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# taz.de -- Vergangenheitsbewältigung in Russland: „Historische Gerechtigkei…
> Laut einem Gesetzesentwurf sollen sich deutsche Firmen outen, die mit den
> Nazis Geschäfte machten. Das soll die Kauflust der Russen drosseln.
Bild: Offenbarungseid in Russland? Das Logo von VW über dem Firmensitz in Wolf…
MOSKAU taz | Pünktlich zum 74. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die
Sowjetunion, am 22. Juni 1941, liegt der russischen Duma ein neues
Gesetzesprojekt vor. Deutsche Unternehmen, die mit den Nationalsozialisten
Geschäfte machten und heute wieder in Russland tätig sind, sollen ihre
Mittäterschaft nicht mehr verschweigen dürfen.
Initiator des Gesetzes ist der Abgeordnete der Kremlpartei Einiges Russland
(ER), Alexej Schurawlow. Er möchte russische Bürger mit umfassenderen
Informationen über Produktpalette und Vergangenheit der Hersteller
versehen. Genauere Kenntnisse würden viele seiner Landsleute davon
abbringen, deutsche Waren zu kaufen, glaubt der Parlamentarier. Dass das
Projekt mit der Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland
zusammenfällt, dürfte auch nicht ganz zufällig sein. Italienische und
japanische Firmen sollen ebenfalls betroffen sein - vorausgesetzt die „lex
faschism“ passiert die Duma.
Schurawlow geht es auch um die „Wiederherstellung der historischen
Gerechtigkeit“. In Russland ist die Annahme weit verbreitet, der Westen
wolle der Sowjetunion den Sieg im 2. Weltkrieg nachträglich streitig
machen. Es ist zu einer Obsession geworden. Vor allem die jüngere
Generation soll wissen, womit diese Firmen „unser Volk damals ausrotten“
wollten, sagte Schurawlow der Zeitung Iswestija.
Bei Rundfunkwerbung müssen die Firmen mindestens drei Sekunden auf die
Vergangenheit eingehen. Die Fernsehwerbung sieht nicht weniger als fünf
Sekunden vor, außerdem hat die Schädlichkeitsfeststellung mindestens sieben
Prozent der Bildschirmfläche zu bedecken. Bei anderen Werbeträgern sind
zehn Prozent der Fläche für das historische Geständnis vorgesehen.
## Abstruse Vorschläge
Russische Parlamentarier sind bekannt für phantasiereiche
Gesetzesinitiativen. Da der Deputierte auf die Gesetzgebung keinen
wirklichen Einfluss nehmen kann, kompensiert er Machtlosigkeit durch
abstruse Vorschläge. Das garantiert zumindest für kurze Zeit
Aufmerksamkeit.
Die Verbotspalette reicht von Knoblauchbuletten, synthetischer Unterwäsche
über High Heels und Ballettschuhen bis zur gesetzlichen Verbannung des
US-Dollars.
Abgeordneter Schurawlow ist unterdessen kein Unbekannter. Er sitzt nicht
nur für die Kremlpartei ER im Parlament, sondern steht auch noch der Partei
„Rodina“ (Heimat) vor. Dahinter verbirgt sich ein Sammelbecken strammer
Rechtsausleger. Erst im März machte Schurawlow mit einem internationalen
Konvent faschistischer Parteien in St. Petersburg auf sich und „Rodina“
aufmerksam. Als antifaschistischer Vorkämpfer hatte er sich bislang nicht
hervorgetan.
Auf der Suche nach Verbündeten in Europa scheut der Kreml die Nähe
faschistischer und rechtspopulistische Kräfte nicht. Russlands „Kampf gegen
den Faschismus“ ist Etikettenschwindel und das durchaus nachvollziehbare
Bemühen um historische Aufklärung nichts als ein berechnendes Ressentiment.
Schon fragen sich Beobachter, wie Präsident Wladimir Putin und die
politische Nomenklatura reagieren würden, führen sie im Dienstmercedes an
großflächigen Plakaten mit der Aufschrift vorbei: „Auch Daimler förderte
den Faschismus“ oder „ Daimler hat auch Deinen Großvater auf dem Gewissen�…
oder „Wer einen Faschisten‘ fährt, macht sich immer schuldig“.
Umsteigen auf andere Modelle ist kaum möglich, denn die russische Elite ist
anspruchsvoll. Auch VW und BMW müssten Offenbarungseid leisten, gefolgt von
Italienern und Japanern. Russland bliebe nichts anderes übrig, als auf den
Lada umzusteigen, doch dahinter verbirgt sich auch nur Fiat - ein alter
Italiener.
Da bleibt dann nur noch die Bahn. Doch auch Siemens fiele unter das Gesetz.
Und die Hosen von Hugo Boss? Auch der Leiter des nationalen
Antikorruptionskomitees, Kirill Kabanow, begrüßte die Initiative. Weniger
wegen der Vergangenheitsbewältigung. Ihn stört vielmehr, dass sich
dieselben Firmen in jüngster Vergangenheit bei Korruptionsskandalen
hervortaten.
23 Jun 2015
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
## TAGS
Einiges Russland
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Faschismus
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