# taz.de -- Repression in Russland: Ausländische Gruppen unerwünscht | |
> Ein neues Gesetz ermöglicht das Vorgehen gegen Organisationen ohne | |
> richterlichen Beschluss. Auch Firmen könnten davon betroffen sein. | |
Bild: Sorgt für die Abschottung Russlands um jeden Preis: Präsident Wladimir … | |
MOSKAU taz | Wieder hat die russische Zivilgesellschaft eine schwere | |
Niederlage einstecken müssen. Am Dienstag verabschiedete die russische Duma | |
mit nur drei Gegenstimmen ein Gesetz, das es der Staatsanwaltschaft | |
erlaubt, ausländische Organisationen für unerwünscht zu erklären. Lediglich | |
das Außen- und Justizministerium müssen vor einer Unliebsamkeitserklärung | |
noch zurate gezogen werden. Ein richterlicher Beschluss ist nicht | |
erforderlich. | |
Zunächst sind davon ausländische und internationale | |
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) betroffen, die für „ die | |
Verteidigungsfähigkeit oder Sicherheit des Staates, dessen öffentliche | |
Ordnung, die Gesundheit der Bevölkerung und deren Moral […]“ eine Bedrohung | |
darstellen. | |
Einer der Autoren des Gesetzes, der Abgeordnete Alexander Tarnawskij von | |
der Partei Gerechtes Russland, schließt nicht aus, dass auch Unternehmen | |
ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft geraten könnten. Firmen, die | |
russischen Interessen durch „wirtschaftliche Operationen“ Schaden zufügen. | |
Tarnawskij erwähnt als Beispiel den Ölpreisverfall. Hartnäckig hält sich | |
das Gerücht in Russland, dass der Westen dahinter stecke. Sollte sich das | |
bewahrheiten, müssten auch die Beteiligten zur Rechenschaft gezogen werden, | |
meinte der Dumaabgeordnete. Er ist nur ein Strohmann, der für die | |
Initiative angeheuert wurde. | |
Der Entwurf stamme aus Regierungskreisen, vermutet die gazeta.ru. Nicht | |
zuletzt sei das Gesetz auch eine Antwort auf die westlichen Sanktionen und | |
auch gegen ausländische Firmen gerichtet, sagt Tarnawskij. Russische | |
Beobachter wiesen daraufhin, dass die Initiative auch der Korruption Tür | |
und Tor öffne. | |
Menschenrechtler halten das Gesetz für eine Maßnahme, die die russische | |
Zivilgesellschaft noch weiter von internationalen Kontakten abschneiden | |
soll. Der Staat verfügt mit dem Gesetz über „ausländische Agenten“ berei… | |
seit 2012 über einen Hebel, mit dem er NGO-Arbeit behindern kann. Als | |
„ausländische Agenten“ gelten russische NGOs, die aus dem Ausland | |
mitfinanziert werden. Rund 60 Initiativen wurden als „Agenten“ eingestuft, | |
viele lösten sich daraufhin selbst auf. Wer den Titel „Agent“ trägt, hat … | |
der aufgeheizten Atmosphäre des russischen Patriotismus einen schweren | |
Stand. | |
## Russische Organisationen als Hauptziel | |
Die Deklaration des Unerwünschtseins ist als Ergänzung zum Agenten-Projekt | |
gedacht. Wer noch durch dessen Maschen schlüpfen konnte, wird nun dingfest | |
gemacht. „Hauptziel des Gesetzes sind russische Organisationen“ meint Tanja | |
Lokschina von Human Rights Watch in Moskau. Es bestünde kein Bedarf für ein | |
neues Gesetz, da das Justizministerium innerhalb von Sekunden die Arbeit | |
von internationalen NGOs einstellen könnte. | |
Wer mit einer unerwünschten Organisation trotz Verbots weiter | |
zusammenarbeitet, dem drohen im Wiederholungsfall Geldstrafen bis zu | |
500.000 Rubel (9.000 Euro) und Haft bis zu sechs Jahren. Auch Banken und | |
andere Dienstleister fallen unter das Kooperationsverbot. | |
Unerwünschte Organisationen dürfen überdies weder im Internet noch in | |
anderen Medien von ihren Aufgaben berichten. Ob eine Organisation zum Kreis | |
der Unerwünschten gehört, erfährt sie erst, wenn sie schon auf der | |
schwarzen Liste steht. Der Gesetzestext ist zudem so schwammig gehalten, | |
dass er als Allzweckwaffe eingesetzt werden kann. | |
20 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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