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# taz.de -- Personalnot im öffentlichen Dienst: Sparen an der Sicherheit
> Der Niedersächsische Beamtenbund schlägt Alarm: Polizei, Zoll, Justiz,
> Steuerfahndung, Gewerbeaufsicht – all diese Bereiche klagen über
> Überlastung.
Bild: Ständig neue Aufgaben, aber zu wenig neues Personal heißt es auch beim …
Hannover taz | Natürlich gehört das zum kleinen Gewerkschafter-Einmaleins:
Um mehr Personal und bessere Bezahlung zu fordern, dazu ist man ja
schließlich da. [1][Doch der Alarm, den der Niedersächsische Beamtenbund
(NBB) gerade schlägt], ist ein bisschen lauter als gewohnt und das liegt
möglicherweise nicht nur daran, dass in Niedersachsen Wahlkampf ist.
Sechs Einzelgewerkschaften, alle aus dem Sicherheitsbereich, hat der
NBB-Landesvorsitzende Alexander Zimbehl [2][für ein gemeinsames
Pressegespräch] zusammengetrommelt. Die Botschaft: Die Kollegen bei der
Polizei, im Strafvollzug, im Justizdienst an den Gerichten, in der
Steuerfahndung, beim Zoll und in der Gewerbeaufsicht sind an der
Belastungsgrenze.
Beim Strafvollzug etwa gab es schon 2017 einen anerkannten Personalbedarf
von 200 Stellen, sagt Oliver Mageney vom Verband Niedersächsischer
Strafvollzugsbediensteter. Eine Zielgröße von rund 50 zusätzlichen Stellen
pro Jahr sei damals mit der Großen Koalition vereinbart worden. Nun, zum
Ende der Legislaturperiode, verzeichne der Stellenplan ganze sechs Stellen
Zuwachs.
Gleichzeitig seien die Anforderungen immer höher geworden: Eine wachsende
Anzahl an psychisch kranken Inhaftierten oder traumatisierten Geflüchteten
mache den Alltag in den Haftanstalten nicht einfacher.
## Unbesetzte Stellen sind in allen Bereichen ein Problem
Dazu komme der massive Sanierungsstau: „Das betrifft ja nicht nur die
Unterbringung der Gefangenen, das sind eben auch unsere
Arbeitsbedingungen“, sagt Mageney. Niemand wolle einfach nur Verwahrvollzug
machen, aber wenn sich nichts ändere, sei der gesetzliche
Resozialisierungsauftrag nicht mehr zu erfüllen.
Justizministerin Barbara Havliza (CDU) wehrt sich gegen die Kritik. Sie
spricht von fast 80 neuen Stellen im Justizvollzugsdienst und großen
Anstrengungen in der Nachwuchswerbung.
Ein Problem, mit dem fast alle Bereiche zu kämpfen haben: Man bekommt die
frei werdenden Stellen nicht besetzt, weil private Arbeitgeber bessere
Angebote machen. Der öffentliche Dienst ist in Krisenzeiten zwar als
sicherer Arbeitgeber gefragt, zugleich rollt aber [3][die gewaltige
Pensionierungswelle der Babyboomer] durch die Verwaltungen.
Das betrifft nicht nur die hochspezialisierten Fachkräfte, sondern auch die
unteren Gehaltsgruppen. Seit Jahren streitet der NBB mit dem Land um eine
ausreichende Alimentierung, wie es bei Beamten heißt, weil man glaubt, dass
die unteren Einkommen nicht genügend Abstand zur sozialen Grundsicherung
aufweisen.
## Auch Zoll und Steuerfahndung sind betroffen
2018 gab das Bundesverfassungsgericht den Musterklägern in Teilen recht,
das Land musste nachbessern. Mit dem Ergebnis ist der NBB immer noch nicht
zufrieden, [4][er strebt eine weitere Klärung vor dem
Bundesverfassungsgericht an.]
Besonders ärgerlich ist der Personalmangel in den Bereichen, die im Grunde
in der Lage wären, ihre Kosten wieder einzuspielen, betonen die
Gewerkschafter. Das betrifft zum Beispiel den Zoll oder die Steuerfahndung.
Auch hier steigen die Anforderungen, während die Arbeitsbedingungen nicht
Schritt halten. „Wir fahren mit unseren Privat-Pkw zu den Außeneinsätzen,
weil es keine Dienstfahrzeuge gibt“, klagt Marianne Erdmann-Serec von der
Deutschen Steuergewerkschaft.
Zur Gefahrenabschätzung, ob man es beispielsweise mit Reichsbürgern oder
organisierter Kriminalität zu tun habe, müsse man jedes Mal die Kollegen
von der Polizei bemühen – eine eigene Abfrage zu laufenden Strafverfahren
oder Vorstrafen ist nicht gestattet.
Auch beim Zollfahndungsdienst entspreche die Personaldecke längst nicht
dem, was an neuen Aufgaben dazugekommen sei, sekundiert Olaf Wietschorke
von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft.
Möglicherweise, räumen die Gewerkschafter am Rande ein, würde auch eine
rigorosere Aufgabenkritik und die Schrumpfung des einen oder anderen
Wasserkopfes etwas bringen. Sie haben aber den Eindruck, dass die Politik
den Ernst der Lage verkennt.
[5][Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) weist die Forderungen] prompt
zurück: „Aufgrund des nachlassenden wirtschaftlichen Wachstums und der
Gefahr der Rezession ist es das falsche Signal, den Staatsapparat
aufzustocken und mehr Personal in Landesbehörden einzustellen.“
4 Aug 2022
## LINKS
[1] /Tarifverhandlungen-fuer-Kitas--Co/!5836835
[2] https://www.nbb.dbb.de/aktuelles/news/sicherheitspolitik-in-niedersachsen/
[3] /Freitagscasino/!5097721
[4] /Verfassungsgericht-entscheidet/!5262498
[5] /Oeffentlicher-Dienst-der-Laender/!5801206
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Beamte
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Frank Werneke
Bundesverfassungsgericht
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