| # taz.de -- Slowenien nach Janša: Er ist dann mal weg | |
| > Das Land steuerte auf eine illiberale Demokratie zu. Nun ist die | |
| > Regierung Golob im Amt. Vor allem die Frauen im Land atmen auf. | |
| Bild: Protest auf dem Platz der Repbulik, 19.06.2020 | |
| Die Höhle im slowenischen Karst ist größer als der Innenraum einer | |
| Kathedrale, doch Damir Imamović schafft es trotzdem, den Raum [1][mit | |
| seinem Gesang] zu erfüllen. Er singt Sevdah, melancholische Liebeslieder | |
| aus Bosnien-Herzegowina, die ein bisschen an portugiesischen Fado erinnern. | |
| Imamović ist ein kräftiger, bäriger Mann, er ist populär in Slowenien – in | |
| seiner Heimat, in Bosnien-Herzegowina, kämpft er öffentlich für die Rechte | |
| von LGBTI, was ihm regelmäßig Anfeindungen einbringt. | |
| Es ist kalt in der Höhle von Divača unweit der slowenischen Küste, doch | |
| wenn man wieder hinaufsteigt, ist es ein so warmer Sommerabend, dass die | |
| Brille beschlägt. Hier läuft das Sanje-Festival. Die Mitarbeiter des | |
| gleichnamigen Verlags, der die Veranstaltung ausrichtet, haben nicht nur | |
| Büchertische aufgebaut, sondern auch Flaschen mit Teran-Wein geöffnet und | |
| ein großes Feuer angezündet, Bänke stehen darum. | |
| Aufwärmen ist also wirklich kein Problem und auch sonst ist es eigentlich | |
| recht kommod in dem kleinen Land zwischen Alpenglühen und Adriablau, in | |
| dem man stolz darauf ist, dass sich queere Menschen hier vergleichsweise | |
| sicher fühlen können und die Wirtschaft floriert. Die Schweiz des Balkans, | |
| so heißt es – auch wenn die Slowen*innen sich lieber als | |
| Mitteleuropäer*innen sehen. Zumindest die meisten von ihnen. | |
| Eva Križaj zum Beispiel, eine Studentin der Medienwissenschaft, Mitte 20, | |
| groß und blond: „Ich bin erleichtert, dass wir nun eine neue Regierung | |
| haben – auch wenn ich enttäuscht bin, dass Robert Golob nun doch wieder mit | |
| den bisherigen Parteien koaliert. Dann geht doch das alte Spiel weiter.“ | |
| Robert Golob, ein ehemaliger Energiemanager, ist der Mann an der Spitze | |
| sowohl der neuen Freiheits-Partei Svoboda als auch der neuen slowenischen | |
| Mitte-links-Regierung, zu der die Sozialdemokraten (SD), die Linkspartei | |
| Levica sowie die Listenparteien zweier ehemaliger | |
| Ministerpräsident*innen gehören. | |
| Die Studentin steht mit ihrer skeptischen Haltung für viele Slowen*innen, | |
| um deren Zukunft es geht: Wird es nun endlich was mit der noch jungen | |
| Demokratie des Landes? Und werden sie sich in diesem Land ein Leben | |
| aufbauen können – mit Haus, Auto, Urlaubsreisen? | |
| Die slowenischen Karsthöhlen sollen Dante zu seinem Inferno inspiriert | |
| haben, und zuletzt erschien es vielen Slowen*innen so, als wären sie | |
| tatsächlich dort gelandet, nämlich in der Hölle, verwaltet von Janez Janša. | |
| Der rechtspopulistische Ministerpräsident hatte seine nun bereits dritte | |
| Amtszeit ausgerechnet zu Beginn der Coronapandemie angetreten, nachdem die | |
| liberale Vorgängerregierung auseinandergebrochen war. Sein Volk hatte er | |
| fortan regelrecht in der Mangel: Es setzte im ganzen Land Ausgangssperren, | |
| ab 21 Uhr durften die jeweiligen Regierungsbezirke nicht verlassen werden. | |
| Regiert wurde im Ausnahmezustand, mit Dekreten und Hassbotschaften auf | |
| Twitter. | |
| Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, die Chefinnen des Militärs | |
| – Alenka Ermenc war die erste Befehlshaberin eines Nato-Mitglieds überhaupt | |
| – und der Polizei zu feuern und durch treue Gefolgsmänner zu ersetzen. Doch | |
| das war nur der Auftakt, es folgten viele weitere Entlassungen, und | |
| besonders in den Kulturinstitutionen des Landes gab es einen regelrechten | |
| Kulturkampf, nämlich gegen „kulturellen Marxismus“. Für internationales | |
| Aufsehen sorgte zudem die Drangsalierung des öffentlich-rechtlichen Senders | |
| RTV und der nationalen Presseagentur STA. | |
| Janša gilt als Freund und [2][Westentaschenversion von Ungarns | |
