# taz.de -- CO2-Verpressung unter dem Meer: Kieler CDU eröffnet Debatte neu | |
> Initiiert vom Ministerpräsidenten diskutiert Schleswig-Holstein wieder | |
> über Verpressung von Kohlendioxid. Der Landtag will Expert*innen | |
> anhören. | |
Bild: Schon lange umstritten: Protest gegen die CO2-Verpressung vor Schleswig-H… | |
Rendsburg taz | Raus aus der Atmosphäre, rein in den Meeresgrund: Lässt | |
sich das Klima mit dem CCS-Verfahren retten, bei dem Kohlendioxid in den | |
Boden verpresst wird? In Schleswig-Holstein ist die Debatte darüber neu | |
entbrannt, dabei hatte sich der Landtag noch im vergangenen Sommer | |
einhellig dagegen ausgesprochen. Nun beschloss das Parlament eine | |
Expert*innen-Anhörung, die ein erster Schritt zur Zulassung sein dürfte. | |
Die CDU treibt das Thema voran, die mitregierenden Grünen trugen den Antrag | |
mit – trotz Bedenken. | |
„Die Schmerzen sind Ihnen anzusehen“, sagte Oppositionsführer Thomas | |
Losse-Müller (SPD) im Landtag zu Lasse Petersdotter. Der Fraktionschef der | |
Grünen, die mit der CDU regieren, hatte sich noch vor wenigen Tagen gegen | |
die Gas-Verpressung im Meeresboden ausgesprochen. | |
Im Parlament versuchte er, seinen Meinungswechsel zu erklären: Die | |
Zustimmung zu der Anhörung sei „[1][kein Befürworten von CCS, sondern Teil | |
einer Debatte]. Wir sehen die Risiken. Aber wir können das klimapolitische | |
Dilemma nicht ignorieren, wir können nicht weiter in Richtung Wand fahren.“ | |
Daher sei er für ein Abwägen der Argumente. | |
Die allerdings sind seit Jahren bekannt. [2][Wissenschaftler*innen wie | |
Klaus Wallmann, Professor für Maritime Biogeochemie am Helmholtz-Zentrum | |
Geomar in Kiel, glauben], dass es ohne CO2-Verpressung nicht gelingen | |
werde, die Klimaziele zu erreichen. Seit Jahren erforscht er in einem | |
internationalen Projekt, wo der Untergrund sicher genug für eine | |
Speicherung ist. Inzwischen gibt es eine Reihe von Ratschlägen. | |
## Umweltbundesamt warnt | |
Gleichzeit warnen Umweltverbände vor den Gefahren: „Die Meere sind nicht | |
die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll“, sagt Olaf | |
Bandt, Bundesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). | |
„CO2 zu verpressen, ist profitabel für die Gasindustrie, aber bedroht den | |
Lebensraum am Meeresboden – denn langfristig sind Leckagen einkalkuliert.“ | |
[3][Reinhard Knof von der Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager] in | |
Schleswig-Holstein formuliert noch schärfer: „Wir wissen, dass das | |
schiefgeht. Das kann nur mit einer Katastrophe enden.“ | |
Welche Schäden drohen, beschreibt das Umweltbundesamt: „Das freigesetzte | |
CO2 kann Schadstoffe im Untergrund freisetzen sowie salzige Grundwässer aus | |
tiefen Aquiferen verdrängen.“ Unter ungünstigen Bedingungen könnten diese | |
verdrängten salzigen Grundwässer bis in oberflächennahe süße Grundwässer | |
und an die Erdoberfläche gelangen. | |
Dort könnten sie zu Versalzungen im Grundwasser, in Böden und | |
Oberflächengewässern führen. Außerdem verbrauche die Verpressung | |
zusätzliche Energie, und die Zahl der möglichen Speicherorte sei weltweit | |
begrenzt. [4][Das Umweltbundesamt rät daher dazu, den CO2-Ausstoß der | |
Industrie zu reduzieren.] | |
Doch warum sparen, wenn sich das Gas bequem im Meer versenken lässt? | |
SPD-Fraktionschef Losse-Müller warf der CDU in Schleswig-Holstein vor, „in | |
Gasthöfen und Hinterzimmern“ zu verkünden, mit CCS sei nun genug für den | |
Klimaschutz getan. „Es geht nicht um technische Lösungen“, betonte er im | |
Landtag. Der Vorstoß der CDU sei „magisches Denken“ und | |
„Politiksimulation“. Die Wege zur Klimaneutralität seien bekannt, die | |
Regierung müsse nun Geld und Kraft investieren, um die Infrastruktur | |
umzubauen. | |
Als „schlicht verantwortungslos“ wies Ministerpräsident Daniel Günther | |
(CDU) die Kritik der SPD zurück. Günther hatte die Debatte bei einem | |
Talkshow-Auftritt Mitte Januar erneut in Gang gebracht. Im Landtag betonte | |
er: „Wir wollen den Ausstoß verringern und sind mit den Klimazielen noch | |
ambitionierter als der Bund.“ | |
CCS dürfe „nicht zu Bequemlichkeit verleiten“, sei aber notwendig, um einen | |
Teil des Klimagases zu speichern. Aktuell würden sich länderübergreifend | |
Forschende für CCS aussprechen, daher „sollten wir dieses Thema | |
diskutieren“. Es sei keine Lösung, CO2 in andere Länder zu exportieren. | |
## Norwegen erlaubt es | |
Daran wird bereits gearbeitet: [5][Wintershall Dea] und das HES-Tanklager | |
im Hafen Wilhelmshaven haben im vergangenen Oktober eine Absichtserklärung | |
für den Bau einer CO2-Verladestelle unterschrieben. Über diese Anlage soll | |
Gas per Schiff in den Grenzbereich zwischen Norwegen und Dänemark | |
transportiert werden, teilt Wintershall mit. Norwegen erlaubt bereits, Gas | |
zu verpressen – Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne) informierte sich | |
dort im Dezember. | |
Dänemark hat im Dezember einen entsprechenden Vertrag mit Wintershall Dea | |
geschlossen. Die Verpressung solle „in den nächsten Wochen“ starten, | |
zitiert das Flensburger Tageblatt eine Firmensprecherin. Das „Greensand“ | |
genannte Projekt beginnt mit einer Pilotphase. Künftig sollen dort rund 1,5 | |
Millionen Tonnen CO2 jährlich verpresst werden. Laut Wintershall sind | |
später sogar acht Millionen Tonnen im Jahr denkbar – auch aus Deutschland. | |
30 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Debatte-um-Speicherung/!5905291 | |
[2] /Untersuchung-zur-CO2-Speicherung-in-der-Nordsee/!5120150 | |
[3] /Umweltverbaende-gegen-LNG-in-Brunsbuettel/!5840899 | |
[4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/grundwasser/nutzung-… | |
[5] https://wintershalldea.com/de/newsroom/wintershall-dea-und-equinor-entwicke… | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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