# taz.de -- Plädoyer im Prozess gegen Franco A.: Anwalt spricht von „Woke-Tr… | |
> Im Prozess gegen den Bundeswehr-Offizier hält die Verteidigung ihre | |
> Plädoyers. Ein Anwalt geht Anklage und Gericht hart an. | |
Bild: Franco A. (l) und sein Anwalt Moritz Schmitt-Fricke im Gerichtssaal in Fr… | |
FRANKFURT/MAIN taz | Am Ende fasst sich der Angeklagte überraschend kurz. | |
Franco A. hat am Freitag das letzte Wort vor der Urteilsverkündung, so will | |
es die Strafprozessordnung. Den gesamten Prozess hat er ausschweifend | |
geredet, aber jetzt sagt er nur ein paar Sätze. Er beugt sich zum Mikrofon | |
vor: „Ich habe viel gelernt“, sagt er. Er habe im Laufe des Prozesses viele | |
schmerzhafte Erfahrungen gemacht und manche Ansicht neu einordnen müssen. | |
Dass das Verfahren so lange gedauert hat, sei auch sein Fehler gewesen. | |
Der Bundeswehroffizier [1][Franco A. steht wegen Rechtsterror vor dem | |
Oberlandesgericht Frankfurt.] Er hat mehr als ein Jahr ein Doppelleben als | |
syrischer Flüchtling geführt und sich illegal Waffen und Munition | |
beschafft. Die Bundesanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass er aus | |
einer rassistischen und völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus | |
Anschläge geplant hat. Sie fordert sechs Jahre und drei Monate Haft. Am | |
kommenden Freitag soll das Urteil fallen. | |
Dass die Verteidigung die Beweisaufnahme anders bewertet, ist keine | |
Überraschung. Dass ein Verteidiger aber in seinem Schlussplädoyer sowohl | |
die Anklagebehörde, den Senat und die Medien gleichermaßen mit heftigen | |
Unterstellungen angreift, ist zumindest ungewöhnlich. Moritz Schmitt-Fricke | |
setzt in seinem gut einstündigen Vortrag im großen Saal 165C die Linie | |
fort, mit der er vor mehr als einem Jahr den Prozess begonnen hatte. | |
Er stellt Franco A. als Opfer dar, an dem ein Exempel statuiert werden | |
sollte, weil er das „staatliche Unrecht“ der deutschen Asylpolitik | |
aufgedeckt habe. „Eine Summe von Merkwürdigkeiten macht noch keinen | |
Terroristen“, sagt er. Es gehe darum, „einem Menschen gerecht zu werden, | |
der in keine Schubladen passt und bei dem alle Schablonen versagen“. Die | |
Richter:innen verfolgen seine fast anderthalb Stunden andauernden | |
Ausführungen zwischendurch erkennbar irritiert. | |
## Sichtliche Irration im Gerichtssaal | |
Das Gericht dürfe nicht unter einem angeblichen medialen Druck einknicken, | |
sagt der Anwalt. Er redet sich in Rage. Es gehe deutlich zu weit, Angela | |
Merkel „unterschwellig eine Unfehlbarkeit in außenpolitischen Dingen zu | |
unterstellen“, sagt er. „Die Unterscheidung zwischen einem | |
Staatsschutzsenat und einem Woke-Tribunal war nicht immer klar erkennbar.“ | |
„Das habe ich akustisch nicht verstanden“, sagt der Vorsitzende Richter. | |
Der Verteidiger buchstabiert „W-O-K-E“. Der Begriff beschreibt eigentlich | |
eine Sensibilität für Rassismus, Sexismus oder andere Diskriminierungen, | |
ist in jüngster Zeit aber zu einem rechten Kampfbegriff geworden, um | |
gesellschaftlich progressive Positionen zu diskreditieren. Die | |
Bundesanwaltschaft bezeichnet Schmitt-Fricke als „heilige römische | |
Inquisition“, die mit Durchstechereien an die Presse den Prozess medial | |
angeheizt habe. Konkrete Beispiele oder Belege nennt er nicht. | |
Schmitt-Fricke geht in seinem Plädoyer auch auf Franco A.s Auftritt beim | |
„Preußenabend“ in München ein. Er spricht aber lediglich von einem | |
