| # taz.de -- Volks-Ini „Berlin 2030 klimaneutral“: Volksbegehren droht zu sc… | |
| > Das Volksbegehren „Berlin 2030 klimaneutral“ sammelte im ersten Monat nur | |
| > 8.650 Unterschriften. Die Aktivist:innen bleiben dennoch | |
| > hoffnungsvoll. | |
| Bild: Werbeplakate des Volksbegehrens sind über die ganze Stadt verteilt | |
| Berlin taz | Auf dem Donnerstagsmarkt der Markthalle Neun in Kreuzberg | |
| wuseln Menschen zwischen Gemüse- und Streetfood-Ständen durcheinander. | |
| Mittendrin acht Aktivist:innen, die Unterschriften in knallroten | |
| Westen sammeln. Sie sammeln für das Volksbegehren „Berlin 2030 | |
| klimaneutral“. | |
| Zum ersten Mal haben sie an diesem Donnerstag, Mitte August, einen kleinen | |
| Stand in der Markthalle und hoffen, hier viele Unterstützer:innen für | |
| ihr Volksbegehren zu finden. Noch bis zum 14. November hat die Initiative | |
| [1][„Klimaneustart Berlin“] Zeit, insgesamt 175.000 gültige Unterschriften | |
| zu sammeln. Bei Erfolg würde dann ein Volksentscheid kommen. | |
| Es sei ein schönes Gefühl, wenn man den ganzen Tag erfolgreich | |
| Unterschriften sammelt, sagt Stefan Zimmer, Vertrauensperson des | |
| Volksbegehrens. “Die Menschen bedanken sich oft für unsere Arbeit und | |
| danach geht man aufgeladen nach Hause.“ | |
| In der Markthalle wird den Aktivist:innen schnell klar: Hier kommen sie | |
| nicht so recht weiter. Die meisten hier sind interessiert, aber der | |
| Tourist:innenanteil überwiegt. Wer nicht in Berlin gemeldet ist, kann | |
| keine gültige Unterschrift beisteuern. Nach kurzer Lagebesprechung ändert | |
| sich der Plan. Von der Markthalle geht es raus auf die Straßen Kreuzbergs, | |
| rund um den Lausitzer Platz. | |
| “Wollen Sie vielleicht unterschreiben?“, fragt Zimmer eine Mutter, die mit | |
| ihren zwei Kindern unterwegs ist. Eigentlich mit ihren Kindern beschäftigt, | |
| nimmt diese wortlos den Stift und fügt ihre Unterschrift hinzu. Argwöhnisch | |
| erkundigt sich eines der Kinder: “Wofür ist das?“ Zimmer erklärt: “Wir | |
| wollen die Politik verändern. Damit das mit dem Klimawandel nicht so | |
| schlimm wird!“ | |
| ## Berliner Politik hält Ziel für unrealistisch | |
| In der Berliner Politik blitzte die Volksinitiative hingegen ab: Das | |
| Abgeordnetenhaus entschied bereits Anfang Juni einstimmig, die Ziele von | |
| Klimaneustart Berlin nicht zu übernehmen. Das Vorhaben sei unrealistisch. | |
| Nina Lerch, Sprecherin der SPD-Fraktion für Klima und Umwelt, sagte: | |
| „Falsche Hoffnungen zu erwecken, die wir am Ende nicht einlösen können, | |
| erscheint uns nicht zielführend.“ Nach der Ablehnung startete das | |
| eigentliche Volksbegehren. Auch die Grünen im Abgeordnetenhaus halten das | |
| Ziel für unerreichbar. | |
| Doch die Aktivist:innen des Klima-Volksbegehrens sehen das anders: | |
| Jessamine Davis, ehrenamtlich Teil der Kommunikations-Arbeitsgruppe der | |
| Klimaneustart-Initiative, hielt dem im [2][taz-Streitgespräch] mit Werner | |
| Graf, Co-Fraktionschef der Grünen, entgegen: „Wenn den Bürger:innen | |
| wirklich klar kommuniziert wird, was die Folgen der Klimakrise bedeuten und | |
| sie an den Lösungen beteiligt werden, befürworten sie die nötigen Maßnahmen | |
| für rasche Klimaneutralität.“ Es brauche weniger Bürokratie und schnellere | |
| Prozesse in der Verwaltung. Dann sei eine Klimawende bis 2030 möglich. | |
| Dafür sammelt die Initiative nun seit gut einem Monat. Bisher konnten sie | |
| 8.650 Unterschriften an die Bezirksämter übergeben, wie aus einer | |
| Pressemitteilung des Landes hervorgeht. Für ein erfolgreiches | |
| Volksbegehren, benötigt die Initiative allerdings 175.000 gültige | |
| Unterschriften bis zum 14. November. Zum Vergleich: Das Volksbegehren | |
| „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ sammelte im ersten Monat bereits 47.342 | |
| Unterschriften. | |
| Und hier liegt das Problem: Der Erfolg der Initiative scheint mit dem | |
| aktuellen Tempo unrealistisch. Um erfolgreich zu sein, müssten die | |
| Aktivist:innen in den verbleibenden drei Monaten mehr als fünfmal so | |
| viele Unterschriften sammeln wie im ersten. | |
| ## Initiative hofft auf Erfolg | |
| Trotz allem glaubt Davis an den Erfolg der Kampagne. Sie hätten noch ein | |
| paar Pläne und Strategien: Unterschriftenlisten Magazinen wie dem der | |
| „Grünen Liga“ beilegen oder größere Präsenz auf Großveranstaltungen und | |
| Zusammenarbeit mit Influencer:innen. Zu Letzterem gebe es aber noch keine | |
| konkreten Personen, die der Initiative zur Verfügung stehen. | |
| Es zeigt sich auch, dass die Kampagne kein Selbstläufer ist. „Wir brauchen | |
| noch mehr Aktive. Wir sind auf die Unterstützung der Berliner:innen | |
| beim Sammeln angewiesen“, sagt Davis. Die Initiative kann auf deutlich | |
| weniger Aktive zurückgreifen als etwa das Volksbegehren Deutsche Wohnen und | |
| Co. enteignen, das sich stadtweit auf [3][schlagkräftige und auf breite | |
| Kiezteams aufteilte]. | |
| Ähnlich schleppend läuft es aktuell auch beim Volksbegehren Grundeinkommen. | |
| Sie fordern einen staatlich finanzierten Modellversuch zum Grundeinkommen, | |
| bei dem 3.500 Berliner:innen ein solches für drei Jahre erhalten | |
| sollen. Insgesamt braucht die Initiative 240.000 Unterschriften. Diese | |
| allerdings schon bis zum 5. September. Am Nachmittag des 17. August waren | |
| erst 78.184 Unterschriften gesammelt. Für den Endspurt haben sich die | |
| beiden Initiativen vor einiger Zeit zusammengetan und sammeln seitdem | |
| gemeinsam Unterschriften. | |
| In der Markthalle haben Aktivist:innen noch Hoffnung. Auch wenn es | |
| heute nicht ideal in der Halle lief, setzten sie auf das Wochenende. Da | |
| sollte mehr los sein. | |
| 18 Aug 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://klimaneustart.berlin/ | |
| [2] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260 | |
| [3] /Enteignungs-Volksbegehren/!5743994 | |
| ## AUTOREN | |
| Max Leyendecker | |
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