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# taz.de -- Verdi-Bundeskongress in Leipzig: Werneke gibt sich kämpferisch
> Der neue Gewerkschaftschef fordert einen „Umbau von Wirtschaft und
> Gesellschaft“. Der Plan: eine ökologische Energie-, Verkehrs- und
> Agrarwende.
Bild: Verdi-Chef Frank Werneke will eine „ökologische Transformation, bei de…
Leipzig taz | Die Abwechslung auf dem Bundeskongress der
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Leipzig war nur kurz. Am
Mittwochnachmittag zogen mehrere Dutzend jugendliche VerdianerInnen
singend und Fahnen schwingend in den Saal ein. Ihr Anliegen: radikale
Arbeitszeitverkürzung! Für eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und
Personalausgleich solle Verdi eintreten.
Auch wenn die Delegierten mit wohlwollenden Applaus ihre Dankbarkeit
zeigten, für ein paar Minuten aus ihrem Beratungsmarathon gerissen worden
zu sein: Deutschlands zweitgrößte Gewerkschaft wird sich diese Forderung
erst mal nicht zu eigen machen.
Gleichwohl ließ [1][ihr neugewählter Vorsitzender Frank Werneke] in seiner
ersten Grundsatzrede keinen Zweifel daran, dass Verdi auch unter seiner
Führung weiterhin den Anspruch hat, die linkeste Gewerkschaft Deutschlands
zu sein. So sprach sich der 52-jährige Nachfolger von Frank Bsirske für
nicht weniger als einen „massiven Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“
aus.
In seiner mehr als einstündigen Rede am Mittwochmorgen fanden sich viele
altbekannte Forderungen – von der Wiedereinführung der Vermögenssteuer bis
zur Überwindung von Hartz IV („Herumreparieren reicht nicht!“). Aber
Werneke setzte auch einige neue Akzente.
Beispiel Wohnungspolitik: Spekulationen mit Grund und Boden müssten
bekämpft werden, forderte er. Wenn anderes nichts nütze, müsse das
Spekulantentum auch „mit Enteignungen angegangen werden“.
Zusätzlich müssten jährlich 100.000 neue Sozialwohnungen gebaut werden.
Doch das alleine reiche nicht, um der Wohnungsmisere wirkungsvoll zu
begegnen. Auch gehe es darum, die Marktmacht der rein profitorientierten
privaten Wohnungskonzerne zugunsten öffentlicher und genossenschaftlicher
Wohnungsbaugesellschaften einzuschränken.
Ausdrücklich begrüßte Werneke den Mietendeckel, wie ihn die rot-rot-grüne
Landesregierung in Berlin plant. „Wohnen ist ein soziales Grundrecht, das
nicht der Logik des Marktes unterworfen werden darf“, sagte er.
Großen Raum nahm außerdem die Klimapolitik ein. [2][Wie schon sein
Vorgänger Bsirske] stellte sich auch Werneke an die Seite der Fridays for
Future, mit der Verdi „auch in der kommenden Zeit eng zusammenarbeiten“
werde. „Wir brauchen jetzt eine ökologische Energie-, Verkehrs- und
Agrarwende“, forderte er. Erforderlich sei eine „ökologische
Transformation, bei der es sozial gerecht zugeht“. Das von der Großen
Koalition beschlossene Klimapaket bezeichnete er als „eine klare
Enttäuschung“.
Scharf verurteilte Werneke, dass die allermeisten Regierungen Europas statt
auf die Bekämpfung von Fluchtursachen immer stärker auf Abschottung sowie
die Abschreckung und Abschiebung geflüchteter Menschen setzten. „Damit wird
von den Regierenden tausendfach das Sterben vor den Küsten Europas
billigend in Kauf genommen“, empörte er sich. „Diese menschenverachtende
Abschottungspolitik der Europäischen Union verurteilen wir zutiefst!“ Die
Solidarität von Verdi gehöre demgegenüber den Menschen in Not und den
Menschen, die auf der Flucht sind.
Deutliche Worte fand Werneke auch für die AfD. In der Partei seien
„rechtsextreme Sozialpopulisten“ am Werk. Wenn es um Arbeitsplätze,
bezahlbaren Wohnraum und soziale Sicherung gehe, versuchten sie,
Einheimische gegen Geflüchtete zu treiben. Statt die Armut der Ärmsten zu
bekämpfen, werde Ängste, Neid und Hass geschürt. Deshalb seien sie
„Täuscher“.
In der Realität verlaufe der Verteilungskonflikt „nicht zwischen Menschen
unterschiedlicher Herkunft, sondern zwischen oben und unten, zwischen
Kapital und Arbeit“, sagte Werneke unter großem Beifall. Verdi stehe „für
eine freie solidarische Gesellschaft, in der die Menschen gleich welchen
Glaubens, gleich welcher Herkunft materiell, kulturell und politisch
teilhaben können“.
Als erster Gewerkschaftschef schloss sich Werneke der Forderung nach einem
Paritätsgesetz an. „Wir wollen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an
politischen Mandaten“, sagte er.
Verdi selbst geht dabei mit gutem Beispiel voran – und übererfüllt bereits
die Quote: Von den 932 Bundeskongressdelegierten, die noch bis zum Samstag
in der Leipziger Messe tagen, sind 557 weiblich. Dem am Dienstag gewählten
Bundesvorstand gehören sechs Frauen und nur drei Männer an.
25 Sep 2019
## LINKS
[1] /Verdi-Bundeskongress-in-Leipzig/!5625172
[2] /Frank-Bsirske-ueber-Klimastreiks/!5621168
## AUTOREN
Pascal Beucker
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