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# taz.de -- Neue Musik aus Zentralasien: Der letzte Schrei aus Usbekistan
> Diversität, Postkolonialismus, Transkulturalität, übersetzt in Musik: Das
> Omnibus Ensemble präsentierte sich in der Berliner Akademie der Künste.
Bild: Alte Seidenstraßenpracht, ein Highligt in Usbekistan: Samarkand
Von Usbekistan weiß man hier wenig. Ein [1][autoritär regiertes Land], die
historische Seidenstraße ging da lang (Buchara, Samarkand). Ein Land mit
viel Wüste auch.
Und Neuer Musik. Die wird nämlich auch gemacht in dem Land, also diese als
anstrengend verschriene Kunstmusik, die aber nicht gleich an jeder
Straßenecke in Usbekistan zu hören ist. Da fehlt es schlicht am Angebot, es
ist fast schon übersehbar klein. [2][Ein Name allein: Omnibus Ensemble]. Es
soll die einzige Formation in Usbekistan sein, die sich professionell der
zeitgenössischen Musik widmet.
Womit Omnibus gleich doppelt in der Exotenrolle sitzt: Aus usbekischer
Perspektive macht es exotische Musik, aus hiesiger Sicht ist es eben ein
exotisches Ensemble. Das aber, sagt Ensemble-Leiter Artyom Kim, nicht zur
Frischzellenkur herhalten will für die Neue Musik, die auch nur so ein
alter weißer Mann ist, der mal einsehen muss, dass nicht mehr nur in Europa
geklärt werden kann, was man nun unter zeitgenössischer Musik zu verstehen
hat.
In einer Gesprächsrunde vor dem Omnibus-Konzert fielen dann die
entsprechenden Stichworte, Diversität, Postkolonialismus,
Transkulturalität, und dass doch bitte die Hierarchien zum Einstürzen
gebracht werden sollen.
Alle dicken Diskussionsbretter wurden aufgelegt, in die zumindest als
Fragezeichen kleine Löcher hineingebohrt wurden. Zum tiefer gehenden
Austausch fehlte die Zeit, weil es schließlich noch die Musik gab, die
gehört werden wollte.
## Kunst oder Kitsch
In die Welt kam sie als Auftrag für die Donaueschinger Musiktage, das
älteste [3][Festival für Neue Musik], das sich zum Hundertjährigen was
Welthaltiges gönnen wollte. Vergangene Woche wurde das Jubiläum eben auch
mit einem Auftritt des Omnibus Ensembles gefeiert, das mit Arbeiten von
KomponistInnen aus Bahrain, China, Thailand und der Türkei, alles nicht
gerade ausgewiesene Neue-Musik-Destinationen, antrat. Am Mittwoch gab es
einen Nachklapp in der Berliner Akademie der Künste.
Da war neben klassischen Neue-Musik-Instrumenten wie der Violine auch eine
Sato zu sehen, die zentralasiatische Langhalslaute. Man sah einen Musiker
seine Rahmentrommel im Kreis drehen, was man als den Kreislauf der Sonne
deuten konnte oder des Mondes. Vielleicht auch nur als eine kreisende
Rahmentrommel. Die Kompositionen wurden unentwirrbar durcheinander
gemischt, man hörte melancholische ostwärts weisende Melodien,
Krummbuckligkeiten aus dem Neue-Musik-Setzkasten, fernöstlich dekliniertes
Minimal. Man hörte viel Sentiment. Ein Musiker ließ Sand durch die Finger
rieseln.
Ob das alles nun Kunst war oder Kitsch, durfte man sich fragen. Und ob das
überhaupt die richtige Frage ist. Und ob überhaupt so viel Sinn drinstecken
konnte, wie augenscheinlich hineingepumpt werden sollte, mit der Theatralik
auf der Bühne und den ganzen internationalen Begleitumständen drumherum.
Aber Musik kann sich ja nicht wehren.
Vielleicht muss noch gesagt sein, dass an diesem Abend auch der usbekische
Botschafter durch den Saal huschte. Auf die Bühne aber wollte er nicht.
22 Oct 2021
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-in-Usbekistan/!5651983
[2] http://www.omnibus-ensemble.asia/
[3] /Musiktage-in-Donaueschingen/!5192955
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
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