# taz.de -- Kooperation mit Norwegen: Habeck besorgt blauen Wasserstoff | |
> Der Klimaminister legt in Skandinavien die Basis für die Lieferung von | |
> Energie aus Erdgas. Die Deutsche Umwelthilfe kritisiert das. | |
Bild: Bundeswirtschaftsminister Habeck am 5. Januar in Oslo | |
BERLIN taz | Wirtschaftsminister Robert Habeck ist für zwei Tage in Sachen | |
[1][Wasserstoff] in Norwegen unterwegs. Vordergründig ist es ein | |
unproblematischer Termin: Wasserstoff hat in Deutschland ein gutes Image, | |
denn er steht für die Vision einer klimaneutralen Industriegesellschaft. | |
Zugleich hat auch Norwegen einen guten Ruf. Das skandinavische Land ist – | |
anders als etwa der Flüssigerdgas-Lieferant Katar – nicht für Verstöße | |
gegen Menschenrechte bekannt. Außerdem ist es ein Vorreiter in Sachen | |
Elektromobilität. | |
So bemüht sich der Grünen-Politiker seit Donnerstag vor Ort um | |
Wasserstofflieferungen, nachdem er bereits im März 2022 eine | |
Energiekooperation zwischen Norwegen und Deutschland initiiert hatte. Auch | |
eine engere Zusammenarbeit in der Mikroelektronik und bei Windkraft auf See | |
ist geplant. Am Freitag will Habeck zudem ein Zementwerk besuchen – eine | |
sehr CO2-intensive Industrie –, [2][in dem das Treibhausgas zu einem Teil | |
abgeschieden wird, damit es nicht in die Atmosphäre gelangt]. | |
Ein Kernpunkt der Reise ist ein strategisches Abkommen, das Habeck in Oslo | |
mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre schloss. | |
Wesentlicher Aspekt der Vereinbarung ist der Bau einer gemeinsamen | |
Wasserstoff-Pipeline bis 2030. Über diese will die norwegische Equinor | |
zunächst Erdgas und eines Tages auch Wasserstoff nach Deutschland an RWE | |
liefern. Beide Unternehmen unterschrieben dafür in Oslo eine | |
Absichtserklärung. Konkrete Schritte sollen in den nächsten Monaten folgen. | |
Als möglicher Investor für die Pipeline gilt unter anderem der norwegische | |
Gassco-Konzern. | |
Doch die Pläne stoßen wegen entscheidender Details bei Umweltverbänden auf | |
Kritik. Es geht nämlich nicht so sehr um Wasserstoff, der mit erneuerbar | |
erzeugtem Strom produziert wird – „grüner Wasserstoff“ genannt. Sondern … | |
geht um den sogenannten „blauen Wasserstoff“, der aus Erdgas gewonnen wird. | |
Davon sollen bis 2030 zunächst eine Kapazität von zwei Gigawatt, bis 2038 | |
von bis zu zehn Gigawatt entstehen. | |
## In Deutschland nur zur Erforschung | |
Bei der Produktion des Wasserstoffs wird das entstehende CO2 abgetrennt und | |
unterirdisch eingelagert. Für diese Technik, die in Deutschland aktuell nur | |
für Erforschung, Erprobung und zu Demonstrationszwecken zulässig ist, steht | |
heute das Kürzel CCS, „Carbon Capture and Storage“. | |
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) positionierte sich umgehend zur Kooperation | |
mit Norwegen: „Blauer Wasserstoff geht mit Erdgasförderung und fossiler | |
Infrastruktur einher und bindet Geld und Ressourcen, die dann bei grünen | |
Technologien fehlen“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha | |
Müller-Kraenner. Der Import von „blauem Wasserstoff“ sei „eine weitere | |
Rolle rückwärts in Richtung fossile Vergangenheit“. Die DUH verweist | |
darauf, dass die ursprüngliche [3][Wasserstoffstrategie] von 2020, die noch | |
unter CDU-Minister Peter Altmaier verabschiedet wurde, sich auf rein grünen | |
Wasserstoff fokussiert habe. | |
Und doch kommt die Wende von grün zu blau nicht überraschend. Schon vor dem | |
Krieg in der Ukraine haben Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft die | |
Basis gelegt, um Deutschland mit Wasserstoff aus norwegischem Erdgas zu | |
versorgen. | |
Der norwegische Erdöl- und Gaskonzern Equinor, der bis 2018 Statoil hieß, | |
wirbt seit geraumer Zeit in Imagekampagnen in Deutschland für seinen | |
„blauen Wasserstoff“. Dieses Geschäft gewinnt nun an Fahrt. Inzwischen | |
streben die Norweger zusammen mit den Schwergewichten der hiesigen fossilen | |
Energiewirtschaft – von der deutschen Wintershall über den deutschen | |
Gaskonzern VNG bis hin zum Energieriesen RWE – auf den deutschen „blauen“ | |
Wasserstoffmarkt. | |
5 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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