| # taz.de -- Personalnot am Hamburger Amtsgericht: Lange Wartezeit für Gerichts… | |
| > Unbesetzte Stellen und Aktenberge: Dem Amtsgericht Hamburg fehlt | |
| > Personal. Besserung ist nicht in Sicht. Das Problem hat nicht nur | |
| > Hamburg. | |
| Bild: Zeitnah wird das nichts mit der Bearbeitung: Akten auf einem Gerichtstisch | |
| Hamburg taz | Das Hamburger Amtsgericht kommt bei der Bearbeitung der | |
| eingehenden Fälle nicht mehr hinterher. Es gibt [1][zu wenig Personal]. | |
| Betroffen sind sensible Bereiche wie Unterhalts-, Vormundschafts- oder | |
| Mietklagen. Kläger:innen müssen Monate auf einen Gerichtstermin warten – | |
| wenn ihr Fall vom Amtsgericht nicht als eilig eingestuft wird. Das Gericht | |
| zeigt sich einsichtig, stellt jedoch keine zeitnahe Besserung in Aussicht. | |
| „Es ist schlicht und ergreifend eine Katastrophe“, erzählt Rechtsanwältin | |
| Waltraud Zink der taz. Sie berät für den Mieterverein zu Hamburg | |
| Mieter:innen bei Rechtsstreitigkeiten. Eingereichte Klagen würden nicht | |
| weitergegeben, Schriftsätze viel zu spät versandt. „Früher war eine | |
| einfache Mietsache in einem dreiviertel Jahr durch, inzwischen habe ich | |
| Sachen, die sich seit zwei Jahren ziehen.“ | |
| Dem Personal an den Gerichten möchte Zink keinen Vorwurf machen, die seien | |
| selbst an der Belastungsgrenze oder darüber hinaus. Gehe man durch die | |
| Flure eines Gerichtsgebäudes, werde die Situation deutlich: Oft sei nur ein | |
| Viertel der Arbeitsplätze besetzt. | |
| Für betroffene Mieter:innen ziehe sich mit den lang andauernden | |
| Verfahren auch die psychische Belastung enorm in die Länge, sagt Zink. Der | |
| Zugang zu Prozesskostenhilfe sei durch die Personalprobleme ebenfalls | |
| erschwert. „Das heißt, Menschen mit weniger Geld haben höhere Hürden, bis | |
| sie endlich ihre Ansprüche geltend machen können.“ Ist ein Rechtsstreit | |
| dann gewonnen, dauert die Zwangsvollstreckung deutlich länger, wenn | |
| beispielsweise Vermietende trotz Urteil die Mietkaution nicht zurückzahlen | |
| – und das komme durchaus regelmäßig vor. | |
| ## Personalmangel dauert über Monate an | |
| Eine „Kapitulation der Justiz“ nennt Christian Lemke, Präsident der | |
| Rechtsanwaltskammer Hamburg, die Situation am Amtsgericht in einem | |
| Schreiben an die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Menschen, | |
| die unbedingt auf die Bearbeitung ihrer Fälle angewiesen seien, dürften | |
| nicht monatelang hingehalten werden. | |
| Ausgangspunkt für das Schreiben an die Senatorin ist eine Stellungnahme von | |
| Julia Kaufmann, Direktorin des Zivilsegments am Amtsgerichts. In dieser | |
| geht es unter anderem um eine über Monate andauernde [2][kritische | |
| Personalsituation], um Aktenberge und um die Priorisierung der Anfragen | |
| nach Dringlichkeit. | |
| Eine schnelle Besserung der Personalprobleme stellt das Amtsgericht nicht | |
| in Aussicht. Die Bewerbungslage sei durchweg schlecht, es mangele sowohl an | |
| Quereinsteigenden als auch an Auszubildenden. Dennis Sulzmann, Sprecher der | |
| Justizbehörde, erklärt: „Aufgrund des demografischen Wandels und der großen | |
| Besetzungsnot hat die Justizbehörde die Ausbildung schon 2016 aufgestockt | |
| und 2018 noch mal verstärkt.“ | |
| Seitdem habe man jedes Jahr Ausbildungsplätze für 40 | |
| Justizsekretär:innen sowie 20 Justizfachangestellte. In der aktuellen | |
| Legislaturperiode seien außerdem 71 Stellen für Richter:innen, | |
| Staatsanwält:innen, Rechtspfleger:innen, Geschäftsstellenmitarbeitende und | |
| Justizwachtmeister:innen neu geschaffen worden. | |
| Die neuen Stellen und Ausbildungsplätze zu besetzen ist derweil die Hürde, | |
| an der die Justizbehörde scheitert. Dabei wurden die Bewerbungsverfahren | |
| bereits vereinfacht und die Ausbildungen lassen sich teils im Eiltempo | |
| innerhalb eines halben Jahres absolvieren. | |
| Weil das alles nicht ausreicht, bemüht sich die Justizbehörde auch mit | |
| Hilfe von Werbekampagnen um neues Personal. Bereits im September 2022 hatte | |
| Amtsgerichtspräsident Hans-Dietrich Rzadtki die Lage als „desolat“ | |
| bezeichnet, trotz Ausbildungsoffensive gebe es weniger Fachpersonal. Die | |
| Folge: Aktenberge. | |
| ## Deutscher Richterbund meldete sich schon vor einem Jahr | |
| Die Diagnose Personalmangel ist indes nicht allein ein Hamburger Problem. | |
| Der Deutsche Richterbund hatte bereits vor einem Jahr auf die kritische | |
| Personallage im Rechtssystem hingewiesen und dabei eine zu langsame | |
| Umsetzung des sogenannten Bund-Länder-Paktes für den Rechtsstaat | |
| kritisiert. Der Pakt für den Rechtsstaat wurde noch unter der CDU-Kanzlerin | |
| [3][Angela Merkel] in Zusammenarbeit mit den Ministerpräsident:innen | |
| der Länder im Januar 2019 beschlossen. Der Bund stellte den Ländern 220 | |
| Millionen Euro für die Aufstockung des Personals in Aussicht. | |
| Die mit dem Geld geschaffenen Stellen und Ausbildungsplätze sind nun zwar | |
| da, wie in Hamburg fehlen jedoch vielerorts die Quereinsteiger:innen | |
| oder Auszubildenden. | |
| „Gerade in einer Zeit, in der wir aktiv das Vertrauen in den Staat, die | |
| Demokratie und den liberalen Rechtsstaat stärken müssen, muss die | |
| Ausstattung der Justiz noch mehr in den Fokus genommen werden“, fordert | |
| Sulzmann. | |
| Für eines, erzählt Anwältin Zink, sei sie in der aktuellen Lage jedoch | |
| dankbar: Die Räumungsklagen „gegen alte Mieter“, die zugenommen hätten, | |
| könnten aktuell vom Amtsgericht oft nicht schnell behandelt werden. | |
| „Dadurch kann ich die Mieter länger in den Mietverhältnissen halten und | |
| besser schützen.“ Besetzte statt offenen Stellen und wieder einen | |
| schnelleren Zugang zum Recht für ihre Klient:innen wären der Anwältin | |
| natürlich noch ein bisschen lieber. | |
| 9 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Niklas Berger | |
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