# taz.de -- Olaf Scholz in Skandinavien: Nicht mehr Gas aus Norwegen | |
> Der Bundeskanzler hofft auf zusätzliche Gaslieferungen aus Norwegen und | |
> scheitert. Womöglich wird auch der Strom aus Norwegen weniger. | |
Bild: Das norwegische Ekofisk-Ölfeld in der Nordsee | |
Stockholm taz | Nein, Norwegen kann nicht mehr Gas liefern. Wenn | |
Bundeskanzler Olaf Scholz gehofft hatte, vom Besuch bei seinem | |
sozialdemokratischen Amtskollegen [1][Jonas Gahr Støre] in Oslo mit der | |
Zusage zusätzlicher [2][Erdgaslieferungen] nach Hause zu kommen, wurde er | |
enttäuscht. Die Kapazitäten seien bereits erschöpft, beschied ihm der | |
Ministerpräsident: Norwegen – nach Russland und Katar weltweit drittgrößter | |
Gasproduzent – liefere bereits das, was die Gasfelder maximal hergeben. | |
Gahr Støre musste Scholz im Gegenteil darauf vorbereiten, dass Norwegen | |
möglicherweise seine Stromlieferungen nach Deutschland herunterfahren | |
werde. In einem Interview mit der Osloer Tageszeitung Aftenposten, das am | |
Tag des Kanzlerbesuchs erschien, hatte er das bereits angekündigt: „Jedes | |
Land muss Verantwortung für die Nachhaltigkeit seines Energiesystems | |
übernehmen“, erklärte er da. | |
Für Norwegen heiße das, dass man nun in erster Linie darauf achten werde, | |
die Kapazität seiner Wasserkraftreserven für den kommenden Winter zu | |
stärken: „Diese nationale Verantwortung haben wir.“ Es könne daher sein, | |
dass der Stromexport durch das im vergangenen Jahr eröffnete | |
[3][Nordlink-Kabel] nach Deutschland reduziert oder gestoppt werden müsse. | |
Das Gleiche gelte für die Verbindungen nach Dänemark und Schweden. | |
Das ist eine Kehrtwende der norwegischen Regierung. Im Wasserkraftland | |
Norwegen wird infolge schneearmer Winter und der schlimmsten Trockenheit im | |
Süden und Osten des Landes seit 140 Jahren das Wasser knapp. Das Füllniveau | |
der Stauseen befindet sich teilweise auf einem historischen Tiefstand. Was | |
dazu beigetragen hat, dass die [4][Strompreise] im Süden des Landes kräftig | |
gestiegen sind. | |
## Starke Kritik an deutscher Russland-Abhängigkeit | |
Vor einem Monat hatten nur die rechtspopulistische Fortschrittspartei und | |
die linke Rødt darauf mit der Forderung reagiert, den Stromexport zu | |
beschränken. Gahr Støre hatte einen staatlichen Eingriff in den Strommarkt | |
abgelehnt: Das würde einen Bruch internationaler Abkommen und Verträge | |
bedeuten. | |
Anfang August hatte dann Energieminister Terje Aasland angekündigt, man | |
müsse für den Fall außergewöhnlicher Umstände mit der Gefahr kritischer | |
Situationen für die nationale Stromversorgung auch darauf vorbereitet sein, | |
den Stromexport zu begrenzen. Am Montag erklärte nun auch Gahr Støre, | |
oberste Priorität für Norwegen habe ein ausreichendes Füllniveau der | |
Wasserspeicher: „Dafür sind wir bei unseren Vertragspartnern auf | |
Verständnis gestoßen.“ | |
Den Energieproblemen in Deutschland wird in Norwegen und Schweden ein | |
Großteil der Verantwortung für die rekordhohen Strompreise zugeschoben, die | |
die einheimischen VerbraucherInnen nun zahlen müssen. Zeitungskommentare | |
wie „Es ist nicht einzusehen, warum sich schwedische Haushalte wegen | |
Deutschlands verfehlter Energiepolitik ruinieren sollen“ – so die | |
schwedische Göteborgs Posten – oder „Wir erleben, dass große Nationen wie | |
Frankreich und Deutschland nur an sich denken“ – so das norwegische | |
Stavanger Aftenblad – sind derzeit an der Tagesordnung. | |
## Keine Einigkeit über Visa für russische TouristInnen | |
Auch Gahr Støre wurde im Aftenposten-Interview gefragt: „Sollen norwegische | |
Verbraucher dafür zahlen, dass Deutschland seine Atomkraftwerke | |
abgeschaltet und sich so völlig abhängig von russischem Gas gemacht hat?“ | |
Man könne „sehr wohl diskutieren“, so seine Antwort, „ob Deutschland sei… | |
erneuerbare Stromproduktion so ausreichend ausgebaut hat, um damit den | |
Ausfall bei der Atomkraft zu kompensieren“. Und auch er bejahte, dass „die | |
Entwicklung des Gaspreisniveaus in Deutschland Konsequenzen für unsere | |
Strompreise hat“. | |
Wenn die Energiezusammenarbeit zwischen Norwegen und Deutschland damit | |
aktuell ausgereizt ist, verständigte man sich aber jedenfalls auf eine | |
Entwicklung der langfristigen Zusammenarbeit in den Bereichen Wasserstoff- | |
und Batterieproduktion, Offshore-Windkraft und beim Thema der Abscheidung | |
und Speicherung von Kohlendioxid. Norwegen verspricht sich von der | |
CCS-Technik eine neue Einnahmequelle. | |
Neben dem norwegischen Ministerpräsidenten war Scholz am Montag auch mit | |
den Regierungschefs der übrigen skandinavischen Staaten zusammengetroffen, | |
die in Oslo gleichzeitig eines ihrer regelmäßigen nordischen | |
Ministertreffen abgehalten hatten. Zusätzlich zu sicherheitspolitischen | |
Fragen war es hierbei auch um die [5][Visumvergabe für russische | |
TouristInnen] gegangen. | |
Während die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin an ihrem Standpunkt | |
eines EU-Einreisestopps festhielt, denn sie finde „nicht richtig, dass | |
russische Bürger als Touristen in die EU, den Schengen-Raum einreisen und | |
Sightseeing machen können, während Russland Menschen in der Ukraine tötet“ | |
und hierbei auch von ihrer sozialdemokratischen dänischen Amtskollegin | |
Mette Frederiksen unterstützt wurde, blieb Scholz bei der Ablehnung einer | |
solchen Einreisesperre: „Es ist nicht der Krieg des russischen Volks, es | |
ist Putins Krieg.“ Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson | |
positionierte sich ähnlich wie der Gastgeber nicht, betonte aber die | |
Bedeutung einer einheitlichen Linie der EU. | |
16 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Sozialdemokraten-siegen-in-Norwegen/!5797371 | |
[2] /Gasversorgung-in-Deutschland/!5866936 | |
[3] /Stromleitung-Nordlink-nimmt-Betrieb-auf/!5770120 | |
[4] /Norwegen-sieht-sich-in-Stromkrise/!5818969 | |
[5] /Sanktionen-gegen-Russland/!5874412 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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