# taz.de -- „Marsch für das Leben“: Kampf um den Körper | |
> Abtreibungsgegner:innen wollen am Wochenende wieder marschieren. | |
> Ihre reaktionären Forderungen sind attraktiv für Rechte und | |
> Nationalisten. | |
Bild: Demonstrierende bei der „Marsch für das Leben“ Gegendemo im vergange… | |
Es scheint so sicher, wie das Amen in der Kirche – jedes Jahr im September | |
strömen tausende christliche Fundamentalist:innen aus allen Ecken | |
Deutschlands nach Berlin, um bei sogenannten „Marsch für das Leben“ gegen | |
Abtreibungen und Sterbehilfe zu demonstrieren. | |
„Marsch gegen körperliche Selbstbestimmung“ wäre dabei wohl der ehrlichere | |
Titel, denn nicht alle Teilnehmer:innen besuchen die Demo aufgrund | |
ihrer religiösen Überzeugungen. Die Idee, Frauen wieder in die Rolle der | |
volkserhaltenden Gebärmaschine zu zwängen, zieht [1][Rechte von CSU bis AfD | |
an], die seit Jahren zu Stammgästen des Marsches gehören. | |
„Eine rechte Politik ist ohne die Kontrolle des weiblichen Körpers nicht | |
denkbar.“, so ein treffendes Zitat aus einer taz-Recherche zu dem | |
[2][europäischen rechtskonservativen Netzwerk „Citizen Go“] aus dem letzten | |
Jahr. Genau deshalb sollte mensch nicht den Fehler machen, den jährlichen | |
Fundi-Aufmarsch als harmlose Versammlung religiöser Spinner abzutun. | |
Das erschütternde [3][Urteil des Supreme Courts] in den USA im Juni, | |
welches das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche quasi abschaffte, beweist, | |
wie schnell erkämpfte Fortschritte wieder zunichte gemacht werden können. | |
Zumal der Einfluss fundamentalistischer und erzkonservativer Christ:innen | |
im dem eigenen Anspruch nach säkularen Deutschland häufig unterschätzt | |
wird. | |
## Gesetze aus dem letzten Jahrtausend | |
So ist es kein Zufall, dass Abtreibungen in Deutschland nach §218 weiterhin | |
grundsätzlich verboten sind. Straffreiheit besteht nur, wenn sich die | |
Schwangere mindestens drei Tage vor der Abtreibung hat beraten lassen. Bis | |
zu seiner Abschaffung im vergangenen Juni, stellte [4][der umstrittene | |
§219a] auch noch unter Strafe, offen für diese Beratungsgespräche werben. | |
Zusammen mit dem Ärztemangel und dem Druck von | |
Abtreibungsgegner:innen führte die gefühlt aus dem 19. Jahrhundert | |
stammende Gesetzgebung dazu, dass in vielen katholisch geprägten Gegenden | |
Deutschlands [5][Schwangerschaftsabbrüche kaum noch möglich sind.] | |
Gründe genug also, um sich dem „Marsch für das Leben“ entgegenzustellen. | |
Das Bündnis [6][„What the Fuck?!“] plant auch dieses Jahr wieder, den | |
„Fundis“ das Leben möglichst schwer zu machen. Geplant ist eine | |
queer-feministische Gegendemo. Ab 12 Uhr startet dann der Marsch des Lebens | |
(Samstag, 17. September, 10:30 Uhr, Leipziger Platz). | |
Wer sich nach einer hoffentlich erfolgreich blockierten Demo weiter mit | |
antifeministischen Ideologien beschäftigen möchte, der*dem sei ein Besuch | |
im Bandito Rosso nahegelegt. Dort gibt es einen [7][Infovortrag zum | |
Auftritt von Jordan B. Peterson] im Tempodrom. Der in Deutschland | |
weitgehend unbekannte Peterson ist Psychologe und Bestsellerautor, der | |
tiefste Ideologie im pseudo-intellektuellen Gewand verkauft. | |
## Männer sind wie Hummer | |
Dabei schreckt Peterson nicht einmal vor den krudesten bioglogistischen | |
Argumenten zurück: Das Verhalten von Männern und Frauen ähnelte dem von | |
Hummern, wobei sich die Männchen im permanenten Kampf um paarungsfähige | |
Weibchen befinden. Wenig überraschend ist Peterson eine feste Größe in der | |
anglo-amerikanischen neuen Rechten. | |
Die antisexistische Kampagne „keine Show für Täter“ plant bereits | |
[8][Protestaktionen gegen den Auftritt Petersons] (Samstag, 17. September, | |
19 Uhr, Lottumstraße 10a). | |
Eine Vorliebe für Straßenblockaden haben nicht nur die Feminist:innen | |
des What-the-fuck-Bündnisses, sondern auch die Klimaaktivist:innen | |
von Extinction Rebellion. Ebenfalls am Samstag startet die | |
„Herbstrebellion“, bei der es auch wieder zu zahlreichen Aktionen des | |
zivilen Ungehorsams kommen soll. | |
## Aufstehen fürs Klima | |
Angesichts der sich dramatisch verschärfenden Klimakrise und des Unwillens | |
der Herrschenden, auch nur annähernd angemessen auf sie zu reagieren, ist | |
die Notwendigkeit von Klimaaktivismus so hoch wie nie. Daher ist auch | |
Menschen, [9][die XR bisher eher kritisch gegenüberstanden], nahegelegt, | |
sich an dem verlängerten Aktionswochenende zu beteiligen. In einem | |
[10][Telegram Kanal] wird über aktuelle Aktionen informiert (Samstag, 17. | |
September bis Dienstag, 20. September). | |
Zum Kennenlernen [11][startet bereits am Freitag ein Klimacamp im | |
Invalidenpark]. Dort lassen sich auch noch Mitstreiter:innen für | |
etwaige Aktionen am Wochenende finden (Freitag, 16. September, ab 8 Uhr, | |
bis Mittwoch, 21. September, 10 Uhr, Invalidenpark). | |
16 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Marsch-fuer-das-Leben-in-Berlin/!5715064 | |
[2] /Online-Petitionen-gegen-Abtreibung/!5786746 | |
[3] /US-Gericht-zu-Schwangerschaftsabbruechen/!5863360 | |
[4] /Abschaffung-von-Paragraf-219a/!5863365 | |
[5] /Immer-weniger-Aerztinnen/!5487589 | |
[6] https://whatthefuck.noblogs.org/ | |
[7] https://stressfaktor.squat.net/node/272231 | |
[8] https://keineshowfuertaeter.noblogs.org/de/aufruf-demo-gegen-jordan-b-peter… | |
[9] /Extinction-Rebellion-Aktionen-in-Berlin/!5792289 | |
[10] /Extinction-Rebellion-Aktionen-in-Berlin/!5792289 | |
[11] https://extinctionrebellion.de/aktionen/herbst-rebellion/programm/ | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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