# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: „Lindner raus!“ | |
> Viele befürchten Sozialproteste von rechts. Den Aufschlag in Berlin | |
> machen aber Linke. Sie fordern den Abgang von Christian Lindner. | |
Bild: Gefahr für den sozialen Frieden: die Klimapolitik der FDP | |
Es ist eine skurrile Situation. Allenthalben wird vom [1][Aufstand] | |
geredet, doch auf den Straßen ist alles ruhig. Auf Twitter trendet der | |
Hashtag #WutWinter, aber Proteste gegen die explodierten Lebensmittel- und | |
Energiepreise, gegen die Politik, die die Profite der Konzerne schützt und | |
auch noch zu den [2][Wohlhabenden umverteilen] will, gibt es bislang nicht. | |
Und noch skurriler: Obwohl die größte soziale Krise seit Langem immer mehr | |
an Fahrt aufnimmt, redet niemand von einem Unmut von links, der sich Bahn | |
brechen könnte. Dabei gibt es kein klassischeres linkes Thema als soziale | |
Gerechtigkeit und den Kampf gegen Ungleichheit. | |
Stattdessen wird allenthalben [3][eine rechte Massenmobilisierung | |
erwartet]. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte etwa, „dass | |
diejenigen, die schon in der Coronazeit ihre Verachtung gegen die | |
Demokratie herausgebrüllt haben und dabei oftmals Seite an Seite mit | |
Rechtsextremisten unterwegs waren, die stark steigenden Preise als neues | |
Mobilisierungsthema zu missbrauchen versuchen“. | |
Doch womöglich täuschen sich die Beobachter:innen. Zumindest in Berlin | |
fehlen bislang die Anzeichen dafür, dass der rechten und | |
verschwörungsideologischen Szene der Themenumschwung weg von Corona, | |
Impfungen und Medienschelte hin zur sozialen Frage gelingen könnte. Die | |
ersten, die unter dieser neuen Überschrift die Geknechteten auf die Straße | |
rufen, werden sie zumindest nicht sein. | |
## Protest für Umverteilung | |
Denn schon an diesem Mittwoch gibt es einen [4][Aufruf zu einem Protest vor | |
der FDP-Parteizentrale] (18 Uhr, Reinhardstraße 54). „Lindner raus. | |
Umverteilung jetzt“, so die einfache Parole. Es ist das erste Lebenszeichen | |
der außerparlamentarischen Linken zu dem Thema in diesem Sommer, aber die | |
kommunizierten Forderungen dürften bei einer übergroßen Mehrheit der | |
Bevölkerung auf Wohlwollen stoßen: 9-Euro-Ticket verlängern, | |
Übergewinnsteuer einführen, Gaspreise deckeln und Umverteilung zugunsten | |
der Armen, die unter den Preissteigerungen am meisten zu leiden haben. | |
Verbreitet wurde der Aufruf zuerst vom Umverteilungsbündnis [5][Wer hat, | |
der gibt], das in Berlin und vor allem Hamburg schon in den vergangenen | |
Jahren versuchte, die soziale Frage wieder zum Bewegungsthema zu machen. | |
Dass zumindest auf Telegram die neue Gruppe [6][Sozialproteste 030] die | |
Veranstaltung bewirbt, könnte aber darauf hindeuten, dass der Protest in | |
eine neue Richtung gehen soll. | |
Ebenso spricht es wohl dafür, dass Linke sich auf mehr vorbereiten. Mehrere | |
Bündnistreffen ganz verschiedener Gruppen hat es schon gegeben und auch die | |
Partei Die Linke will sich trotz aller derzeitigen Schwäche die Chance | |
nicht entgehen lassen, mit ihren Kernpunkten wieder stärker öffentlich | |
wahrgenommen zu werden. | |
## Rise up | |
Wer noch Motivation braucht, dass soziale Bewegungen tatsächlich etwas | |
ändern können, auf den wartet am Donnerstag die Berlin-Premiere des | |
Leftvision-Films [7][„Rise up“] im Freiluftkino Friedrichshain (20.45 Uhr; | |
2. Vorpremiere am 23.8. im Hofkino am Franz-Mehring-Platz 1). Die | |
Filmemacher:innen haben dafür fünf politische Aktivist:innen | |
begleitet, es geht um den Regimesturz in Südafrika, den Aufstand in Chile | |
oder den Aufbau demokratischer Strukturen im kurdischen Rojava. | |
Schon mit [8][“Hamburger Gitter“], ihrem Film über die G20-Proteste 2017 in | |
Hamburg, hat das Leftvision-Team gezeigt, dass es professionelle und | |
kämpferische Filme auf die Leinwand bringen kann. Und auch diesmal darf man | |
gespannt sein. In der Ankündigung heißt es: „Wir ergründen in diesem Film | |
die Verwandlung von kleinen Leuten zu großen Held:innen, vom einzelnen | |
Aufbegehren zur großen Revolte, von einer einzelnen Idee zu einem | |
historischen Fortschritt.“ | |
## Jubiläen der Selbstbestimmung | |
Zwei weitere Termine diese Woche geben Anlass zur Hoffnung. Da ist zunächst | |
das 50-jährige Jubiläum des ssb e.V. (sozialpädagogische Sondermaßnahmen | |
Berlin), das als gemeinnütziger Verein sowohl das Wohnprojekt | |
Mansteinstraße als auch das Tommy-Weisbecker-Haus verwaltet als auch | |
Trägerin des Jugendzentrums Drugstore ist. Auch ein Tischlereikollektiv, | |
eine Fahrradwerkstatt und die Rote Insel sind aus den Selbsthilfestrukturen | |
entstanden. | |
Gefeiert wird all das von Freitag bis Sonntag im großen Rahmen mit | |
Konzerten, Lesungen, Filmvorführungen und einer Ausstellung. Auch eine | |
Kundgebung darf nicht fehlen: Am Sonntag (21.8.) ab 17 Uhr vor dem | |
Tommyhaus. Motto: „Migration is not a crime – fight Fortress Europe.“ Das | |
ganze Programm findet sich unter [9][ssb.nostate.net]. | |
Auch die [10][Regenbogenfabrik] in Kreuzberg zeigt, dass Projekte erkämpft | |
und nachhaltig gesichert werden können. 40 Jahre gibt es das Hausprojekt | |
inzwischen. Begangen wird das mit einem bunten Programm mit Café und | |
Kinderaktivitäten sowie Konzerten und Party (Freitag, 19.8., ab 15 Uhr, | |
Lausitzer Straße 22). | |
16 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Mobilisierung-durch-das-rechte-Lager/!5866953 | |
[2] /Lindners-Plan-zum-Inflationsausgleich/!5870587 | |
[3] /Rechte-Proteste-wegen-Energiekrise/!5865553 | |
[4] https://twitter.com/WerHatDerGibt/status/1559081078509518848?s=20&t=lUJ… | |
[5] /Wer-hat-der-gibt/!t5715088 | |
[6] https://t.me/sozialproteste | |
[7] https://www.riseup-film.de/ | |
[8] /Film-ueber-G20-Polizeigewalt/!5510648 | |
[9] https://ssb.nostate.net/ | |
[10] https://www.regenbogenfabrik.de/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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