# taz.de -- Wegen Korruption in Haft: Personalie „Lula“ spaltet Brasilien | |
> In Brasilien kommt Bewegung in den Fall des früheren Präsidenten Luiz | |
> Inácio Lula da Silva. Womöglich kommt er bald aus dem Gefängnis. | |
Bild: Als Mensch oder aufblasbare Puppe: Seine Anhänger*innen verehren Brasili… | |
SãO PAULO taz | Brasiliens Linke sieht Licht am Ende des Tunnels. Ab | |
Donnerstag wird der Oberste Gerichtshof (STF) darüber verhandeln, ob es | |
verfassungswidrig ist, Beschuldigte zu inhaftierten, die in zweiter Instanz | |
verurteilt wurden. 2016 hatte der STF entschieden, Haft ist möglich, auch | |
wenn noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Falls die | |
Richter*innen nun anders entscheiden, könnte Brasiliens bekanntester | |
Häftling freikommen: Luiz Inácio Lula da Silva. | |
Der Ex-Präsident [1][sitzt seit April 2018] wegen passiver Korruption und | |
Geldwäsche hinter Gittern. Dem Sozialdemokraten wird unter anderem | |
vorgeworfen, ein Apartment in der Küstenstadt Guarujá von einem Baukonzern | |
als Gegenzug für Gefälligkeiten erhalten zu haben. Lula, der von 2003 bis | |
2010 für die Arbeiterpartei PT regierte, bestreitet alle Vorwürfe und | |
spricht von einer politischen Kampagne. | |
Die „Operation Lava Jato“, die seit 2014 etliche Politiker*innen und | |
Manager*innen der Korruption überführt hatte, hat an Glaubwürdigkeit | |
verloren. Zuletzt äußerten mehrere STF-Richter*innen, dass die Urteile des | |
größten Korruptionsprozesses in Brasiliens Geschichte zu überdenken seien – | |
auch die gegen Lula. Der STF will noch im Oktober über eine Annullierung | |
des Urteils aufgrund von Befangenheit des Richters Sérgio Moro diskutieren. | |
Auslöser dafür sind [2][Veröffentlichungen] des Enthüllungsmediums [3][The | |
Intercept Brasil]. | |
Der durch den NSA-Skandal bekannt gewordene US-Journalist Glenn Greenwald | |
und sein Team veröffentlichen seit Juni geleakte Kurznachrichten zwischen | |
dem damaligen Richter Moro und Staatsanwälten der Operation Lava Jato. Dies | |
soll eine konspirative und illegale Zusammenarbeit beweisen, die Lulas | |
Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2018 [4][vereiteln] sollte. | |
## Lula lehnte halboffenen Vollzug ab | |
Die zynische Pointe: Richter Moro wurde kurz nach der Wahl des neuen | |
Präsidenten Jair Bolsonaro dessen Justizminister. Obwohl selbst viele | |
konservative Medien die Enthüllungen von The Intercept Brasil aufgriffen, | |
weigert sich Moro zurückzutreten und griff den preisgekrönten Journalisten | |
Greenwald an. | |
Ende September erklärte die Staatsanwaltschaft, Lulas achtjährige | |
Haftstrafe in den halboffenen Vollzug umwandeln zu wollen. In Brasilien | |
dürfen Häftlinge, die ein Sechstel ihrer Strafe bei guter Führung | |
abgesessen haben, tagsüber außerhalb des Gefängnis arbeiten. | |
Doch Lula lehnte den Vorschlag der Staatsanwaltschaft mit der Begründung | |
ab, er werde seine Unschuld beweisen und seine Würde nicht gegen seine | |
Freiheit tauschen. Die Staatsanwälte hätten sich bei den Brasilianer*innen | |
und seiner Familie zu entschuldigen. | |
Die Personalie Lula spaltet immer noch Brasilien: Für die einen ist er ein | |
Verbrecher und Chef einer politischen Mafia. Für die anderen ist er ein | |
Idol der Arbeiterbewegung und durch seine Haft so etwas wie ein | |
brasilianischer Mandela. | |
## Kritik an Fixierung der Linken auf Lula | |
Seine treusten Unterstützer*innen bauten vor dem Gefängnis im südlichen | |
Curitiba am Tag der Haftantritts eine Mahnwache auf, die nun seit 558 Tagen | |
besteht. Auch der Koordinator der Landlosenbewegung MST, Roberto Baggio, | |
ist dabei und sagte der taz: „Täglich wünschen wir unserem Präsidenten | |
guten Morgen, Mittag und Abend.“ Lula sei die Synthese der brasilianischen | |
Linken und deshalb vom Staat entführt worden. „Unsere Mahnwache ist sowohl | |
eine Anklage als auch ein Ort des Widerstandes.“ | |
Doch die Fixierung auf Lula sehen nicht alle Linken positiv. Hinter | |
vorgehaltener Hand kritisieren viele die fast schon religiöse Verehrung. | |
Große Teile der PT-nahen Linken setzen alles auf seine Freilassung. | |
Die Oppositionsarbeit gegen die rechtsradikale Bolsonaro-Regierung ist | |
dagegen in den Hintergrund gerückt. Zwar ist der charismatische Lula weiter | |
extrem populär, doch darf bezweifelt werden, dass der 73-Jährige die Linke | |
noch einmal aus der Krise führen wird. Es laufen sechs weitere Verfahren | |
gegen Lula. | |
18 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Verhaftung-von-Ex-Praesident-Lula-da-Silva/!5494629 | |
[2] /Verurteilung-von-Brasiliens-Expraesidenten/!5601698 | |
[3] https://theintercept.com/brasil/ | |
[4] /Wahlgericht-untersagt-Kandidatur/!5532700 | |
## AUTOREN | |
Niklas Franzen | |
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