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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Rassismus mit Struktur
> Eine Ausstellung auf dem Oranienplatz will auf die weiterhin unsichere
> Situation internationaler Studierender aus der Ukraine aufmerksam machen.
Bild: Schon 2014 protestierten Asylsuchende am Oranienplatz gegen ihre struktur…
Rassismus hat viele Gesichter. Oft sind es körperliche Angriffe, die
Menschen mit nicht weißer Hautfarbe ausgesetzt sind – so wie die 17-jährige
Dilan, die [1][im Februar an einer Tramhaltestelle geschlagen und bespuckt
wurde]. Häufiger noch ist es verbale Gewalt, auf der Straße und online, mit
der Rassist:innen versuchen, andere Menschen zu verletzten.
Eine subtilere, aber nicht weniger folgenreiche Spielart des Rassismus ist
der strukturelle Rassismus. So ist die Benachteiligung und Ausgrenzung von
Menschen aufgrund ihrer Herkunft tief in die politischen Systeme
Deutschlands und Europas eingeschrieben.
Besonders offensichtlich wird dieser staatliche Rassismus im Umgang mit
Geflüchteten aus der Ukraine. Während Besitzenden eines ukrainischen Passes
in vorbildlicher Geschwindigkeit Schutzstatus und Arbeitserlaubnis gewährt
wurde, gestaltet sich [2][die Situation für Drittstaatenangehörige],
insbesondere die zahlreichen Studierenden aus afrikanischen Ländern, die
aus der Ukraine geflohen sind, deutlich schwieriger.
Den meisten von ihnen droht nach jetzigem Stand ab Ende August eine
Abschiebung. Denn im Gegensatz zu ukrainischen Geflüchteten unterliegen die
meisten Drittstaatenangehörigen keinem Schutzstatus. Um diesen zu bekommen,
müssten sie nachweisen, dass eine sichere Rückkehr ins Heimatland nicht
möglich ist. Dass die Bundesregierung ein sehr ausgedehntes Verständnis von
„Sicherheit“ hat, zeigten die Abschiebungen nach Afghanistan, die auch noch
bis kurz vor der Machtübernahme der Taliban durchgeführt worden sind.
## Geflüchtete zweiter Klasse
Auch die Möglichkeiten, das Studium in Deutschland weiterzuführen, sind
begrenzt. Um an deutschen Universitäten zu studieren, müssen
Nicht-EU-Angehörige 11.000 Euro auf ein nicht zugängliches Sperrkonto
deponieren – eine unvorstellbar hohe Summe für viele afrikanische
Studierende, die oft mehrere tausend Dollar Studiengebühren ukrainischer
Universitäten durch die russische Invasion verloren haben.
Auch über fünf Monate nach Beginn der Invasion und der Flucht aus der
Ukraine befinden sich Drittstaatenangehörige weiterhin in einem
zermürbenden Schwebezustand, in dem es weder vor noch zurück geht.
Um auf die Situation internationaler Studierender und anderer
Drittstaatenangehöriger aufmerksam zu machen, organisiert die Gruppe
[3][BIPOC Ukraine & Friends] eine Ausstellung auf dem Kreuzberger
Oranienplatz.
Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Bereits zehn Jahre zuvor lehnte sich
eine Gruppe von abschiebungsbedrohten Migrant:innen mit der
[4][Besetzung des O-Platzes] gegen die europäische Abschottungspolitik auf.
Seitdem ist der Kreuzberger Platz ein Symbol des migrantischen Widerstands.
Die Organisator:innen suchen noch [5][Helfer:innen und Menschen,
die mit Workshops, Vorträgen, Performances und ähnlichem inhaltlich
beitragen wollen] (30. Juli – 13. August, täglich 11 – 20 Uhr,
Oranienplatz).
## Eine bessere Welt, aber wie?
Während es angesichts der Verhältnisse nicht genug zu kritisieren gibt,
mangelt es häufig an positiven Visionen, wie eine lebenswertere, ökologisch
und sozial gerechtere Welt konkret aussehen könnte. Noch seltener sind
glaubhafte Ideen, die Wege beschreiben, dorthin zu kommen.
Die Macher:innen des Films [6][„Der laute Frühling“] wollen diese
Leerstelle ein wenig füllen und zeigen in ihrer Dokumentation, wie
organisierte Amazon-Arbeiter:innen, Klimaaktivist:innen und Indigenas
in Mexiko Treiber:innen des dringend benötigten Systemwandels sein
können. Im Anschluss an die Premiere folgt ein Gespräch mit den
Autor:innen und Protagonist:innen des Films (Dienstag, 2. August,
Kino Toni, Antonplatz 1, 20 Uhr).
Klar ist, der Kampf für ein besseres Morgen erfordert, über die Grenzen des
eigenen Nationalstaats hinauszuschauen.
## Aktivist im Hungerstreik
68 Tage hat der griechische Anarchist und Aktivist Giannis Michailidis im
Hungerstreik verbracht, um seine Freilassung aus dem Gefängnis zu erwirken.
Nach 9 Jahren Haft hat Michailidis seine Mindesthaftzeit abgesessen und
befindet nun in „Präventivhaft“ unbestimmter Dauer. Der Aktivist befand
sich bereits in einem lebensbedrohlichen Zustand, als er seinen
Hungerstreik freiwillig beendete.
Schon seit einigen Jahren bündeln sich die verschärfenden Krisen Europas in
Griechenland. Systematische Menschenrechtsverletzungen an Geflüchteten,
zerstörerische Waldbrände und eine immer gewaltiger werdende Repression
gegen soziale Proteste, um nur einige zu nennen.
Ein wesentlicher Grund für die sozialen Verwerfungen Griechenlands ist auch
das strikte Austeritätsregime, das die europäischen Großmächte Deutschland
und Frankreich Griechenland in Folge der Finanzkrise 2008 auferlegt haben.
Michailidis' Hungerstreik mobilisierte vor diesem Hintergrund nicht nur
zahlreiche Proteste in Griechenland, sondern auch kleinere Aktionen in
Deutschland. So besetzten Aktivist:innen am 20. Juli das Amnesty
International-Büro in Berlin, um die Menschenrechtsorganisation
aufzufordern, sich für die Freilassung Michailidis' einzusetzen. Am Freitag
gibt es eine weitere [7][Demo in Solidarität mit Michailidis] (Freitag, 5.
August, Kottbusser Tor, 18 Uhr).
1 Aug 2022
## LINKS
[1] /Angriff-auf-junge-Berlinerin/!5834436
[2] /BiPoC-Gefluechtete-in-Berlin/!5863496
[3] https://bipocukraine.org
[4] /Fluechtlingscamp-in-Berlin-Kreuzberg/!5044664
[5] https://linktr.ee/oplatz2022
[6] https://stressfaktor.squat.net/node/245799
[7] https://de.indymedia.org/node/212267
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Kolumne Bewegung
taz Plan
Ukraine-Krise
Migration
Griechenland
Schwerpunkt Rassismus
taz Plan
Serie Flucht aus der Ukraine
Schwerpunkt Rassismus
Asylpolitik
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