# taz.de -- Rassismusstudie über die Polizei Berlin: Viel Luft nach oben | |
> In einer diskriminierungskritischen Studie über die Polizei Berlin | |
> beklagen Betroffene, weitaus häufiger als Weiße kontrolliert zu werden. | |
Bild: Wie diese Beamten wohl ticken? | |
BERLIN taz | Große Erwartungen waren auf die Studie gerichtet, nun ist sie | |
da: Ein Jahr lang hatte ein Wissenschaftlerteam des Zentrums Technik und | |
Gesellschaft der Technischen Universität Berlin zum Thema Rassismus bei der | |
Berliner Polizei geforscht. In einer ersten Reaktion zeigten sich nun | |
sowohl die Gewerkschaft der Polizei als auch die Grünen zufrieden – was in | |
dieser Einmütigkeit nicht unbedingt selbstverständlich ist. | |
[1][„Diskriminierungskritische qualitative Untersuchung ausgewählter | |
Dienstbereiche der Polizei Berlin]“ heißt der offizielle Titel der 141 | |
Seiten umfassenden Studie. Die [2][Studienleiterin Christiane Howe] stellte | |
sie am Freitag in den Räumen der Senatsverwaltung für Inneres vor. Den | |
Ansatz, von dem die Studie ausgeht, beschrieb Howe so: „Wir alle tragen | |
Rassismus in uns“, aber die Polizei habe eine besonders hohe Anforderung, | |
diesen kritisch zu reflektieren, weil sie als Behörde mit Gewaltmonopol | |
eine besondere Machtstellung hat. | |
In Auftrag gegeben wurde die Studie 2021 vom damaligen Innensenator Andreas | |
Geisel (SPD). Daneben beteiligt sich das Land Berlin auch an einer Studie | |
des Bundes zu Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizisten, | |
die das Bundesinnenministerium bei der Deutschen Hochschule der Polizei in | |
Auftrag gegeben hat. | |
Bei der Berliner Studie war die Vorgehensweise so, dass Howe und ihre Leute | |
zunächst 17 Verbände und Initiativen, die sich mit Rassismus gegen | |
Schwarze, Muslime, Roma, Juden und Asiaten befassen, zu | |
Rassismuserfahrungen mit der Polizei befragten. Danach beobachteten und | |
begleiteten die Wissenschaftler dreieinhalb Monate lang insgesamt rund 150 | |
Berliner Polizistinnen und Polizisten in fünf verschiedenen Dienststellen | |
bei der Arbeit. | |
## Diskriminierung vor allem bei Kontrollen | |
Die Sichtweise der Betroffenen-Verbände ist in der Studie so | |
zusammengefasst: Diskriminierungen durch die Polizei finden vor allem bei | |
Kontrollen im öffentlichen Raum statt: an den sogenannten | |
kriminalitätsbelasteten Orten (kbO) und bei Verkehrskontrollen, aber auch | |
bei Konflikten mit dem Sicherheitspersonal im öffentlichen Nahverkehr oder | |
in Supermärkten, zu denen die Polizei gerufen wird. | |
Betroffene hätten geschildert, dass sie von der Polizei „weitaus häufiger | |
als Weiße kontrolliert“ werden, heißt es in der Studie. Vor allem, wenn sie | |
in einer Gruppe aufträten, hätten Schwarze oder arabische männliche | |
Jugendliche das Gefühl, häufiger kontrolliert zu werden als ihre weißen | |
Freunde. Betroffene fühlten sich von der Polizei teilweise nicht ernst | |
genommen, ihren Erzählungen werde mitunter nicht geglaubt. Auch Anzeigen | |
würden zum Teil nicht aufgenommen. | |
Mit den Polizistinnen und Polizisten wurden keine Interviews geführt. Um zu | |
verstehen, „wie sie ticken“ wurden sie von den Autoren der Studie im | |
Dienstalltag begleitet. Es sei nicht darum gegangen, etwaige Beamte mit | |
einer rechtsextremen Gesinnung herauszufiltern, so Howe am Freitag. | |
Vielmehr habe man Schnittstellen aufspüren wollen, die bei der | |
Polizeiarbeit Alltagsrassismus beförderten, um dann Lösungsansätze zu | |
finden, wie man dem begegnen kann. | |
In der Studie werden Faktoren wie Stress, Überforderung aber auch Routine | |
