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# taz.de -- Touristenvisa für Russ:innen: Nicht die Falschen bestrafen
> Der Vorstoß, Russ:innen die Einreise zu verwehren, ist unüberlegt. Für
> Privilegierte würde sich nichts ändern, und Putin-Kritiker:innen säßen
> fest.
Bild: Touristen-Visa für Russ:innen: Grenze zu machen? Grenze offen lassen?
Nachdem einige europäische Staaten keine Touristenvisa mehr an Russ:innen
vergeben, gab es aus den Reihen der Union einen ähnlichen Vorstoß in dieser
Richtung. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte die Forderung zu Recht ab, und
selbst aus den CDU-Reihen wurde inzwischen Kritik daran laut. Eine solche
Maßnahme träfe schlicht die Falschen.
Schön wäre, wenn nur [1][Putinunterstützer:innen] die Einreise in
die EU verboten werden könnte. Doch gerade reiche, regime-nahe Russ:innen
verfügen oft über den sogenannten goldenen Pass. Sie haben sich in Ländern
wie Zypern oder Malta eine zweite Staatsbürgerschaft mit Geld besorgt und
könnten auch bei einem generellen Visaverbot in der EU frei umherreisen.
Zwar sollen diese Pässe künftig nicht mehr ausgeteilt werden, doch
Halter:innen, denen die jeweilige Staatsbürgerschaft nicht entzogen wurde
oder gegen die explizit keine Reisesanktionen ausgesprochen wurden, können
weiterhin von ihrem zweiten Pass Gebrauch machen. Gerade die, die man mit
dem Visastopp treffen will, kämen ungeschoren davon.
Davon abgesehen erscheint die CDU-Forderung wie ein billiges Nachahmen der
Politik anderer EU-Staaten und wie ein Ablenkungsmanöver von der
eigentlichen und viel sinnvolleren Debatte über [2][Sanktionen gegen
Russland], wie zum Beispiel ein Gasembargo. Nach jahrelanger
russlandfreundlicher Politik hat gerade die Union Deutschland in die fatale
Gasabhängigkeit von Russland geführt, die uns aktuell beschäftigt.
## Das Visum kann lebenswichtig sein
Die Forderung nach einem [3][Stopp der Visavergabe] ist auch insofern
nicht zu Ende gedacht, da sie insbesondere die russische Opposition
treffen würde. Im Gegensatz zu CDU-Politiker:innen müssen
Regierungskritiker:innen in Moskau mit harten Restriktionen bis hin
zu langjährigen Haft- und Lagerstrafen rechnen.
Schon kurz nach Russlands flächendeckendem Angriff gegen die Ukraine
verließen Tausende Russ:innen dank der Touristenvisa ihre Heimat. Wenn
die Vergabe solcher Visa jetzt gestoppt wird, wären Oppositionelle,
Medienschaffende und Angehörige der LGBT+-Community, die noch nicht
fliehen konnten, im schlimmsten Fall gezwungen, in Russland zu bleiben.
Das deutsche Innenministerium vergibt zwar humanitäre Visa, die
Einzelfallprüfung dauert jedoch viel zu lang und oft werden die Anträge
abgelehnt. Solange es keine schnelle und problemfreie Bearbeitung von
Visaanträgen russischer Oppositioneller gibt, darf Deutschland den
Fluchtweg über Touristenvisa nicht verbauen. Die Reise in die EU hat nichts
mit Shopping zu tun, sondern sie kann überlebenswichtig sein.
27 Aug 2022
## LINKS
[1] /Russland-und-der-Ukraine-Krieg/!5851551
[2] /Deutsche-Abhaengigkeit-vom-russischen-Gas/!5866938
[3] /Sanktionen-gegen-Russland/!5874412
## AUTOREN
Anne Frieda Müller
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wladimir Putin
Russische Opposition
Europäische Union
Estland
Osteuropa – ein Gedankenaustausch
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Kolumne Krieg und Frieden
Russland
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