| # taz.de -- Kehrtwende von Klimaminister Habeck: Grüne für CO2-Endlager | |
| > Wirtschafts- und Klimaminister Habeck denkt über die Verpressung von | |
| > Kohlendioxid unter der Erde nach. Die FDP applaudiert, Umweltverbände | |
| > protestieren. | |
| Bild: Eine weitere Kehrtwende: Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz H… | |
| Berlin taz | Die Grünen vollziehen eine markante Wende. Lange hatten sie | |
| die Abscheidung und Endlagerung von Kohlendioxid vehement abgelehnt. Jetzt | |
| zeigt sich Wirtschaftsminister Robert Habeck plötzlich [1][offen für das | |
| sogenannte CCS] (Carbon Capture and Storage). | |
| Im Evaluierungsbericht der Bundesregierung zum | |
| Kohlendioxid-Speicherungsgesetz heißt es, die Bundesregierung werde „die | |
| Ermöglichung der CO2-Speicherung in Deutschland“ prüfen, auch jene „unter | |
| dem Meeresboden“. Der Koalitionspartner ist seit Langem für [2][CCS]: | |
| FDP-Vizefraktionschef Lukas Köhler betonte, nun müssten die rechtlichen | |
| Rahmenbedingungen auch für „den Transport und den Export“ von CO2 | |
| geschaffen werden. Aktuell ist die [3][Speicherung von CO2] in Deutschland | |
| sowohl an Land als auch im Meer unzulässig. | |
| Das könnte sich nun ändern. Im kommenden Jahr will die Bundesregierung eine | |
| „Carbon-Management-Strategie“ erarbeiten, in der CCS und zudem CCU | |
| untersucht und am Ende wohl zugelassen werden sollen. Unter CCU (Carbon | |
| Capture and Utilization) versteht man die anschließende Verwendung des CO2, | |
| zum Beispiel in der Chemieindustrie. | |
| Ein Grund für die neue Stoßrichtung der Bundesregierung könnte in der | |
| Erkenntnis liegen, dass sie ihre großen Wasserstoffpläne nur mit dem | |
| sogenannten blauen Wasserstoff überhaupt erreichen kann; dieser wird aus | |
| Erdgas erzeugt, wobei das entstehende CO2 dann im Untergrund verpresst | |
| wird. | |
| ## „Enormer zusätzlicher Energieaufwand“ | |
| Der Einsatz von CCS und CCU bedürfte zahlreicher neuer gesetzlicher | |
| Regelungen. Die Bundesregierung spricht unter anderem von einer | |
| „Erweiterung der Enteignungsvorschrift“ und davon, dass ein | |
| „institutionalisiertes Governance“ geschaffen werden müsse, ferner ein | |
| „robustes und transparentes System von Monitoring, Reporting and | |
| Verification“ – ein großes Geschäft also für Zertifizierungsunternehmen. | |
| Die Kritikpunkte an CCS sind vielfältig. Wiederholt wies das | |
| Umweltbundesamt auf den „enormen zusätzlichen Energieaufwand für die | |
| Abscheidung, den Transport und die Speicherung“ hin. Der Einsatz der | |
| CCS-Technik erhöhe „den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen | |
| Rohstoffe um bis zu 40 Prozent“. | |
| Unterschiedlich positionieren sich die Umweltverbände. Germanwatch | |
| veröffentlichte diese Woche zusammen mit Industrieverbänden, wie etwa der | |
| Zementindustrie und der Gaslobby, ein Positionspapier dazu. Es empfiehlt, | |
| „regulatorische Hindernisse für CCS und CCU aus dem Weg zu räumen“, um | |
| somit eine „CO2-Offshore-Speicherung in der Nordsee“ zu ermöglichen. Weil | |
| „CCS/CCU-Wertschöpfungsketten derzeit wirtschaftlich noch nicht | |
| darstellbar“ seien, bedürfe es zudem einer entsprechenden Förderung. | |
| Konträr positioniert sich der Umweltverband BUND. Die Koalition dürfe „den | |
| [4][klimaschädlichen Fantasien der Industrie] nicht nachgeben“, sagt | |
| BUND-Chef Olaf Bandt. Die Meere seien „nicht die Müllhalde der Menschheit“. | |
| In den Seegebieten CO2 zu verpressen, könnte zwar profitabel für die | |
| Gasindustrie sein, bedrohe aber „den Lebensraum am Meeresboden“. | |
| ## Risiko Erdbeben | |
| Karsten Smid von Greenpeace betonte, die CCS-Pläne spielten nur den | |
| fossilen Energien in die Hände. Risiken der CO2-Verpressung würden | |
| ausgeblendet – wie etwa Erdbeben – und um Haftungsfragen werde | |
| herumgeredet. Gleichzeitig werde suggeriert, es gehe hier um geringe | |
| Restemissionen, doch in Wahrheit werde „eine neue Abfallwirtschaft von | |
| gigantischer Größe“ aufgebaut. | |
| Der Evaluierungsbericht, der ursprünglich von der Deutschen Energieagentur | |
| verfasst und nun als Papier der Bundesregierung publiziert wurde, geht | |
| allein unter der Nordsee von einer Lagerkapazität von etwa 150 bis 190 | |
| Gigatonnen CO2 aus – das entspricht den globalen Emissionen mehrerer Jahre. | |
| 22 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Olaf-Scholz-in-Skandinavien/!5874498 | |
| [2] /Norwegens-Endlager-fuer-Kohlendioxid/!5823921 | |
| [3] /Bericht-des-Weltklimarats-IPCC/!5845033 | |
| [4] https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/bund-geg… | |
| ## AUTOREN | |
| Bernward Janzing | |
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