# taz.de -- Streit um ultrarechte Freikirche: Remlinger erhört Stoßgebete nic… | |
> Der Verkauf der Neuen Nazarethkirche an eine rechte Freikirche ist trotz | |
> aller Kritik nicht zu stoppen – sagt jedenfalls Mittes neue | |
> Bürgermeisterin. | |
Bild: Begehrtes Objekt: Neue Nazarethkirche (im Hintergrund) | |
Kurz vor der Präsidenten-Stichwahl in Brasilien können die Berliner Freunde | |
des ultrarechten Amtsinhabers Jair Bolsonaro schon feiern. Denn auch die | |
neue Bezirksbürgermeisterin von Mitte wird ihnen die Neue Nazarethkirche am | |
Leopoldplatz nicht wegkaufen. “Es ist ein sehr schmerzliches Problem“, sagt | |
Stefanie Remlinger (Grüne) auf Anfrage, “aber kaufen können wir die | |
Immobilie als Bezirk leider nicht.“ | |
Die evangelikale „Universalkirche vom Reich Gottes“ hatte 2019 dem | |
Rassisten, Queer- und Frauenfeind Bolsonaro ins Amt geholfen. Im Wedding | |
baut sie als eingetragener Verein unter dem Namen “Hilfszentrum Universal“ | |
ihren deutschen “nationalen Hauptsitz“ auf. Dafür will die finanzstarke | |
Freikirche mit Ursprung in Brasilien die Neue Nazarethkirche kaufen. | |
Ex-Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) fand 2019, dass das | |
„weder für den Leopoldplatz noch den Bezirk eine positive Entwicklung | |
befördern würde“. Er wollte einen Verkauf zunächst verhindern. Durch eine | |
Vertragsklausel aus dem Jahr 1993 hätte der Bezirk die rechtliche | |
Möglichkeit dazu: Die Stadt könnte das Gebäude vom aktuellen Eigentümer, | |
einer anderen Freikirche, erwerben, bevor die umstrittenen Evangelikalen es | |
tun. | |
Wie auch andere neupfingstliche Kirchen predigt die Universalkirche das | |
„Wohlstands-evangelium“. Wer arm ist, unglücklich oder krank, lebt nach | |
dieser Lehre nicht konform mit dem Willen Gottes, steht womöglich unter dem | |
Einfluss von Dämonen. Die Kirche habe Macht, die Menschen von diesem | |
Einfluss zu befreien – fordert dafür aber eine Gegenleistung. Geld sei das | |
„Blut der Kirche“, sagt Kirchengründer und -chef Edir Macedo. Immer wieder | |
standen Leitungsfiguren der Universalkirche wegen Geldwäsche, | |
Steuerhinterziehung und der Veruntreuung von Spenden vor Gericht. | |
## Mietvertrag bis 2036 | |
Im August verriet das Bezirksamt der taz auf Anfrage, dass man dennoch | |
bereit sei, dem Verkauf der Kirche an das Hilfszentrum Universal | |
zuzustimmen – wenn vom Bezirk ausgewählte Kiezorganisationen das Gebäude | |
mitnutzen dürften. Als Grund gab das Amt die hohen Unterhaltskosten an, die | |
auf die Kommune als Eigentümerin des Gebäudes zukämen. Da die UKRG bis 2036 | |
einen Mietvertrag habe, würde sich mit einem Kauf durch den Bezirk ohnehin | |
erst einmal nichts an der Nutzung ändern, sagte die Behörde. | |
Über 100 Wissenschaftler:innen und Kulturschaffende aus Brasilien und | |
Deutschland wandten sich daraufhin in einem offenen Brief an Bürgermeister | |
von Dassel. Darin hieß es: „Dieser so genannten Kirche zu erlauben, auf | |
deutschem Boden Wurzeln zu schlagen, würde bedeuten, ihre Handlungen zu | |
tolerieren. Es würde bedeuten zu akzeptieren, dass der Glaube zur | |
Bereicherung zu Lasten der Gläubigen und für politische Zwecke | |
instrumentalisiert wird.“ Die Unterzeichnenden appellieren an das | |
Bezirksamt und an „alle deutschen Demokrat'innen“, den Verkauf der Neuen | |
Nazarethkirche nicht zuzulassen. | |
Nun gab es einen Wechsel an der Spitze des Bezirksamts: Stephan von Dassel | |
wurde Anfang September abgewählt. Seine Nachfolgerin Stefanie Remlinger | |
sagt: „Die Wissenschaftler sprechen einen sehr schmerzlichen Punkt an, wir | |
als Bezirk würden die Immobilie wahnsinnig gern kaufen. Es ist im Moment | |
aber für uns überhaupt nicht darstellbar vor dem Hintergund, dass die | |
Universalgemeinde einen Mietvertrag hat, der noch weit in die | |
Dreißigerjahre hinein läuft.“ | |
## Wer Geld hat, bitte melden | |
Angesichts des baulichen Zustands würde die Instandhaltung mehrere | |
Millionen Euro kosten. „Wer da eine Finanzierungsidee für uns hätte oder | |
dem Bezirk als Partner zur Seite stehen könnte, soll sich bei mir melden“, | |
so Remlinger. Es gäbe durchaus sinnvolle Nutzungen für das Gebäude, „die | |
dazu beitragen könnten, den Leopoldplatz und den ganzen Kiez zu | |
stabilisieren.“ | |
Dass sich die Universalkirche in Berlin einen einkommensschwachen Kiez | |
gesucht hat, ist kein Zufall: Weltweit versucht sie, aus den Problemen von | |
Menschen Profit zu schlagen. 1977 hatte der Lotterieverkäufer Macedo in Rio | |
de Janeiro eine kleine Freikirche gegründet. Heute hat sich das | |
evangelikale Pop-up zu einem multinationalen Franchise-Unternehmen mit | |
geschätzten acht Millionen Anhänger:innen entwickelt. Auf eine | |
Milliarde US-Dollar schätzt das Forbes-Magazin das Familienvermögen der | |
Macedos, die heute in New York leben. | |
Zusammen mit anderen evangelikalen Vereinigungen hat Macedos Kirche es | |
geschafft, im brasilianischen Parlament 120 Abgeordnete zu platzieren und | |
Jair Bolsonaro zum Präsidenten zu machen. Gesetze für den legalen | |
Schwangerschaftsabbruch oder die gleichgeschlechtliche Ehe konnten so schon | |
blockiert werden. „Nur Gott“, sagte Bolsonaro einmal, könne ihn aus dem Amt | |
entfernen. Ob dem so ist, wird sich bei der Wahl am Sonntag zeigen. | |
28 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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