# taz.de -- CDU-Parteitag in Hannover: Kulturkampf der Konservativen | |
> Die CDU entscheidet sich knapp für Frauenquote und Gleichstellung. Doch | |
> wofür die Partei steht, bleibt vage. | |
Bild: Ausgerechnet er setzt die Frauenquote in der CDU durch: Friedrich Merz | |
HANNOVER taz | Kristina Schröder redet fast beschwörend auf die Delegierten | |
ein. Die Frage sei „fundamental“ für die CDU, eine „Weichenstellung“, … | |
die ehemalige Bundesfamilienministerin. „Der Unterschied ist riesig, etwa | |
wie Marktwirtschaft und Planwirtschaft.“ Schröder meint eine sehr kurze | |
Passage in der neuen Grundwertecharta der CDU. Die soll das Fundament des | |
neuen Grundsatzprogramms der Partei werden. | |
Laut Entwurf soll [1][„die Gleichberechtigung der Geschlechter und die | |
tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau“] Ziel der CDU sein. Schröder | |
ist, wie manchen Konservativen in der Union, der Begriff Gleichstellung | |
Synonym für alles, was man nicht will. Wenn die CDU sich Gleichstellung zu | |
eigen mache, sei das eine „eine Verbeugung vor linker Identitätspolitik“. | |
Eine Kapitulation. | |
Schröder unterstützt einen Antrag, den die Mittelstandsvereinigung und die | |
Junge Union eingebracht haben. Die Befürworter:innen der | |
Gleichstellung argumentieren, dass der Begriff seit Langem Teil der | |
CDU-Programmatik ist. „Mit der Streichung würden wir hinter das Jahr 1986 | |
zurückfallen“, ruft Serap Güler, die im Bundesvorstand sitzt und anmerkt, | |
dass die Schlagzeile „CDU streicht Gleichheit“ doch unschön sei. Die | |
Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil, Vorsitzende der Gruppe der Frauen, | |
meint, [2][Gleichstellung stehe nicht für Gleichmacherei, sondern für | |
Gleichwertigkeit]: „Das ist die Bedeutung von Gleichstellung“. | |
Bei der Debatte geht es um mehr als das Buzzword Gleichstellung, doch | |
verursacht es einen unterdrückten, verhüllten Kulturkampf: Will man modern | |
sein? Oder eine konservative Trutzburg? Mitte? Oder rechts davon? Eine | |
Partei beschäftigt sich damit, was sie sein will. Das ist ziemlich neu für | |
die CDU. | |
## Keine Familienfeier mehr, sondern harte Debatten | |
Am Freitag um 19 Uhr sagt Tagungspräsident Thorsten Frei: „Wir kommen jetzt | |
zur Abstimmung. Äh, nein, erst zur Diskussion“. Freis Versprecher hat etwas | |
Kennzeichnendes. Die Debatte um die Frauenquote ist, wie die um die | |
Gleichstellung, offen. Man weiß nicht, wie der Parteitag entscheidet – für | |
die CDU, in der viel top down geht, eine ungewohnte Lage. | |
Parteichef Merz will eine Quote light, nach und nach und erstmal auf fünf | |
Jahre begrenzt. Um, so das pragmatische Argument, attraktiver für | |
Wählerinnen zu werden. Doch die Mehrheit für den CDU-Chef ist nicht sicher. | |
Vor allem die Junge Union und die Mittelstandvereinigung, die früher Merz' | |
Fanbase waren, halten Quoten und Gleichstellung für linksgrünen Unfug. | |
CDU-Parteitage sind in der Regel mehr Familienfeiern als harte | |
Programmdebatten. Erst recht nach 16 Jahren Merkel. Jetzt plötzlich gibt es | |
offenen Streit mit offenem Ausgang. Eine Partei lernt das Debattieren. | |
Und sie macht das gar nicht schlecht. Die Debatte ist emotional, mit 34 | |
Wortmeldungen, einem Hauch echtem Kulturkampf und überraschenden | |
Frontlinien. Die Quote scheint vor allem die CDU-Frauen zu teilen, die | |
Jüngeren sind dagegen. „Keine Frauenquote der Welt stellt sicher, dass | |
meine Kinder mittags aus der Kita abgeholt werden“, ruft die Paderborner | |
Kreisvorsitzende Corinna Gotte. Man wolle, so der Tenor der | |
Dreißigjährigen, bloß keine Quotenfrau sein, und brauche mehr digitale | |
Sitzungen und familienkompatible Zeiten. | |
Die älteren Frauen plädieren hingegen fast durchweg dafür. Karin Prien, | |
CDU-Vizechefin und Vertreterin des liberalen Flügels, kontert kühl, dass | |
die Quote nötig sei, um „die Macht zwischen Männern und Frauen zu teilen“. | |
Die Stimmung im Saal wogt hin und her – vor allem jüngere | |
