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# taz.de -- Fundamentalisten vor Pro Familia: Beten gegen Abtreibung
> Abtreibungsgegner:innen belästigen vor Beratungsstellen schwangere
> Frauen. Die Ampel will das verhindern.
Bild: Mittlerweile gibt es ein Wort für die Belagerung vor den Beratungsstelle…
Frankfurt am Main/Berlin taz | Am Mittwoch, Punkt 13 Uhr, platzieren sich
ein älterer Mann und vier Frauen vor der Geschäftsstelle von Pro Familia in
Frankfurt. Eine weitere Frau mit Sonnenbrille kniet auf dem kalten
Pflaster. Vor sich hat sie ihre Handtasche wie einen Schutzschild
aufgestellt. Daneben eine Milchtüte mit Strohhalm. Der Mann gibt den
Vorbeter.
Den Platz prägen prächtige Palmen, im Süden der Blick auf die Skyline von
Frankfurts, gegenüber das noble Gesellschaftshaus des Palmengartens mit
Parkanlage und Wasserfontäne. Eigentlich ist das ein friedlicher Ort. Doch
wenn sich hier die „Mahnwachen für das ungeborene Leben“ aufstellen, wurde
es in der Vergangenheit oft unfriedlich.
An diesem Mittwoch jedoch bleibt es zunächst ruhig. Die
Abtreibungsgegner*innen kommen aus dem Umkreis der erzkatholischen
kroatischen Gemeinde. Ununterbrochen murmeln sie Gebete und Mariengesänge.
Auf jedes „Vater unser“ folgt ein „Ave Maria“, schließlich ein
Glaubensbekenntnis und dann das Ganze von vorne. Dazu lassen sie
Rosenkränze durch ihre Hände gleiten. Wenn sie dann aber mit schrillen
Stimmen fromme Lieder anstimmen, stören sie die Gespräche in der
Geschäftsstelle.
Die Betenden gehören zu „40 Days for Life“, einer in den USA entstandenen
Kampagne gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Seit 2017
veranstalten sie auch in Deutschland regelmäßig Mahnwachen vor
Einrichtungen wie Pro Familia, 40 Tage lang, in diesem Jahr neben Frankfurt
auch in Pforzheim, Stuttgart und München.
## Kein Weg an den Protesten vorbei
An diesem Mittwoch haben die selbsternannten WächterInnen noch keine
Plakate mit verklärenden Fotos von Föten im Mutterleib mitgebracht, keine
Babypuppen. Doch das wird kommen. So war es in allen Jahren davor. Ob nun
Mitarbeiter*innen oder ungewollt Schwangere: Wer in die
Beratungsstelle hinein will, muss an ihnen vorbei.
Am Nachmittag ist eine große Kundgebung feministischer Organisationen vor
Pro Familia geplant. Der 28. September ist der [1][International Safe
Abortion Day], an dem auch in vielen deutschen Städten Menschen das Recht
auf sicheren Schwangerschaftsabbruch einfordern.
Gegen die Belästigung haben die Beratungsstellen kaum eine Handhabe. Die
hessischen Grünen hatten ihrem Wiesbadener Koalitionspartner CDU zwar
[2][eine Landesverordnung abgerungen], mit der das aufdringliche Bekenntnis
im Umfeld von Beratungsstellen ein für alle Mal tabu werden sollte.
Doch im März [3][kassierte der hessische Verwaltungsgerichtshof eine
entsprechende Anordnung der Stadt]. Der VGH erkannte zwar einen „sensiblen
Tätigkeitsbereich“, doch den Frauen stehe auf dem Weg zur Beratung „kein
Konfrontationsschutz“ vor nicht gewünschten Ansichten zu, so das hohe
Gericht.
## Ampel sieht Handlungsbedarf
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja
Mast, sieht in den Mahnwachen eine unzumutbare Belästigung. „Die Frauen,
die eine Beratungsstelle aufsuchen, müssen das tun, weil sie einen
Beratungsschein brauchen, wenn sie einen Abbruch vornehmen wollen“, sagte
Mast. „Sie befinden sich in einer Extremsituation, und dass sie dabei
von Abtreibungsgegnern beobachtet und angesprochen werden, ist meiner
Ansicht nach unerträglich.“
Auch in Masts Wahlkreis Pforzheim belagern Abtreibungsgegner regelmäßig die
Beratungsstelle von Pro Familia mit Kindersärgen und stilisierten Föten.
[4][Und auch dort kassierte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gerade erst
ein Verbot entsprechender Mahnwachen.]
Auch sie sehe Handlungsbedarf, sagte am Mittwoch Bundesfrauenministerin
Lisa Paus (Grüne). Menschen trauten sich wegen dieser lautstarken und
eskalierenden Proteste mitunter nicht mehr in die Beratungsstellen. „Das
hat mit Demonstrationsrecht erst mal nichts zu tun“, betonte die
Ministerin. Vielmehr gehe es um „Bedrohung von Personen, die entsprechende
Einrichtungen aufsuchen wollen“.
Noch in diesem Jahr will die Ampelregierung ein Vorhaben aus dem
Koalitionsvertrag umsetzen: Gehsteigbelästigungen sollen bundesweit
einheitlich als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Aktualisiert am 29.09.2022 um 09.33 Uhr
28 Sep 2022
## LINKS
[1] https://safeabortionday.noblogs.org/
[2] /Abtreibungsgegner-in-Schranken-gewiesen/!5617608
[3] https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-mahnwache-direkt-vor-pro-familia-sind…
[4] /Mahnwache-gegen-Abtreibungen/!5875090
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
Dinah Riese
Anna Lehmann
## TAGS
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Schwerpunkt Abtreibung
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