| # taz.de -- Rücktritt von Documenta-Chefin: Keiner wollte hinschauen | |
| > Sabine Schormann, die Ex-Generaldirektorin der documenta, mauerte bis | |
| > zum Ende. Jetzt muss aufgeklärt werden. | |
| Bild: Blieb jeder Möglichkeit einer Erklärung fern: Ex-Generaldirektorin der … | |
| Sabine Schormann hatte in den letzten vier Wochen eine Mauer um sich | |
| gebaut. „Zutiefst bedauerlich“ sei die Aufhängung des Banners der | |
| indonesischen Künstlergruppe Taring Padi [1][mit antisemitischen Motiven | |
| gewesen] – aber man habe ja mit seiner prompten Abhängung richtig reagiert. | |
| [2][Einem Diskussionsabend der documenta blieb sie fern]. Als der | |
| Kulturausschuss des Bundestags debattierte, meldete sie sich krank. Und | |
| nachdem Meron Mendel seine Unterstützung zur Aufklärung des | |
| Antisemitismus-Eklats wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft | |
| aufkündigte, zeigte sie in einem Statement keine Einsicht. Ansonsten blieb | |
| Schormann, die seit Samstag Ex-Generaldirektorin der documenta ist, jeder | |
| Möglichkeit einer Erklärung fern. Keine Gespräche, kein von der documenta | |
| sonst so gepriesener Dialog. | |
| Dennoch hielt bis zum Schluss der Kasseler Oberbürgermeister Christian | |
| Geselle (SPD) an ihr fest. Die Personalie Schormann ist auch mit ihm | |
| verknüpft: Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der documenta, und hatte 2018 | |
| mitbewirkt, dass die promovierte Germanistin nach 18-jähriger Tätigkeit bei | |
| der niedersächsischen Sparkassenstiftung zur documenta wechselte. Die | |
| Kasseler Sparkasse wiederum ist ein wichtiger Sponsor der Kunstausstellung. | |
| Für die documenta arbeitete Schormann eng mit dem Finanzhaus zusammen, in | |
| dessem Verwaltungsrat auch Geselle sitzt. | |
| ## Das Geschmäckle von Parteipolitik | |
| Es war die hessische Kultusministerin Angela Dorn (Grüne), die jene | |
| außerordentliche Aufsichtsratssitzung für Freitagabend beantragte hatte, in | |
| deren vielstündigen Verhandlungen Geselle offenbar umlenkte. Schormann | |
| geht. Ihr Vertrag mit der documenta und Fridericianum gGmbH wird aufgelöst, | |
| eine Interimsbesetzung soll gefunden werden. Kulturstaatsministerin Claudia | |
| Roth (Grüne) begrüßte den Entschluss. Der Causa Schormann haftet nun das | |
| Geschmäckle von Parteipolitik an, von der Provinz- bis zur Bundesebene. | |
| Dabei will man immer noch erfahren, wie sich (offenbar über Parteigrenzen | |
| hinweg) in der Vorbereitung der documenta fifteen überhaupt eine gewisse | |
| Blindheit einstellen konnte und trotz der schon seit Januar geäußerten | |
| Bedenken, auf der Kunstschau könnten auch antisemitische Botschaften ihren | |
| Platz finden, keine:r genau hinschauen wollte. [3][Vielmehr wich man der | |
| Kritik aus]. Eine später abgesagte Gesprächsreihe zu Antisemitismus, | |
| Rassismus und Islamophobie hatte weder den Zentralrat der Juden einbezogen | |
| noch das Kuratorenkollektiv Ruangrupa mitdiskutieren lassen wollen, das der | |
| BDS-Bewegung nahestehen soll. | |
| ## Sie zeigten sich überrascht | |
| Mit Taring Padi, den Urhebern des Skandal-Banners, soll in der | |
| Vorbereitungszeit nie jemand über Antisemitismus geredet haben. Sie zeigten | |
| sich selbst überrascht, dass ihr Kunstwerk solch feindselige Zerrbilder | |
| aufweist. Hätte man sie, wie von Schormann behauptet, wirklich unter einen | |
| fremdenfeindlichen Generalverdacht gestellt, wenn man versucht hätte, | |
| aufzuklären? | |
| Das kulturpolitische Projekt, den Globalen Süden nach Kassel kommen zu | |
| lassen, hatte man wohl in den vielen Monaten bis zur Eröffnung über eine | |
| nötige Aushandlung von Werten gestellt. Dergleichen soll künftig nicht mehr | |
| geschehen. Die Strukturen der documenta sollen fortan auch von Experten aus | |
| dem Kulturbetrieb besetzt werden. In ihrem Aufsichtsrat sitzen derzeit nur | |
| Personen der Stadt- und Landespolitik. | |
| 17 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sophie Jung | |
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