| # taz.de -- Öffentlicher Dienst der Länder: Hoffnung auf 5 Prozent mehr | |
| > Die Tarifverhandlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder | |
| > starten. Noch liegen Gewerkschaften und Arbeitgeber weit auseinander. | |
| Bild: Können auf mehr Lohn hoffen: Polizeianwärterinnen in Sachsen-Anhalt bei… | |
| Berlin taz | An diesem Freitag starten die Verhandlungen für den | |
| öffentlichen Dienst. Noch ist unklar, wer schneller verhandeln wird: Die | |
| SPD mit Grünen und FDP über die nächste Bundesregierung oder die | |
| Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und der Deutsche Beamtenbund (DBB) mit | |
| der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über ihren neuen Tarifvertrag. | |
| Auf jeden Fall ist nicht davon auszugehen, dass es schon in ersten | |
| Verhandlungsrunde zu einer Annäherung der Positionen kommen wird. | |
| Unmittelbar betroffen von den Verhandlungen sind die 1,1 Millionen | |
| Tarifbeschäftigten der Länder mit Ausnahme von Hessen, das 2004 aus der TdL | |
| ausgetreten ist und seitdem in Eigenregie verhandelt. Hinzu kommen noch | |
| knapp 1,4 Millionen Beamt:innen sowie eine Millionen | |
| Versorgungsempfänger:innen, also Pensionäre, auf die das Tarifergebnis | |
| üblicherweise übertragen wird. | |
| Verdi und DBB fordern eine Entgelterhöhung von 5 Prozent, mindestens jedoch | |
| 150 Euro monatlich mehr. Für Auszubildende, Studierende und | |
| Praktikant:innen fordern die Gewerkschaften 100 Euro mehr. „Angesichts | |
| einer steigenden Inflation geht es um den Erhalt von Kaufkraft für alle | |
| Beschäftigten der Länder“, begründet das [1][Ver.di-Chef Vorsitzende Frank | |
| Werneke]. Die Löhne für Beschäftigte im Gesundheitswesen sollen um 300 Euro | |
| angehoben werden. Es müsse „jetzt endlich honoriert werden“, dass sie „m… | |
| maximalem Einsatz gegen die Corona-Pandemie gekämpft“ hätten, so Werneke. | |
| Die TdL bietet wie üblich erstmal nichts. Den eingefahrenen Ritualen der | |
| Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst entsprechend, dürfte sie ihr | |
| erstes Angebot erst ein paar Tage vor der dritten Verhandlungsrunde Ende | |
| November präsentieren. Die Forderungen der Gewerkschaften bezeichnet der | |
| TdL-Verhandlungsführer und niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers | |
| (CDU) als „illusorisch“. Angesichts der großen Löcher, für die Corona in | |
| den Landeskassen gesorgt habe, gäbe es nur „wenig Spielraum für | |
| Gehaltssteigerungen“. | |
| ## Arbeitgeber: Kein Angebot, aber eigene Forderung | |
| Keine Frage: Es geht um viel Geld. Ein Lohnerhöhung von einem Prozent | |
| bedeutet Mehrkosten für die Länder von rund 1,37 Milliarden Euro im Jahr, 5 | |
| Prozent kosteten also 6,85 Milliarden Euro. Hinzu käme, dass durch die | |
| geforderten Mindestbeträge schlechter bezahlte Beschäftigte eine deutlich | |
| höhere prozentuale Lohnsteigerung erhalten würden. So würde sich das Gehalt | |
| einer Schleusenwärterin um bis zu 6,25 Prozent erhöhen, das eines | |
| Pflegehelfers um bis zu 12,8 Prozent. Das ergäbe summiert Mehrkosten für | |
| die Länder von jährlich 7,5 Milliarden Euro. | |
| Auf der anderen Seite steht allerdings, dass die Länder nach den | |
| Coronaausfällen vom Vorjahr jetzt wieder mit spürbar höheren | |
| Steuereinnahmen rechnen können, laut Steuerschätzung sollen sie bis 2025 um | |
