# taz.de -- Landesgesetz für Abtreibungen: Bremen will Versorgung sichern | |
> Mit einem Gesetz soll es möglich sein, Ärzt:innen finanziell zu | |
> unterstützen. Auch sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ soll es verhinder… | |
Bild: Darum geht es bei Abtreibungen: um eine medizinische Versorgung | |
BREMEN taz | Als erstes Bundesland will Bremen ein eigenes Landesgesetz | |
erlassen, das die Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen sicherstellen | |
soll. Diese ist in Bremen [1][seit etwa drei Jahren immer wieder akut | |
gefährdet], in Bremerhaven noch länger. Der Grund: Im Land Bremen finden 85 | |
Prozent aller Abtreibungen im medizinischen Zentrum von Pro Familia statt, | |
einer Tagesklinik, die 1979 eröffnet worden ist. In anderen Großstädten | |
gibt es auch niedergelassene Gynäkolog:innen, die die Leistung anbieten, | |
allerdings gehen diese [2][zunehmend ohne Nachfolger:innen in Rente.] | |
Mit Ärztemangel kämpft auch das medizinische Zentrum der Bremer Pro | |
Familia. Deshalb musste es zuletzt in Urlaubs- und Krankheitsphasen immer | |
wieder die Einrichtung ganz schließen oder die Öffnungszeiten einschränken. | |
Nicht nur Bremer:innen bekamen dann keine Termine für eine Abtreibung, | |
denn die Hälfte der Schwangeren kommt aus Niedersachsen. | |
Den Ärztemangel kann das neue Gesetz, das noch vor der Wahl im Mai von der | |
rot-grün-roten Kolition beschlossen werden soll, nicht beheben. Aber es | |
soll dem Staat ermöglichen, Ärzt:innen und Einrichtungen finanziell zu | |
unterstützen. Es gebe Ärzt:innen, denen die Investitionskosten für OP-Räume | |
oder die Miete eines Ruhezimmers beim medikamentösen Abbruch zu hoch seien, | |
sagte am Donnerstag Maja Tegeler, frauenpolitische Sprecherin der Linken, | |
die den Gesetzentwurf gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Nelson Janßen | |
vorstellte. Zudem seien die Zuzahlungen für Frauen, die den Abbruch nicht | |
selbst bezahlen können, zu gering, um die Kosten decken zu können. | |
Ohne ein solches Landesgesetz ist dem Staat bisher die finanzielle | |
Unterstützung nicht möglich. Denn Schwangerschaftsabbrüche gelten nach | |
Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs als Tötungsdelikte, die nicht gefördert | |
werden dürfen und auch keine Kassenleistung sind. Hat sich die schwangere | |
Person beraten lassen und eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten, so wird | |
die Tat bis zur 12. Woche nach Empfängnis nicht strafrechtlich erfolgt. | |
## Behörde hofft auf Rechtssicherheit | |
Die Bremer Gesundheitsbehörde verspricht sich vom Gesetz vor allem | |
Rechtssicherheit, wie ein Sprecher der taz sagte. Dabei springt Bremen in | |
eine Lücke, die das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil 1993 | |
geschaffen hatte, als es eine „grundsätzliche Austragungspflicht“ für die | |
Schwangere erkannte und den Gesetzgeber verpflichtete, ein Konzept für den | |
Schutz des [3][„ungeborenen Lebens“] vorzulegen. | |
Die Bundesländer sollten ein „ausreichendes“ Angebot der medizinisches | |
Versorgung sicherstellen, urteilte das Gericht, ohne dies weiter zu | |
definieren. Der einzige Anhaltspunkt, den es damals lieferte: Die Frau soll | |
An- und Abreise innerhalb eines Tages mit öffentlichen Verkehrsmitteln | |
bewältigen können. | |
Nun legt auch das Bremer Gesetz nicht fest, wie weit die Entfernungen zur | |
nächsten Praxis sein dürfen, sondern sagt nur, das Angebot müsse | |
„bedarfsgerecht“ sein. Zudem müssten alle Methoden angeboten werden. | |
Derzeit können Frauen nur selten zwischen verschiedenen Methoden – operativ | |
oder medikamentös – und Narkosen wählen. | |
Beim medizinischen Zentrum von Pro Familia ist dies der Fall. Deren | |
Geschäftsführerin Lea Pawlik, die bei der Vorstellung des Entwurfs dabei | |
war, sagte: „Mit diesem Gesetz können wir für die nächsten Jahre Abhilfe | |
schaffen.“ Und: „Es ist eine deutliche Verbesserung für die Frauen.“ | |
## Proteste vor Praxen sollen verboten werden | |
Das betrifft auch den zweiten Teil des geplanten Gesetzes, der auf Wunsch | |
der Grünen hineingeschrieben wurde. Dabei geht es um die sogenannten | |
„Gehsteigbelästigungen“, wenn christliche Fundamentalist:innen vor | |
Beratungsstellen oder Praxen gegen Schwangerschaftsabbrüche demonstrieren. | |
„Bisher ist das kein großes Problem in Bremen“, sagte Nelson Janßen von d… | |
Fraktion der Linken, „aber wir wollen nicht in eine Situation hineinlaufen, | |
sondern sie im Vorfeld verhindern“. | |
Auch in Baden-Württemberg und Hessen – wo Abtreibungsgegner:innen | |
regelmäßig vor Praxen demonstrieren und „Mahnwachen“ halten – [4][hatte… | |
solche Verbotsversuche] gegeben. Dort waren diese vor den | |
Verwaltungsgerichtshöfen gescheitert, weil es nicht mit dem | |
Versammlungsrecht zu vereinbaren sei. | |
Allerdings hatte es sich in beiden Ländern nur um Verwaltungsvorschriften, | |
nicht um Gesetze gehandelt. In Bremen soll zukünftig vor Praxen und | |
Beratungsstellen verboten sein, „in Sicht- oder Rufweite die Schwangere | |
durch gezieltes Ansprechen oder sonstige Ausübung von Zwang oder Druck zu | |
beeinflussen oder sie am Zugang zu hindern“. | |
18 Mar 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
Stina Reichardt | |
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