| # taz.de -- Neue Steuerschätzung: Weniger Einnahmen, trotz Erholung | |
| > Die Staatseinnahmen steigen wieder, laut aktueller Steuerschätzung. Für | |
| > die Pläne der neuen Regierung dürften sie trotzdem nicht reichen. | |
| Bild: Mehr Geld in der Kasse | |
| Berlin taz | Anderthalb Jahre nach Beginn der Coronakrise erholen sich die | |
| Steuereinnahmen allmählich. So kann der Bund in diesem Jahr mit 11 | |
| Milliarden Euro mehr rechnen als bei der Steuerschätzung im vergangenen Mai | |
| angenommen. Die höhere Prognose verkündeten die Expertinnen und Experten | |
| von Finanzministerien und Forschungsinstituten an diesem Donnerstag. | |
| Die Aussichten für die neue Bundesregierung werden damit etwas besser, zur | |
| Finanzierung der nötigen Investitionen dürften die Mittel trotzdem nicht | |
| reichen. | |
| [1][Im Vergleich zur Mai-Schätzung] darf die Bundesregierung 2022 mit 14 | |
| Milliarden Euro mehr kalkulieren. Das Plus bis 2025 soll sich auf 72 | |
| Milliarden summieren. Die Bundesländer erhalten dieses Jahr 22 Milliarden | |
| mehr, 2022 sollen es 16 Milliarden sein. Insgesamt erhält der Staat nach | |
| dieser Prognose bis 2025 etwa 180 Milliarden Euro zusätzlich im Vergleich | |
| zur Berechnung vom Mai. | |
| Die vergleichsweise guten Zahlen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, | |
| dass die Einnahmen noch weit hinter dem Normalzustand vor Corona | |
| zurückbleiben. Ein Beispiel: Im November 2019 prognostizierten die | |
| Schätzerinnen und Schätzer für 2021 Steuern von insgesamt 845 Milliarden | |
| Euro für Bund, Länder und Gemeinden. Jetzt sind es wohl 33 Milliarden | |
| weniger. Hier zeigen sich die Verluste der Kontaktbeschränkungen und | |
| Geschäftsschließungen während der Pandemie. | |
| ## Nach dem Winter könnte ein Boom folgen | |
| Der Zuwachs bei den Steuern spiegelt jetzt die Erholung der Wirtschaft. | |
| Gerade erst haben die Wirtschaftsweisen ein Wachstum von 2,7 Prozent für | |
| 2021 und erstaunliche 4,6 Prozent im kommenden Jahr prognostiziert. Die | |
| Unternehmen produzieren auf Hochtouren, wenngleich Lieferschwierigkeiten | |
| unter anderem aufgrund von Knappheiten von Vorprodukten und Rohstoffen | |
| dazwischenkommen. Der Dienstleistungssektor – beispielsweise Restaurants | |
| und Freizeiteinrichtungen – arbeiten wieder halbwegs normal. Setzt sich der | |
| Aufschwung fort, könnte es nach dem Winter zu einem Boom kommen. | |
| „Diese Steuerschätzung bestätigt unseren Kurs und macht Mut für die | |
| Zukunft“, sagte Noch-Finanzminister Olaf Scholz (SPD). „Die Hilfspolitik | |
| war goldrichtig“, fügte der möglicherweise nächste Bundeskanzler hinzu. | |
| Trotz Coronakrise sei Deutschland „finanziell gut aufgestellt“. | |
| Trotz besserer Aussichten [2][dürfte die Finanzlage der neuen | |
| Bundesregierung ab dem kommenden Jahr aber heikel werde]n. Einerseits muss | |
| die Koalition zurechtkommen mit den wegen Corona grundsätzlich niedrigeren | |
| Einnahmen. Bis dieser Effekt überwunden ist, dürfte es dauern. | |
| Zweitens will Scholz ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten, die die | |
| Kreditaufnahme eng begrenzt. Auch das Sondierungsergebnis von SPD, Grünen | |
| und FDP deutet in diese Richtung. | |
| Und drittens bereiten die drei Parteien umfangreiche Pläne für die | |
| Modernisierung von Wirtschaft und öffentlicher Infrastruktur vor. | |
| Schätzungen kommen auf einen Investitionsbedarf von etwa 50 Milliarden Euro | |
| pro Jahr. | |
| Woher diese Summen kommen sollen, ist auch vor dem Hintergrund der neuen | |
| Steuerschätzung noch ausgesprochen unklar. Deshalb unterhalten sich die | |
| Verhandlerinnen und Verhandler der neuen Koalition über kreative Arten der | |
| Geldbeschaffung. Eine davon: Öffentliche Unternehmen wie die Deutsche Bahn | |
| AG oder Institutionen wie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) | |
| könnten Kredite aufnehmen, die sich nicht im Bundeshaushalt als Schulden | |
| niederschlagen. | |
| 11 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Steuerschaetzung-fuer-2021/!5772151 | |
| [2] /Streit-in-Koalitionsverhandlungen/!5810555 | |
| ## AUTOREN | |
| Hannes Koch | |
| ## TAGS | |
| Steuern | |
| Staat | |
| Haushalt | |
| Olaf Scholz | |
| Ampel-Koalition | |
| Frank Werneke | |
| Steuerschätzung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Steuerschätzer erwarten Wirtschaftsboom: Strategische Spielräume eröffnen | |
| Die Steuerschätzung prophezeit steigende Einnahmen. Doch für die nötigen | |
| Investitionen wird das allein nicht reichen. | |
| Öffentlicher Dienst der Länder: Hoffnung auf 5 Prozent mehr | |
| Die Tarifverhandlungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder | |
| starten. Noch liegen Gewerkschaften und Arbeitgeber weit auseinander. | |
| Steuerschätzung für 2021: Baerbock für Tempo statt Bremse | |
| Die neueste Steuerschätzung ergibt ein leichtes Plus. Olaf Scholz will die | |
| Schuldenbremse ab 2023 wieder einhalten – die Grünen widersprechen. |