| jährlich 2,8 Prozent steigen. | |
| Soweit die grundsätzliche Ausgangslage, die trotz allen Säbelrasselns | |
| eigentlich nicht nach einem längeren Arbeitskampf aussieht, der über ein | |
| paar Warnstreiks hinausgeht. Aber es gibt einen Haken: Verkompliziert | |
| werden die Tarifverhandlungen diesmal allerdings dadurch, dass die | |
| Arbeitgeberseite zwar nicht mit einem Angebot, aber dafür mit einer | |
| Forderung in die Gespräche geht: Mit Nachdruck verlangt sie von den | |
| Gewerkschaften, dass sie sich bereit erklären, per Tarifvertrag ein Urteil | |
| des Bundesarbeitsgerichts zum „Arbeitsvorgang“ auszuhebeln. | |
| Dabei geht es um die Frage, welchen Stellenwert bestimmte Tätigkeiten für | |
| die Eingruppierung von Beschäftigten haben. Was nach einem drögen | |
| Verwaltungsdetail klingt, sorgt konkret gerade für mächtigen Ärger im | |
| Justizbereich. Denn dort erstreckt sich mittlerweile die Arbeit von | |
| Justizfachangestellten über ein breites Feld von eher anspruchslosen bis zu | |
| komplexeren Tätigkeiten, also von Sortierarbeiten in der Poststelle bis zur | |
| finalen Bearbeitung einer Akte. | |
| ## Umstrittene Neubewertung des „Arbeitsvorgangs“ | |
| Im Fall einer Berliner Justizfachangestellten hat nun unlängst [2][das | |
| Bundesarbeitsgericht entschieden], dass entgegen der bisherigen Praxis eine | |
| höhere Eingruppierung zu erfolgen hat, wenn die Arbeit neben mehrheitlich | |
| einfachen auch schwierigere Tätigkeiten „in rechtserheblichem Ausmaß“ | |
| beinhaltet, wofür bereits ein Anteil von 15 Prozent ausreichend sein kann. | |
| Für die Länder droht diese gerichtliche Bewertung des Arbeitsvorgangs teuer | |
| zu werden, sehen sie sich doch inzwischen mit Tausenden solcher | |
| Eingruppierungsklagen konfrontiert. | |
| Deswegen haben die Länder einerseits Verfassungsbeschwerde gegen das | |
| Karlsruher Urteil eingelegt, versuchen jedoch andererseits auf dem | |
| Verhandlungswege eine Kostenreduzierung zu erreichen. „Wir wollen niemandem | |
| etwas wegnehmen, sondern nur den Konsens wiederherstellen, den es bei der | |
| Bewertung des Arbeitsvorgangs lange gab“, versicherte der | |
| TdL-Verhandlungsführer Reinhold Hilbers gegenüber dem Handelsblatt. | |
| Doch genau daran hat die Gewerkschaftsseite erhebliche Zweifel. Sie zeigt | |
| sich zwar gesprächsbereit, eine gemeinsame Lösung für das konkrete Problem | |
| im Justizbereich zu finden, lehnt aber eine generelle Vereinbarung für den | |
| gesamten öffentlichen Dienst strikt ab, wie es die Länder fordern. Denn das | |
| könnte zu einer generellen Neubewertung des Arbeitsvorgangs führen. | |
| Die Folgen könnten Herabgruppierungen von vielen Beschäftigten sein, die | |
| dann weniger verdienen würden als heute, befürchtet das für den | |
| öffentlichen Dienst zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. | |
| „Das werden wir natürlich nicht zulassen“, gibt sich Behle kämpferisch und | |
| spricht von einem „ganz dicken Konflikt“. Verdi könne hier „überhaupt n… | |
| nachgeben“. | |
| 8 Oct 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verdi-Bundeskongress-in-Leipzig/!5626392 | |
| [2] https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/4-azr-195-20/ | |
| ## AUTOREN | |
| Pascal Beucker | |
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