Anti-Quoten-Frauen werden umjubelt. | |
## 57 Prozent stimmen für die Quote | |
Dann tritt Julia Klöckner, Ex-Ministerin, nach vorn. Sie wäre vor 20 Jahren | |
ohne das unverbindliche Quorum nie Bundestagsabgeordnete geworden. Und sie | |
kritisiert das „Schenkelklopfen“ der CDU-Männer, die johlen, wenn junge | |
Frauen gegen die Quote wettern. Point taken. | |
Und auch Merz wirbt als letzter Redner vor der Abstimmung für die Quote. | |
Mit Erfolg. 57 Prozent votieren dafür. Es ist ein knapper Sieg, aber nicht | |
so knapp, wie manche erwartet haben. Manche stimmen wohl auch dafür, weil | |
sie ihren Vorsitzenden nicht demontiert wollen, erst recht nicht so kurz | |
vor der Niedersachsenwahl. Auch die Gleichstellung bleibt in der | |
Grundwertecharta. | |
So gelingt ironischerweise unter Merz, Merkels konservativem Konterpart, | |
der lange selbst gegen die Quote war, was in der Merkel-CDU 16 Jahre lang | |
nicht möglich war. | |
## Phrasen, die man eher von der AfD kennt | |
Ist der Konflikt damit vorbei, der Kulturkampf befriedet? Der Preis von | |
Merz' „only Nixon can go to China“ Auftritt ist, dass bei den Unterlegenen, | |
ausgerechnet seinen Unterstützern bei Junger Union und Mittelständlern, der | |
Groll wächst. Aber Merz gibt den frustrierten Konservativen auch Futter: | |
Sprüche, die man auch von rechtsaußen kennt. Spontaner, begeisterter | |
Applaus brandet auf, als Merz gegen die gegenderte Sprache bei den | |
Öffentliche-Rechtlichen zu Felde zieht. „Universitäten und | |
öffentlich-rechtlicher Rundfunk sind keine Volkserziehungsanstalten“, sagt | |
er. Linke Volkserzieher – dieses Bild wird auch bei der AfD gern gepflegt. | |
Mit grobem Werkzeug hämmert der CDU-Chef auch auf die Ampel ein. Er stürzt | |
sich auf Wirtschaftsminister Robert Habeck, der gerade Fehler macht und | |
sich schwertut. Nur „mit Kinderbüchern und Philosophie“ könne man das Land | |
nicht regieren, ätzt Merz. Man sei „nicht in Bullerbü“. Damit versucht Me… | |
wohl, die auseinanderstrebenden Flügel beieinander zu halten. Das aber | |
bedient einen Antiintellektualismus, der einer Partei, die für sich | |
bürgerliche Tugenden reklamiert, nicht gut steht. | |
Vage bleibt indes, was die CDU jenseits des mühsam eingehegten internen | |
Kulturkampfes eigentlich will. Ihr Zukunftsentwurf ist blass. Kontrovers | |
geht es bei dem verbindlichen Pflichtdienst zu – allerdings quer zur | |
Lagergrenze zwischen Liberalen und Konservativen. Die Gegner sehen die | |
Freiheit des Individuums in Gefahr und staatliche Pädagogik am Werk. | |
Die Unterstützer sehen ein Instrument, um die auseinanderdriftende | |
Gesellschaft zusammenzuhalten. Es sind bekannte Argumente und ein | |
überraschendes Ergebnis: Die CDU will ein Pflichtdienstjahr für alle. Noch | |
eine Niederlage für die Junge Union, die energisch davor gewarnt hatte. | |
Ohne viel Debatte und erstaunlich schnell verabschiedet ist am | |
Freitagnachmittag der Leitantrag zu Energiekrise und Wirtschaftspolitik. | |
Die CDU ist gegen die Gasumlage und will die drei AKWs länger laufen | |
lassen. Sie will einen Gas- und Stromdeckel einführen und ein | |
sechsmonatiges Moratorium für private Gas- und Stromverträge. Lieber sollen | |
arme Menschen 1.000 Euro bekommen als alle 300, außerdem soll die Erhöhung | |
des C02-Preises 2023 nicht ausgesetzt werden, wie die Ampel es gegen den | |
Widerstand der Grünen beschlossen hat. Will die CDU grüner als die | |
Regierungsgrünen sein? Mehr Soziales als die SPD? | |
Eher nicht. Damit gibt die CDU einfach der Regierung Contra, um deren | |
Schwächen in den Fokus zu rücken. Die neue Programmatik ist auch nach | |
diesem Parteitag nicht zu erkennen. | |
10 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /CDU-Parteitag-in-Hannover/!5881083 | |
[2] /Geschlechtergerechtigkeit-in-der-CDU/!5845554 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
Stefan Reinecke | |
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