| # taz.de -- Präsidentenwahl in Brasilien: Der Bolsonarismus lebt | |
| > Entgegen aller Untergangshymnen hat es Brasiliens rechtsextremer | |
| > Präsident in die Stichwahl geschafft. Das zeigt: Bolsonaros Bewegung ist | |
| > stark. | |
| Bild: Verehren ihren Präsidenten mit religiöser Inbrunst: Bolsonaro-Anhänger… | |
| Welche Untergangshymnen wurden nicht schon auf Brasiliens Präsident Jair | |
| Bolsonaro angestimmt. Seine schulterzuckende Coronapolitik, der Raubbau am | |
| Regenwald, der rüpelhafte Ton – dieser Mann wird die Wahl haushoch | |
| verlieren! Nach der Wahl ist man immer schlauer und in Brasilien weiß man | |
| nun vor allem eins: Der Bolsonarismus ist stark und lebendig. | |
| Zwar lag der erneut kandidierende [1][Ex-Präsident Luiz Inácio „Lula“ da | |
| Silva] bei der Wahl am Sonntag stolze 6 Millionen Stimmen vor dem | |
| ultrarechten Amtsinhaber. [2][Doch Bolsonaro schnitt viel besser ab, als | |
| alle Demoskop*innen prognostiziert hatte]n – ähnlich wie bei Donald | |
| Trump vor seiner Wahl. | |
| Das Erstaunen über das starke Abschneiden Bolsonaros hängt auch mit einem | |
| fehlenden Verständnis des Bolsonarismus zusammen. Es ist eine neue Art des | |
| Rechtsradikalismus. Der Präsident hat es tatsächlich geschafft, eine | |
| Massenbewegung hinter sich zu scharen – und das nicht nur im Netz. Die | |
| [3][Verehrung für ihn trägt fast schon religiöse Züge und der Einzug in die | |
| Stichwahl ist vor allem der Erfolg seiner radikalisierten Basis]. | |
| Die Demonstrationen der bolsonaristas wurden nicht selten als Aufläufe | |
| vereinzelter Spinner heruntergespielt, gar belächelt. Ein gefährlicher | |
| Fehler. Die Linke schaffte es nicht, eine auch nur annähernd so | |
| kontinuierliche Bewegung auf die Straße zu bringen. | |
| ## Besonderheiten des Riesenlandes | |
| Der Erfolg von ultrarechtem Gedankengut hat mit Besonderheiten des | |
| Riesenlandes zu tun. Die erzkonservativen Pfingstkirchen sind hier stark, | |
| Gewalt prägt das Land, und die blutige Vergangenheit ist in keiner Weise | |
| aufgearbeitet. Zudem machte sich Bolsonaro Taktiken zu eigen, mit denen | |
| auch Rechte in anderen Ländern erfolgreich waren: platte | |
| Establishmentkritik gepaart mit Volksnähe und dem geschickten Einsatz der | |
| sozialen Medien. | |
| Für Brasiliens Rechte ging es nie darum, einfach nur einen Präsidenten zu | |
| wählen. Ziel ist es, die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Bisweilen | |
| waren sie damit erschreckend erfolgreich. Und es ist ein Fehler, nur auf | |
| die Bundesebene zu blicken. Bei der Wahl am Sonntag feierten Bolsonaro | |
| nahestehende Kandidat*innen auf lokaler Ebene große Erfolge. Sie denken | |
| und handeln genauso wie der Präsident. Bibeltreue Evangelikale, | |
| antikommunistische Militärs und knarreschwingende Ex-Polizisten werden die | |
| Politik Brasiliens auch weiterhin nach ihren reaktionären Grundsätzen | |
| prägen. | |
| Für die Demokratie – ebenso wie für eine mögliche Präsidentschaft Lula – | |
| sind das keine guten Nachrichten. Auch wenn viele es nicht wahrhaben | |
| wollen, der Bolsonarismus ist gekommen, um zu bleiben. | |
| 3 Oct 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Niklas Franzen | |
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