# taz.de -- Skandal ums Kieler Landesfunkhaus: Der NDR schonte auch das Rote Kr… | |
> Neue Vorwürfe gegen den NDR in Schleswig-Holstein. Teile der | |
> Führungsebene sind von ihren Aufgaben entbunden. Sofortige Aufklärung | |
> gefordert. | |
Bild: Wie kritisch war der NDR? Offenbar nicht so sehr, wenn es um Freund:innen… | |
RENDSBURG taz | Der Skandal um den NDR in Kiel führt zu ersten personellen | |
Konsequenzen: Erst wurden Politik-Chefin Julia Stein und Chefredakteur | |
Norbert Lorentzen – laut einer Mitteilung auf eigenen Wunsch – von ihren | |
Ämtern entbunden, kurz danach reichte Volker Thormählen, Direktor des | |
Landesfunkhauses, einen vierwöchigen unbezahlten Urlaub ein. | |
NDR-Intendant Joachim Knuth dankte dafür und sagte, dass „nicht nur | |
aufgeklärt, sondern auch Dinge geändert werden müssen“. Er wünsche sich | |
„einen Prozess, um in Kiel künftig ein Klima des Muts zu etablieren“. Denn | |
Beschäftigte des Senders hatten zuletzt immer lauter darüber geklagt, dass | |
sie [1][bei der Arbeit behindert oder Beiträge verändert wurden.] | |
Am Dienstag dieser Woche klirrten auf der Terrasse des Gästehauses des | |
Kieler Landtags die Gläser, auf dem Grill brutzelte Rinderfilet neben | |
veganen Würstchen. Zum Ende der Sommerferien lud der Landtag zu seinem | |
alljährlichen „Medienabend“ ein. Veranstaltungen wie diese bieten | |
Abgeordneten und den Journalist*innen, die über die Landespolitik | |
berichten, die Gelegenheit, jenseits des Alltags zusammenzukommen. Das | |
hilft, Vertrauen aufzubauen und Kontakte zu knüpfen, die wichtig sind, um | |
an Informationen heranzukommen. Doch wann gefährdet die Nähe die | |
Berichterstattung? Und haben Redakteur*innen des NDR diesen Grat | |
überschritten? | |
Seit Tagen nimmt die Kritik am öffentlich-rechtlichen Sender zu. Der erste | |
Fall, der bekannt wurde, betraf die Berichterstattung über den Hinauswurf | |
des Landesinnenministers im Frühjahr 2020. Es entstand der Eindruck, dass | |
die Entscheidung des CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther nicht kritisch | |
hinterfragt werden sollte. | |
## Schweigen für die CDU | |
Bereits im Jahr zuvor, 2019, hatte der NDR in einem anderen Fall zugunsten | |
der CDU beredt geschwiegen: Deren Parlamentarischer Geschäftsführer | |
Hans-Jörn Arp hatte alkoholisiert zwei Autos gerammt, wie in allen | |
Zeitungen des Landes zu lesen war. Getrunken haben soll er vorher laut | |
Stern unter anderem mit Steins Stellvertreter in der | |
Politik-Ressortleitung, Stefan Böhnke. | |
Nun berichtet der Stern von weiteren Vorwürfen. Sie beziehen sich auf | |
Recherchen zu einem Kinderheim des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). [2][Es | |
geht um das Leiden von Kindern], die in den 1950er-Jahren an die Nordsee | |
„verschickt“ wurden und über Schikanen und Schläge berichten. Im Beitrag | |
des NDR wird aber das DRK nicht erwähnt. | |
Zudem zitiert der Stern Mails der Politikchefin Stein, die freien | |
Journalist*innen vorschlägt, „gedanklich die Richtung zu wechseln“, dem | |
DRK zu glauben, dass dort nun aufgeklärt werden soll, und dem DRK sogar | |
Recherchematerial zur Verfügung zu stellen. Kann es sein, dass die | |
Vorsitzende des Landesverbandes, Annette Langner, geschont werden soll, die | |
zu diesem Zeitpunkt eine Beziehung mit der Vorsitzenden des Rundfunkrates | |
hat, der den NDR überwacht? | |
Formal hat der Rundfunkrat als ehrenamtlich besetztes Beschwerde- und | |
Kontrollgremium keinen Einfluss auf das tägliche Programm. Ein indirekter | |
Einfluss ist denkbar, allerdings gibt es in diesem Fall keinen richtigen | |
Grund dafür: Seit die Autorin Anja Röhl, selbst ein „Verschickungskind“, | |
und andere Betroffene die Fälle öffentlich machen, sind auch die Betreiber | |
der Heime bekannt, darunter das DRK. | |
## Aufklärungs-Team soll loslegen | |
Eine Berichterstattung zu behindern, sei „vollkommen unsinnig und | |
unmöglich“, teilt dann auch eine Sprecherin des Landesverbandes am | |
Donnerstag mit. „Wir weisen jeglichen Vorwurf der Beeinflussung entschieden | |
zurück“. 2020 habe es eine Anfrage einer NDR-Freien gegeben. Ein Interview | |
vor der Kamera habe das DRK damals zwar nicht geben wollten, aber eine | |
Stellungnahme geschickt. | |
Doch [3][für den NDR ist dieser Fall eine weitere Belastung] – öffentlich | |
und intern. Denn die Beschäftigten sind am Ende ihrer Geduld: „Genau jetzt | |
ist der Zeitpunkt, die Vorfälle aufzuarbeiten“, forderte ein freier | |
Mitarbeiter bei einer Betriebsversammlung, die das hauseigene Medienmagazin | |
„Zapp“ filmen durfte. „Die Republik schaut auf uns. Herr Thormählen, mac… | |
Sie Ihren Job.“ | |
Aber Thormählen macht stattdessen Urlaub. Seine Stellvertreterin Bettina | |
Freitag soll die Aufklärung in die Hand nehmen. Dafür werde ihr „ein Team | |
zur Seite gestellt, das vor Ort zielführende Prozesse und Strukturen | |
etablieren wird, welche einen mutigen, unabhängigen Journalismus | |
garantieren“, so Intendant Knuth. Wie genau das passieren soll, teilt der | |
NDR nicht mit. Immerhin wird das Aufklärungs-Team an „eine Verantwortliche | |
oder einen Verantwortlichen außerhalb des Funkhauses berichten“. | |
1 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Vorwuerfe-gegen-NDR-Spitze-in-Kiel/!5878376 | |
[2] /Petition-der-Woche/!5874549 | |
[3] /CDU-nahe-Berichterstattung/!5874694 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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