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# taz.de -- Koreanisches Kulturerbe: Im Schlag der großen Jingo-Trommel
> Mit „Jongmyo Jeryeak“ ist eine geheimnisvolle, streng disziplinierte
> Musik zu hören. Erstmals ist dieses koreanische Ritual in Deutschland auf
> Tour.
Bild: Prächtige Kostüme, gewagte Hutmoden: Jongmyo Jeryeak-Ritus in der Berli…
In einem Crashkurs vorab durfte man erfahren, dass die Farbe Grün in Korea
für den Osten steht und Weiß für Westen. Einmal Klatschen meint Anfang,
dreimal Klatschen bezeichnet ein Ende. Und wahrscheinlich hat man auch
schon K-Pop gehört, [1][die koreanische Popmusik], und war bestimmt mal
koreanisch essen, um wenigstens etwas gerüstet in diesen Abend zu gehen,
der einen schließlich mit einem wirklichen Herzstück der koreanischen
Kultur bekannt machen sollte.
Und dann sitzt man mit diesen lächerlichen Vorbereitungen in der Berliner
Philharmonie und hört die Musik, freut sich an prächtigen Kostümen und den
gewagten Hutmodellen, schaut den Tänzerinnen bei ihren abgezirkelten und
streng ritualisierten Armbewegungen zu und sieht sogar links auf der Bühne
ein seltsames grünes Instrument und rechts ein noch seltsameres in
Tigerform. Es ist weiß. Osten. Westen. Aber was heißt das schon?
Man weiß also eigentlich gar nichts. Nicht mal, ob man seinen Ohren trauen
darf.
Aufgeführt wird vom National Gugak Center aus Seoul das „Jongmyo Jeryeak“,
ein Ritual zur Ehrung der koreanischen Könige. Jahrhundertealt.
Unesco-Kulturerbe. Anlässlich des 50. Jahrestags des koreanisch-deutschen
Kulturabkommens ist es [2][erstmals überhaupt auf Deutschland-Tournee], am
Montag war der Auftakt in Berlin.
Ornamental höchst wirkungsvoll drapieren sich auf der Bühne der
Philharmonie weit über 50 Beteiligte, die singen, tröten und die große
Jingo-Trommel – „die größte Trommel, die heute in Korea gespielt wird“
(Programmheftwissen) – schlagen, dumpf, wuchtig. In einem zähen Puls kommt
die Musik in Gang mit dem rezitativen Singen, in dem die Heldentaten der
einstigen und längst dahingestorbenen Könige beschworen werden.
## Gefangen im Sog
Eine geheimnisvolle, leicht leiernd klingende und immer streng
disziplinierte Musik, die anders temperiert ist als die hiesige. Halt
anders richtig. Erdschwer ist sie und in den ewigen Wiederholungen
gleichwohl auffliegend, sich verflüchtigend. Sehr fremd und doch, manchen
Prinzipien nach, auch vertraut, weil das Jongmyo Jeryeak letztlich gar
nicht so weit weg ist von den musikalischen Riten der christlichen Kirche,
mit denen man gleichermaßen ganz diszipliniert abdriften kann und sich
aufgeben in etwas Größerem.
Hier in der Philharmonie ist es die Großartigkeit der koreanischen Könige,
die allerdings wohl alle immer gleich großartig waren, jedenfalls bemüht
sich die Musik überhaupt nicht um Abwechslung, so dass sie mit den stets
wiederkehrenden Schleifen und Motiven – Unesco-Kulturerbe hin oder her –
doch ermüden kann, dass man mit seinen Gedanken auch mal abschweift: ob
etwa so eine musikalische Anbetung ebenfalls bei der Demokratie vorstellbar
wäre, immerhin hat auch Korea keine Könige mehr.
Möglicherweise aber würden reale und praktizierende Könige so einer
ritualisierten Traditionspflege sowieso im Weg stehen.
Aber selbst solche Überlegungen zermalmt dann die Musik in ihrer
kreiselnden Bewegung. Gefangen ist man wieder in dem meditativen Sog.
15 Sep 2022
## LINKS
[1] /Hinrichtung-wegen-Popkultur/!5821924
[2] https://kulturkorea.org/de/veranstaltungen/deutschlandtournee-weltkulturerb…
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
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