„Gesprächskreis“ und erwähnt nicht, dass es sich dabei um eine rechtsoffe… | |
Veranstaltung handelt, auf der schon Holocaust-Leugner geladen waren. Auf | |
den Vortrag habe sich Franco A. monatelang vorbereitet, viele der | |
Sprachmemos seien in diesem Zusammenhang entstanden. | |
Was der Anwalt nicht sagt: [2][Franco A. schwor in seinem Vortrag im | |
Dezember 2016, wenige Wochen bevor er eine geladene Pistole im Wiener | |
Flughafen deponiert, das Publikum auf einen Kampf ein.] So geht es aus dem | |
Redemanuskript vor, das der taz vorliegt. Und er sagte demnach auch: „Ich | |
bin Anti-Semit. Weil ich nicht toleriere, dass eine Gruppe die Opferrolle | |
für ewig gepachtet hat. Der Holocaust darf den Genozid des Patriarchats | |
nicht rechtfertigen. Sei Anti-Semit!“ | |
## „Feindesliste“ überinterpretiert? | |
Wie zuvor Franco A. selbst führt Schmitt-Fricke mehrfach den | |
rechtsesoterischen Autor David Icke an. Und er betont, dass der Hellseher | |
Alois Irlmaier einen dritten Weltkrieg vorausgesagt habe. Vor diesem | |
Hintergrund sei es nachvollziehbar gewesen, dass sich Franco A. mit Waffen | |
eindeckte. Nur zur Verteidigung, nicht für einen Anschlag. Schließlich sei | |
seine Kaserne auch durch Islamisten ausgespäht worden. Seine „Feindesliste“ | |
werde völlig überinterpretiert und sei eher eine „To-do-Liste“ oder | |
„Rechercheliste“ gewesen. | |
„Franco A. sei äußerst friedliebend und habe höchstens zivilen Ungehorsam | |
im Sinn gehabt, sagt Schmitt-Fricke. Er zitiert seinen Mandanten mit den | |
Worten: „Es muss immer die Liebe im Zentrum stehen“. Schmitt-Fricke stellt | |
in seinem Plädoyer zwischendurch auch noch zwei Beweisanträge, von denen er | |
einen gleich wieder zurücknimmt, weil das fragliche Dokument längst in den | |
Prozess eingeführt war. Er fordert eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und | |
sechs Monaten. | |
Auch Franco A.s zweiter Verteidiger Johannes Hock fordert, Franco A. nicht | |
wegen der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ zu | |
verurteilen. Aber er trägt das völlig anders vor: Knapp, ruhig und | |
sachlich, in einem fast väterlichen Ton. Hock führt aus, dass der Paragraf | |
89a des Strafgesetzbuches ein schwieriger sei, weil er die Tat weit in die | |
Vorbereitung hinein bewerte und damit Gefahr laufe, zum | |
Gesinnungsstrafrecht zu werden. | |
## Hat es den Masterplan des Elitesoldaten gar nicht gegeben? | |
Man könne das Beweismaterial so würdigen, wie es die Bundesanwaltschaft | |
getan habe, führt Hock aus. Man könne aber auch zu einem völlig anderen | |
Schluss kommen. Es lasse sich eben nicht zweifelsfrei herleiten, dass | |
Franco A. den festen Entschluss hatte, zu töten. Er habe ihn als | |
selbstbewussten, leistungsorientierten jungen Mann kennengelernt, der seine | |
Ziele nicht verberge, der immer alles hinterfrage. „Ich habe mich gefragt: | |
Wie würde ein Plan aussehen?“ Es wäre wohl ein sehr detaillierter Plan, | |
sagt Hock, der Masterplan eines Elitesoldaten. Aber den habe es eben nicht | |
gegeben. | |
Der Angeklagte schließt sein letztes Wort damit, dass er nun schnell zu | |
seinen Kindern wolle. Sie sollten einen sicheren Hafen haben, um ein | |
selbstbestimmtes Leben zu führen. Franco A. sagt: „Falls jemand fragt, was | |
ich in Zukunft vorhabe: Hausmann und Vater.“ | |
8 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
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