# taz.de -- Einreiseverbot für Europäer in Russland: Putin-Kritiker müssen d… | |
> Russlands Einreisesperre für 89 Personen aus Staaten der Europäischen | |
> Union ist keine Überraschung. Auch die Kriterien sind leicht zu erraten. | |
Bild: Auch die Namen von acht deutschen Politikern und Militärs sind auf der L… | |
MOSKAU/BERLIN taz | Groß ist die Empörung in der EU, eher gelassen reagiert | |
Moskau, das am Donnerstag der EU-Vertretung in der russischen Hauptstadt | |
eine Liste mit Einreiseverboten für 89 Politiker aus der EU vorlegte. Der | |
Inhalt der „schwarzen Liste“ wurde im Detail erst am Wochenende bekannt. | |
Dass eine solche Aufstellung existiert, hätte der EU jedoch schon seit | |
September bekannt sein dürfen. Damals wurde die Fraktionsvorsitzende der | |
Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, wohl wegen ihres Engagements für | |
die Ukraine nicht mehr ins Land gelassen. | |
Nach der Verhängung westlicher Sanktionen im Anschluss an die Annexion der | |
Krim im Frühjahr 2014 hatte Moskau angekündigt, dass es „geeignete | |
Gegenmaßnahmen“ treffen werde. Überraschend ist das Vorgehen Moskaus daher | |
nicht, zumal Russland gesteigerten Wert auf Parität legt. | |
Neu unterdessen ist, dass Russland dem Drängen der deutschen Seite nachgab | |
und die geheime Liste in Umlauf brachte. Dem war die Zurückweisung des | |
CDU-Bundestagsabgeordneten Karl-Georg Wellmann am Moskauer Flughafen | |
Scheremetjewo vergangene Woche vorausgegangen. Wellmann ist auch | |
Vorsitzender der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe. Kritik an | |
Russland und Unterstützung für die Ukraine dürften für Moskaus Entscheidung | |
ausschlaggebend gewesen sein. | |
Ähnliche Motive und Hintergründe lassen sich bei genauerem Hinsehen auch | |
bei vielen anderen der in Russland „unerwünschten Personen“ erkennen. Wenn | |
sich die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten, Federica Mogherini, und das | |
britische Außenministerium über Intransparenz bei der russischen | |
Entscheidungsfindung beklagen, trifft das nicht ganz zu. Auch von einer | |
„völlig willkürlichen und ungerechtfertigten“ Auswahl war die Rede. | |
Im Gegenteil, das Muster ist deutlich zu erkennen. Russland-Kritiker und | |
Ukraine-Versteher müssen draußen bleiben. Überproportional aussortiert | |
wurden überdies Politiker aus den baltischen Staaten, aus Polen und | |
Skandinavien. Als Anrainer Moskaus kennen und verstehen sie den russischen | |
Nachbarn besser als andere Europäer. Auffallend ist auch die | |
parteipolitische Selektion der Geschassten. Europaweit fehlen die Anhänger | |
rechtspopulistischer, nationalistischer und faschistischer Parteien und | |
Organisationen auf der Sanktionsliste. | |
## Auch Berlins Haltung wurde „gewürdigt“ | |
Tatsächlich ist am Dienstag ein Treffen des Duma-Vorsitzenden Sergei | |
Naryschkin mit Marine Le Pen geplant, der Chefin des französischen Front | |
National. Sie war nicht nur schon häufiger auf Visite in Moskau. Der Kreml | |
hat ihr auch die Rolle zugedacht, langfristig die EU zu schwächen, und | |
greift der Partei auch finanziell unter die Arme. | |
Auch viele ältere Politiker, die die aktive Politik längst verlassen haben, | |
finden sich auf der Liste. Einer von ihnen ist der ehemalige Präsident | |
Litauens, Vytautas Landsbergis. Er stand der litauischen | |
Unabhängigkeitsbewegung Anfang der neunziger Jahre vor. Dass er auf der | |
Liste erscheint, hat symbolische Bedeutung. Seine Rolle als einer der | |
entscheidenden Totengräber des Sowjetimperiums wird ihm der Kreml nicht | |
verziehen haben. | |
Berlins Haltung in der Sanktionsfrage wurde von Moskau auch gewürdigt. Es | |
ist sicherlich kein Zufall, dass Angela Merkels angehender | |
europapolitischer Berater Uwe Corsepius mit aufgelistet wurde. Zurzeit ist | |
er Generalsekretär des EU-Rats. Das russische Außenministerium verlieh | |
seinem Missfallen schon vorher Ausdruck, indem es demonstrativ auf die | |
führende Rolle Deutschlands bei der Durchsetzung und Beibehaltung der | |
Sanktionen verwies. | |
Über eine Verlängerung der Sanktionen soll im Laufe des Juni entschieden | |
werden. Russland rechnet wohl nicht mit einer Erleichterung der Auflagen. | |
Im Umkehrschluss könnte dies auch bedeuten, dass Moskau beabsichtigt, den | |
Krieg in der Ukraine weiter zuzuspitzen. | |
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hielt die Verhängung der Verbote „für | |
nicht besonders klug“, da sie nicht zur Entschärfung des Konflikts in der | |
Ukraine beitrügen. Steinmeier geht davon aus, dass Russland daran ein | |
Interesse haben müsste. | |
31 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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