als Gründe für mögliches diskriminierendes und abwertendes Verhalten im | |
Polizeidienst genannt. Polizeikräfte müssten häufig mit Konfliktlagen | |
umgehen, oftmals mit unklarer Gefahrenlage. Häufig hätten sie zunächst | |
wenig Informationen über die Lage am Einsatzort, dort aber mit aufgeregten | |
Zeugen und Betroffenen zu tun. Für die Beamten sei es eine Herausforderung, | |
jede Situation stets neu zu bewerten zu müssen, nicht vorschnell zu | |
interpretieren oder zu pauschalisieren. Nicht selten seien sie auch Gewalt | |
und Aggression ausgesetzt. | |
Dass [3][der Begriff Racial Profling] nur im Glossar der Studie auftaucht, | |
sorgte bei ihrer Vorstellung für Nachfragen. Howe erklärte es damit, dass | |
man bei der Begleitung der Beamtinnen und Beamten keine anlassunabhängigen | |
Kontrollen beobachtet habe, die allein aufgrund phänotypischer Merkmale und | |
einer vermuteten Herkunft der betroffenen Person erfolgt seien. Allen | |
beobachteten Kontrollen habe stets ein konkreter Verdachtsmoment zugrunde | |
gelegen. „lch würde nicht sagen, dass es Racial Profling nicht gibt, aber | |
nicht in der Form, wie es immer kolportiert wird,“ so Howe. | |
Auch nach ihrer Einschätzung [4][des Videos von einem umstrittenen | |
Polizeieinsatz] in der Wohnung einer syrischen Familie wurde Howe am | |
Freitag gefragt. Die Ehefrau wird darin, wie berichtet, von einem der | |
beiden Beamten mit den Worten angeschrien: „Das ist mein Land und du bist | |
hier Gast.“ Sie könne den Einsatz nicht anhand eines Filmausschnitts | |
bewerten, sagte Howe. | |
Das Vorgehen des Beamten gegenüber dem Ehemann zeige aber, dass der Einsatz | |
komplett aus dem Ruder gelaufen sei. „Unsere Erfahrung ist nicht gewesen, | |
dass die Polizei in eine Wohnung geht und die Leute dort auf den Boden | |
knallt“. Insgesamt habe sich bei der Polizei schon viel getan. Gerade junge | |
Beamtinnen und Beamten seien „hochgradig diskriminierungssensibel“. | |
## Handlungsempfehlungen gegeben | |
Am Ende der Studie geben die Autoren der Polizei Handlungsempfehlungen. | |
Insbesondere die Aus- und Fortbildung sei zu verbessern, heißt es. Soziale | |
Empathie müsse bei den Auswahlverfahren von künftigen Polizisten ein | |
wichtiges Kriterium werden. Themen wie Wert und Haltung zur kolonialen | |
Geschichte Deutschlands und ihre rassistischen Kontinuitäten müssten in | |
Schulungen und Fortbildungen zu verpflichtenden Inhalten werden, genauso | |
wie die Sensibilisierung wegen Diskriminierung und Rassismus. | |
Die wichtigste Stellschraube sei aber, die Kommunikation und Reflexion zu | |
stärken, betonte Howe. „Da ist noch viel Luft nach oben“. Der Einsatz von | |
Sprache sei nicht nur deeskalierend, sondern auch „ein großer Gewinn für | |
die Eigensicherung“. An konkreten Maßnahmen empfehlen die Autoren den | |
Ausbau von Sprachkursangeboten sowie den Einsatz von Dolmetschern und | |
digitalen Übersetzungsdiensten zur besseren Verständigung. [5][Bodycams] | |
und die Ausstellung von Kontrollquittungen könnten zu mehr Transparenz des | |
polizeilichen Handelns führen. | |
Offen ist, ob es eine Folgestudie geben wird. Die Autoren hatten angeregt, | |
die Handlungsempfehlungen im Rahmen einer Folgestudie zu erproben und | |
weiterhin wissenschaftlich zu begleiten. Es sei noch keine Entscheidung | |
gefallen, teilte die Sprecherin der Innenverwaltung mit. Linke und Grüne | |
sind dafür. „Damit wir nicht nur die Analyse, sondern auch Lösungen | |
vorantreiben,“ erklärte Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der | |
Grünen-Fraktion. | |
7 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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