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# taz.de -- Juristin zu Abtreibungsgegner-Gesetz: „Schritt zu mehr Erträglic…
> Am Mittwoch debattiert der Bundestag zu sogenannten
> Gehsteigbelästigungen. Der sei endlich ein Bekenntnis zum Schutz
> Schwangerer, sagt Céline Feldmann.
Bild: Frauen sollen vor Belästigungen von Abtreibungsgegnern geschützt werden
Frau Feldmann, die Bundesregierung will Schwangere besser [1][vor
Abtreibungsgegner*innen schützen]. Was genau ist das Problem?
Céline Feldmann: Es kommt leider oft vor, dass sich [2][selbsternannte
Lebensschützer*innen] vor Beratungsstellen für [3][ungewollt
schwangere Personen] oder gynäkologischen Praxen einfinden und Fotos zum
Beispiel von zerstückelten Föten verteilen. Sie nehmen mit Plakaten und
Gesängen lautstark Raum ein und erschweren den Zugang zu den Praxen
erheblich. Schwangere Personen werden damit oft verunsichert, dem Personal
in den Praxen erschwert das die Arbeit.
Dagegen kann man bisher nichts machen?
Es gibt zumindest keine bundeseinheitliche Regelung. Vollzugsbehörden und
Rechtsprechung gehen sehr unterschiedlich mit solchen Situationen um. Das
führt dazu, dass diese sogenannten Gehsteigbelästigungen selten unterbunden
werden und insgesamt zu einer enormen Rechtsunsicherheit. Schwangere
Personen, Beratungspersonal und medizinisches Personal werden großen
Belastungen ausgesetzt.
Worauf zielt der Gesetzentwurf, den der Bundestag am kommenden Mittwoch
diskutieren wird?
Einmal auf Prävention, zudem auf Repression, also auf das
Ordnungswidrigkeitenrecht. Präventiv sieht er Schutzzonen vor, dass also im
Bereich von 100 Metern rund um Praxen und Beratungsstellen bestimmte
Handlungen verboten sind. Repressiv können diese als Ordnungswidrigkeiten
geahndet werden. Betroffene können die Polizei rufen, wenn sie die
beschriebenen Belästigungen unterbinden möchten.
Wie finden Sie das?
Wir als Deutscher Juristinnenbund finden es grundsätzlich positiv, dass
dieses Gesetz endlich kommen soll. Es ist sehr gut, wenn sich die
Bundesregierung dazu bekennt, schwangere Personen schützen zu wollen. Sehr
gut ist auch, dass durch das Gesetz klargestellt werden soll, dass die
Länder den Auftrag haben, einen ungehinderten, also ganz praktischen Zugang
zu Einrichtungen der Beratung und der Versorgung für schwangere Personen
sicherzustellen. Und schließlich ist wichtig, dass die statistische
Erfassung erweitert wird.
Was bedeutet das?
Bisher mangelt es an Daten, also an der Erfassung der Praxen und Kliniken,
die Abbrüche vornehmen. Das soll nun nicht mehr nur auf Bundeslandebene
passieren, sondern bis hinunter in die Regionen und Kreise. Das ist
wichtig, weil es zum Beispiel in Bayern zwar generell keine gute
Versorgungslage gibt. Aber es gibt große Unterschiede zum Beispiel zwischen
dem Großraum München und Oberfranken. In Oberfranken müssen Sie weit
fahren, wenn Sie einen Abbruch brauchen. Es braucht also kleinteiligere
Informationen.
Ist ein solches Verbot nicht ein Eingriff in Grundrechte?
Es ist wichtig, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu schützen.
Demgegenüber müssen aber auch reproduktive Rechte gesichert werden.
Haben Sie auch Kritik am Gesetzentwurf?
Wir kritisieren die Ausgestaltung im Detail. Es braucht bei einzelnen
Handlungen zum Beispiel Absicht oder Wissentlichkeit, es braucht also
höhere Anforderungen an das juristische Kriterium des Vorsatzes, damit die
Handlungen der selbsternannten Lebensschützer*innen verboten werden
können. Je höher aber die Anforderungen an bestimmte Handlungen sind, desto
schwerer sind sie nachzuweisen und desto weniger Fälle werden von den
Kriterien letztlich erfasst.
Sie fordern, die Schwelle zu senken?
Ja. Wir finden, dass Belästigungen schon störend sind, wenn der Vorsatz nur
bedingt gegeben ist. Das ist dann der Fall, wenn Personen zumindest
billigend in Kauf nehmen, dass sie ihre Meinung anderen aufdrängen oder
diesen ein Hindernis bereiten. Zudem sollte die Handlung des „erheblich
unter Druck Setzens“ kein sogenanntes Erfolgsdelikt sein.
Das heißt?
Sie soll unserer Meinung nach nicht dazu geführt haben müssen, dass die
schwangere Person tatsächlich unter Druck gesetzt wurde – es muss genügen,
dass das möglich war. Auf die Verletzlichkeit der betroffenen Person darf
es nicht ankommen. Zusätzlich kritisieren wir das Kriterium des Aufdrängens
„gegen den erkennbaren Willen“. Damit wird der schwangeren Person die
Verantwortung auferlegt, zu vermitteln, dass sie die Situation ablehnt.
Aber man sollte grundsätzlich davon ausgehen können, dass aufgedrängte
Meinungen unerwünscht sind.
Der DJB hat seine Kritik bereits in einer Stellungnahme formuliert. Wurden
Sie damit gehört?
Bisher gab es keine Änderungen am Referent*innenentwurf. Erfreulich ist
aber, dass wir zur ersten Anhörung nach der Plenumsdebatte eingeladen sind,
um unsere Position zu erläutern. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt.
Es stehen noch weitere Ereignisse zum Thema an: Die von der Bundesregierung
einberufene Kommission für reproduktive Rechte will ihr Votum vorstellen,
ob Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden
sollen. Außerdem stehen Ergebnisse der Elsa-Studie an, die erstmals
Lebenslagen ungewollt Schwangerer untersucht. Wie bewerten Sie den
Gesetzentwurf in diesem Kontext?
Dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich kriminalisiert werden, ist
unerträglich. Wir hier in Deutschland schauen gern kritisch auf die USA –
aber auch hierzulande müssen schwangere Personen teilweise ins nächste
Bundesland reisen, um einen Abbruch zu vornehmen lassen zu können, teils
bis zu 150 Kilometer weit. Der Gesetzentwurf zu Gehsteigbelästigungen kann
ein erster Schritt sein, die Situation schwangerer Personen erträglicher zu
machen. Aber das große Ziel müssen Entkriminalisierung und
Entstigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sein. Dafür ist immens
wichtig, dass die empirischen Ergebnisse der Elsa-Studie kommen. Die
Kommission wird zudem hoffentlich eine Regelung außerhalb des
Strafgesetzbuches empfehlen. Alles in allem bleibt nur ein Appell an die
Bundesregierung, die reproduktiven Rechte schwangerer Personen endlich
ernst zu nehmen.
4 Apr 2024
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## AUTOREN
Patricia Hecht
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Belästigung
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Paragraf 218
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