# taz.de -- Bild in Kassel überklebt: Kopiah oder Kippa? | |
> Ein möglicherweise antisemitisches Bild des Kollektivs Taring Padi wurde | |
> nachträglich überklebt, aus „Einfühlungsvermögen“ gegenüber der | |
> Öffentlichkeit. | |
Bild: „All Mining is Dangerous“: Vier Personen mit Geldsäcken, eine trägt… | |
KASSEL dpa/epd | Auf der „[1][documenta fifteen]“ in Kassel ist ein Bild | |
überklebt worden, das möglicherweise erneut antisemitische Motive zeigt. | |
Die Arbeit „All Mining is Dangerous“ des Kollektivs Taring Padi, deren | |
mittlerweile abgebautes Protestbanner kurz nach Eröffnung der Kunstschau | |
eine [2][Antisemitismus-Debatte] mit [3][personellen Folgen] ausgelöst | |
hatte, hängt im Hallenbad Ost. Es ist ein großformatiger Holzschnitt auf | |
Stoff und 2010 in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Kollektiv | |
Justseeds Artists in Oregon entstanden. | |
Gemäß Erklärung der documenta kritisiere „All Mining is Dangerous“ das | |
Bergbausystem in den USA und in Indonesien. Der Holzschnitt zeigt auch vier | |
Personen, die große Mengen Geld in Form von Geldsäcken unter sich | |
aufteilen. Eine davon hat eine lange Nase, ihre wulstigen Lippen ziehen ein | |
hämisches Grinsen. Sie trägt eine Kopfbedeckung, die nun mit einem | |
schwarzen Stück Klebeband überklebt wurde. | |
Bei der nachträglich unkenntlich gemachten Kopfbedeckung handele es sich | |
womöglich um eine Kippa, wie das Junge Forum der Deutsch-Israelischen | |
Gesellschaft (DIG) vermutet. Nähere Betrachtungen vor Ort und der Vergleich | |
mit älteren Aufnahmen des Bildes würden dies zeigen. Das DIG wirft der | |
„documenta fifteen“ vor, eine antisemitische Darstellung verdeckt zu haben. | |
Bundesvorsitzender Constantin Ganß sagte dem Evangelischen Pressedienst | |
(epd) am Dienstag, das Bild sei anlässlich einer größeren Recherche des | |
Jungen Forums am Standort Hallenbad-Ost entdeckt worden. | |
## Die Künstlergruppe entschied das Bild zu überarbeiten | |
Die künstlerische Leitung der documenta fifteen, das indonesische Kollektiv | |
ruangrupa, reagierte auf den Vorwurf und veröffentlichte nun eine | |
Erläuterung [4][des zur Diskussion] stehenden Bildmaterials. Demnach | |
handele es sich bei der Kopfbedeckung des Grinsenden auf dem Holzschnitt | |
„nicht um die Darstellung einer jüdischen religiösen Kopfbedeckung“. Die | |
überarbeitete Figur auf dem Bild von Taring Padi zeige vielmehr eine | |
klassische und weit verbreitete indonesische Kopfbedeckung: die „kopiah“ | |
oder „peci“ in Bahasa Indonesia. Sie werde im indonesischen Puppenspiel | |
(wayang) von einer wiederkehrenden Figur getragen. Die Kopiah reiche – im | |
Gegensatz zur Kippa – bis zu den Ohren, sie sei „gar Teil der nationalen | |
und offiziellen Kleidung in Indonesien“. | |
Dennoch kam es zur Überklebung dieser Kopfbedeckung im Juni 2022. Dies sei | |
die Entscheidung von Taring Padi gewesen, so die Erklärung der documenta, | |
aus „Einfühlungsvermögen gegenüber der breiten Öffentlichkeit und als | |
Präventivmaßnahme gegen eine mögliche Fehlinterpretation als ‚Kippah‘ in | |
der damals hitzigen und rasanten Debatte“. Die documenta erläuterte weiter: | |
„Jeder/m Künstler*in steht es frei, ihr oder sein Werk zu bemalen, zu | |
bekleben oder anderweitig zu bearbeiten. In diesem Fall geschah dies nicht, | |
um etwas zu vertuschen, sondern als ästhetische Entscheidung, um auf den | |
unmittelbaren Kontext, in dem das Werk gezeigt wurde, zu reagieren.“ | |
Derweil zog die Bildungsstätte Anne Frank nach einigen Wochen | |
Aufklärungsarbeit auf der von Antisemitismus-Vorwürfen überschatteten | |
„documenta fifteen“ das Fazit, dass Antisemitismus auch bei Bildungsbürgern | |
verankert sei. „Wenn Bildungsbürger an unseren Stand kommen und völlig | |
selbstverständlich krude antisemitische Verschwörungstheorien äußern, dann | |
muss das uns alle alarmieren“, sagte die pädagogische Leiterin der | |
Bildungsstätte, Julia Alfandari. „Trotz der wochenlangen Debatte stellen | |
wir fest, dass auch im documenta-Publikum sehr wenig Wissen über | |
Antisemitismus besteht und es an der Kompetenz mangelt, Antisemitismus | |
überhaupt zu erkennen.“ | |
17 Aug 2022 | |
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