meldung muss ermittelt
werden. Die Folge: „Die meldende Person bleibt nicht anonym und [4][gerät
in Konflikt mit Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten]“, so Hunold. „Das
ist das allergrößte Problem.“Eine Lösung sieht die Wissenschaftlerin
deshalb in dem unabhängigen Polizeibeauftragten, den das Abgeordnetenhaus
am 9. Juni wählen wird. Dieser könne ganz unabhängig Verfahren in die Wege
leiten.
Als Polizeiforscherin ist Hunold lange genug im Geschäft, um die
Fallstricke zu kennen: Der ethnografische Ansatz der Berliner Studie könnte
möglicherweise von der Öffentlichkeit und der Polizei Berlin kritisiert
werden, da dieser keine repräsentativen Ergebnisse zulasse. Umso mehr, sagt
Hunold, komme es darauf an, was die Politik aus den Erkenntnissen macht.
Auf weit geöffnete Ohren stoßen solche Sätze bei Niklas Schrader,
innenpolitschem Sprecher der Linkspartei. Ähnlich wie Howe und Hunold
versteht er die Studie als Anfang, um identifizierte Problemfelder
differenzierter zu untersuchen und darauf aufbauend Maßnahmen einzuleiten.
Die Mittel für eine Ausweitung der Studie bis zum Frühjahr 2023 seien
bereits in den Haushaltsplan eingestellt, sagte Schrader am Donnerstag zur
taz.
3 Jun 2022
## LINKS
[1] /Neues-Innenministerium/!5810524
[2] /Soziologin-zu-Polizei-Rassismus-Studie/!5804029
[3] /Erneut-Vorwurf-von-Polizeigewalt/!5751083
[4] /Interner-Polizeikritiker-ueber-Mobbing-und-Racial-Profiling/!5833647
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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Lesestück Recherche und Reportage
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