# taz.de -- Susan Faludis Klassiker „Backlash“: Ins Gegenteil verkehrt | |
> 1991 veröffentlichte Susan Faludi das Buch „Backlash“, in dem sie | |
> antifeministische Strukturen in den USA analysiert. Es bleibt | |
> hochaktuell. | |
Bild: Der Backlash war schon damals Thema: Der March for Women's Lives 1989 in … | |
Antifeminismus ist keine Erfindung von heute. Sobald Frauen mehr Rechte | |
einforderten, gab es Gegenbewegungen. Etwa während der [1][französischen | |
Revolution], der [2][Suffragettenbewegung] oder den 80ern des letzten | |
Jahrhunderts. | |
Auch haben Frauen das System Antifeminismus schon früher analysiert. Eine | |
von ihnen ist die Pulitzerpreisträgerin [3][Susan Faludi]. 1991 wurde ihr | |
Buch „[4][Backlash]“, also [5][Rückschlag], veröffentlicht. Darin | |
untersucht sie die US-amerikanische Politik, Gesellschaft und Kultur im | |
Hinblick darauf, wie feministische Erfolge ins Gegenteil verkehrt werden. | |
Das Buch stand ein Jahr lang unangefochten auf den US-amerikanischen | |
Bestsellerlisten. | |
Auf Deutsch trägt es den Titel: „[6][Die Männer schlagen zurück]“. Dieser | |
impliziert, dass Frauen zuerst zugeschlagen hätten. Die Befreiung der Frau, | |
so wird insinuiert, sei ein Akt der Aggression gegen Männer. Ein Backlash | |
ist aber mehr als Vergeltung, er wirft die ganze Gesellschaft zurück. | |
Schon der deutsche Buchtitel ist ein Beispiel für die subtilen Strukturen | |
und Taktiken des Antifeminismus, wie Faludi sie analysiert: Den | |
Gleichheitsanspruch der Frauen ins Gegenteil verkehren, ihn nicht ernst | |
nehmen, falsche Korrelationen herstellen, darin einen Angriff sehen, das | |
sind, so Faludi, antifeministische Vorgehensweisen. Dabei ist die | |
Aggression doch, dass Frauen über Jahrhunderte gleiche Rechte vorenthalten | |
werden. | |
## Keine Magie im Spiel | |
Die Unterzeile des Buches ist nicht besser. Im Original heißt es: „The | |
undeclared war against American women“. Und in der umgedeuteten | |
Übersetzung: „Wie die Siege des Feminismus sich in Niederlagen verwandeln | |
und was Frauen dagegen tun können.“ | |
Sieg, Niederlage – klar, vor 40 Jahren wurde die feministische Bewegung als | |
Geschlechterkampf verstanden. Aber feministische Errungenschaften | |
„verwandeln“ sich nicht in Niederlagen, es ist keine Magie im Spiel. | |
Vielmehr wird feministisches Denken durch die Kultur des Patriarchats, die | |
sich bis heute durch die Gesellschaft zieht, zunichte gemacht – so Faludis | |
Analyse. | |
## Neutralen Anstrich geben | |
Tricks, mit denen Feminismus diffamiert wird, bestehen, meint Faludi, auch | |
darin, patriarchal gefärbten Erhebungen einen neutralen wissenschaftlichen | |
Anstrich zu geben. Oder darin, Feminismus umzukehren, indem gesagt werde, | |
Frauen seien doch emanzipiert und hätten alle Möglichkeiten, da bedürfe es | |
keiner weiteren politischen Intervention für Gleichheit. | |
Rollenbilder seien eigentlich fluide; konservative und neurechte Politik, | |
und nicht nur sie, orientierten sich jedoch an alten Zuschreibungen, die | |
sie als State of the Art begreifen würden. Und die Medien und die Kultur | |
machten sich dabei zu Steigbügelhaltern. [7][Der Backlash sei keine] | |
konspirative Verschwörung, die von oben gesteuert werde, schreibt Faludi. | |
Auch seien sich jene, die antifeministische Theorien verbreiten, dessen | |
nicht immer bewusst. Meistens gehe das diffus und chamäleonhaft vonstatten, | |
die antifeministischen Codes seien im Denken internalisiert. | |
## Weiterhin Gültigkeit | |
Heute ist Faludis Buch schwer zu lesen, da es sich in Detailfülle auf den | |
US-amerikanischen Mainstream vor allem der 80er Jahre des letzten | |
Jahrhunderts bezieht, der mittlerweile eher wenig zugänglich ist. Ihre | |
Analyse der subtilen Umkehr feministischer Errungenschaften aber hat weiter | |
Gültigkeit. Nur deshalb werden Meinungen wie die, dass die | |
Emanzipationsbewegung Mädchen heute [8][aggressiver] mache, oder dass die | |
vielen Lehrerinnen schuld am [9][schlechteren Abschneiden] von Jungs in der | |
Schule seien, wie Tatsachen gehandelt. Ein Artikel, der am 7. Februar 2023 | |
in der Neuen Züricher Zeitung stand, zeigt die von Faludi untersuchten | |
subtilen Umkehrungsmechanismen en detail: „[10][Je freier Frauen] bei der | |
Partnerwahl werden, desto mehr Männer bleiben allein. Ist daran unsere | |
Biologie schuld?“ lautet die Überschrift. | |
Im Klartext: Frauenbefreiung macht mehr Männer zu Singles. Das Wort | |
„Schuld“ wird benutzt. Im Text geht die negative Wertung der | |
Frauenemanzipation noch weiter, denn in biologistischer Camouflage, die | |
evolutionäre Zusammenhänge aus dem Tierreich auf die Gegenwart überträgt, | |
werden vermeintlich wissenschaftliche Begründungen für das Dilemma der | |
Männer geliefert. Die blieben bei der Partnerwahl vermehrt auf der Strecke, | |
wenn Frauen selbstbewusster und ökonomisch unabhängiger werden. Sexuell | |
unerfüllte Männer aber seien potenzielle Gefährder. Fazit: | |
Frauenemanzipation ist schlecht für Männer und Gesellschaft. | |
Der Artikel, der 32 Jahre nach dem Erscheinen von „Backlash“ veröffentlicht | |
wurde, bedient, was Faludi anprangert. Sie hat das Handwerkszeug gezeigt, | |
mit dem solche Texte decodiert werden können. Wir sollten es nutzen. | |
8 Mar 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olympe_de_Gouges | |
[2] https://www.spiegel.de/geschichte/anti-suffragetten-in-england-frauenwahlre… | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Susan_Faludi | |
[4] https://en.wikipedia.org/wiki/Backlash:_The_Undeclared_War_Against_American… | |
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Backlash | |
[6] /Die-Maenner-schlagen-zurueck/!1621264/ | |
[7] https://www.theguardian.com/books/2005/dec/13/classics.gender | |
[8] https://polizei.nrw/sites/default/files/2016-11/Maedchengewalt%20in%20NRW.p… | |
[9] /Geschlechterspezifische-Schulleistungen/!5228924 | |
[10] https://www.nzz.ch/wissenschaft/je-freier-frauen-bei-der-partnerwahl-werde… | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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