# taz.de -- Untersuchung zur CO2-Speicherung in der Nordsee: CCS-Forscher tauch… | |
> Die unterirdische CO2-Speicherung ist politisch umstritten. Nun wird sie | |
> von einem Wissenschaftsteam unter Leitung des Kieler Geomar-Instituts | |
> untersucht. | |
Bild: Wollen genau wissen, was am Meeresgrund läuft: ForscherInnen des Geomar-… | |
KIEL taz | In etwa zehn Tagen sticht die "Alkor" von Kiel aus in See, an | |
Bord eine Gruppe von Meeresbiologen, Chemikern und Geologen. Das | |
Forschungsschiff des Kieler Leibnitz-Instituts IFM-Geomar nimmt Kurs auf | |
die Nordsee vor Norwegen. Dort liegt das "Sleipner"-Gebiet, benannt nach | |
dem Pferd des Göttervaters Odin, ein Wesen mit acht Beinen und | |
problematischer Abstammung. | |
Auch das Gebiet "Sleipner" hat es in sich: Dort verpresst der norwegische | |
Energiekonzern Statoil seit 15 Jahren Kohlendioxid (CO2) in den Boden - der | |
weltweit größte kommerzielle Speicher dieser Art. Das internationale Team | |
will dort prüfen, welche Langzeitfolgen die sogenannte CCS-Technik auf | |
Tiere, Pflanzen und Geologie des Meeresgrundes haben könnte: Leckt Gas aus, | |
und wenn ja, was passiert dann? Zum ersten Mal gehen Forscher diesen Fragen | |
systematisch nach. "Eco 2" heißt das Projekt, das die EU mit 10,5 Millionen | |
Euro fördert. Beteiligt sind 27 "Partner" - vor allem Forschungsinstitute, | |
aber auch drei Unternehmen, darunter Statoil selbst - aus neun europäischen | |
Ländern. Nach vierjähriger Arbeit soll es Antworten auf die grundsätzliche | |
Frage geben, ob die CCS-Technik hält, was ihre Befürworter versprechen, | |
nämlich das Treibgas CO2 verschwinden zu lassen, bevor es die Atmosphäre | |
belastet. Oder ob, wie die Gegner befürchten, CCS neue Risiken birgt. Auch | |
der politische Kampf tobt: Die Bundesregierung ist für CCS, das Kabinett | |
hat ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Mehrere Bundesländer, vor | |
allem in der geologisch geeigneten norddeutschen Tiefebene, wollen die | |
Technik in ihren Grenzen nicht erlauben. | |
"Es gibt eine Menge Druck, von beiden Seiten", sagt Professor Klaus | |
Wallmann, Leiter der 70-köpfigen internationalen Forschergruppe. "Aber der | |
Vorteil ist: Wenn es von allen Seiten Druck gibt, kann man sich | |
entscheiden, wohin man gehen will." Die Forschung sei frei, rein aus | |
öffentlichen Mitteln bezahlt, betont er. Und ja: "Das Ergebnis könnte sein, | |
dass es zu gefährlich ist. Das weiß ich heute nicht, dafür machen wir die | |
Forschung." Seine Prognose: "Es wird kein 100-prozentiges Ja oder Nein | |
geben." Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass irgendwann und irgendwo | |
Gas austritt: "Keine biologische Formation ist absolut geschlossen." Es | |
komme darauf an, Grenzwerte zu ziehen: "Wie viel Prozent sind tolerabel?" | |
Wichtig sei, betont Wallmann, den Unterschied zu anderen Techniken, vor | |
allem zur Lagerung von Atommüll, deutlich zu machen: "Der GAU bei CCS ist | |
der heutige Normalfall, nämlich dass CO2 in die Atmosphäre gelangt." Die | |
CCS-Technik gilt bei ihren Befürwortern als eine der Methoden gegen die | |
Erderwärmung. Denn gerade Länder wie China oder die USA setzen weiter auf | |
Kohlekraftwerke und Schwerindustrie, bei deren Betrieb CO2 als Abgas | |
anfällt. Bei den weltweiten Forschungen rücken zunehmend die Meere als | |
Speicher in den Blickpunkt. Das hat Vorteile, erklärt Tore Torp, | |
Mitarbeiter von Statoil und Fachmann für das Sleipner-Feld: "CO2 ist ein | |
Gas, das sich wie eine Flüssigkeit verhält." Unter Druck, wie er in | |
größeren Tiefen herrscht, bleibt das Kohlendioxid flüssig, damit leicht zu | |
handhaben. | |
Für Torp ist sowieso alles ganz einfach: Es gibt keine Lecks, und falls es | |
sie gibt, schaden sie nichts. Beweis: An über 600 Stellen weltweit dringt | |
natürliches CO2 aus dem Boden. Der schlimmste Fall im Sleipner-Feld sei | |
gewesen, dass beim Befüllen Überdruck herrschte, so dass es im Wasser | |
sprudelte - "wie eine kleine Fontaine im Park". Die Umweltorganisation | |
Greenpeace, die das Feld beobachtet, ist weniger optimistisch: Lecks seien | |
keineswegs auszuschließen, Wanderungen des Gases durch unterirdische | |
Gesteinsschichten sehr wahrscheinlich. | |
Wenn das Gas austritt, wird das Wasser saurer - doch was heißt das? Der | |
Meeresbiologe Frank Melzner wird sich in den nächsten vier Jahren darum | |
kümmern: "Wir werden den natürlichen CO2-Austritt untersuchen, im Labor | |
Leckagen simulieren und sehen, wie sich das auf die Tierwelt auswirkt." | |
Geprüft wird auch, welche Stellen zu Speichern werden könnten. An den | |
deutschen Küsten hält Wallmann vor allem Gebiete jenseits der | |
Zwölf-Seemeilen-Grenze für geeignet. Das passt ins Konzept der Politik: | |
Dort endet das Recht der Bundesländer, ihr Veto einzulegen. | |
22 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Esther Geisslinger | |
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