| Ministerpräsident Viktor Orbán], zuletzt sorgte er für Aufsehen durch | |
| [3][eine irrlichternde Zugreise] mit seinen Kollegen aus Polen und | |
| Tschechien nach Kiew. Und durch seine erneute rechtskräftige Verurteilung, | |
| dieses Mal nicht aufgrund von Korruption, sondern wegen Beleidigung: Auf | |
| Twitter hatte er zwei bekannte Journalistinnen als „ausgediente | |
| Prostituierte“ bezeichnet. | |
| Misogynie zog sich als Leitmotiv durch die letzte Amtszeit Janšas, und das | |
| Aufbegehren gegen selbige ist nun zum Symbol für den Aufbruch geworden: Zu | |
| den vom Fernsehen live übertragenen Festlichkeiten zum Nationalfeiertag | |
| trug die neue (und erste) Parlamentspräsidentin Urška Klakočar Zupančič | |
| demonstrativ rote High Heels, als sie im Abendkleid über den Kongress-Platz | |
| in Ljubljana schritt – und erntete frenetischen Applaus. Noch zu | |
| Wahlkampfzeiten war sie von rechten und konservativen Politikern sexistisch | |
| beleidigt worden für das Tragen eben dieser Schuhe und auch dafür, ein | |
| Tattoo zu haben. Nicht nur die Frauen ihrer Svoboda-Partei solidarisierten | |
| sich, sondern auch viele andere Frauen im Parlament und in den Ministerien. | |
| Alle trugen rote Schuhe. Im neuen Parlament sitzen nun 37 Prozent Frauen, | |
| der Frauenanteil bei den Minister*innen beträgt stolze 43 Prozent. | |
| Eine von ihnen ist die sozialdemokratische Außenministerin Tanja Fajon. Sie | |
| empfängt in einem Besprechungszimmer der sozialdemokratischen Fraktion, | |
| zwischen schweren, repräsentativen Möbeln und hohen Bücherwänden. Es ist | |
| ein heißer Tag Ende Juni, sie trägt ein rotes Kleid, hat wie die | |
| Parlamentspräsidentin ein kleines Tattoo (am Unterarm) und beides spielt | |
| schlicht keine Rolle. Im letzten Jahr hatte die Frau, die von 2009 bis 2022 | |
| für Slowenien im Europaparlament gesessen hat, nicht an den offiziellen | |
| Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag teilgenommen: „Ich war auf der anderen | |
| Seite der Absperrung, bei der Zivilgesellschaft“, sagt Tanja Fajon, „und | |
| was ich Janša wirklich vorwerfe, ist, dass unsere Gesellschaft nun | |
| gespaltener ist als je zuvor“. | |
| Fajons dunkle BMW-Limousine wartet bereits vor dem Parlamentsgebäude in | |
| Ljubljana, die Ministerin ist auf dem Sprung zum Nato-Gipfel in Madrid. | |
| Vergangenen September hatte die mit Reliefs verzierte Fassade des | |
| Parlaments gebrannt, radikale Impf- und Coronamaßnahmengegner hatten sie | |
| attackiert. Auf dem Vorplatz fanden hingegen friedliche, aber dafür um so | |
| hartnäckigere, [4][Monate andauernde Demos auf Fahrrädern] statt. So hatte | |
| die für die Rettung der Demokratie kämpfende Zivilgesellschaft das | |
| Coronaversammlungsverbot umgehen können. | |
| Beim Nato-Gipfel in Madrid wird es am Nachmittag um den Krieg in der | |
| Ukraine gehen, am Freitag fliegt Tanja Fajon nach Berlin – auch dies ein | |
| Zeichen, denn die neue Außenministerin will das Land in aller Deutlichkeit | |
| wieder an „Kerneuropa“ anbinden, „Berlin, Paris, Rom, das ist die | |
| Botschaft, die ich senden möchte“. Im Gespräch mit ihrer Amtskollegin | |
| Annalena Baerbock wird es vor allem um den westlichen Balkan gehen, als | |
| deren „Anwalt“ sich Slowenien gerne im europäischen Raum sehen möchte. | |
| Fajon setzt sich für eine rasche Integration dieser Länder in die EU ein, | |
| insbesondere für Bosnien: „Besonders dort ist die Lage gerade sehr | |
| angespannt, die ganze Region ist in Gefahr, ein geostrategischer Spielball | |
| zu werden. Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass unsere | |
| Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht, wenn wir immer nur Versprechungen | |
| machen, die wir nicht einlösen.“ Es folgt ein entschlossener Griff zum | |
| Wasserglas, in der Stille des großen Raums ist nur die Klimaanlage zu | |
| vernehmen. | |
| Olaf Scholz, Annalena Baerbock, Verteidigungsministerin Christine | |
| Lambrecht, alle waren zuletzt auf Balkan-Tour und Fajon findet das gut. | |
| „Es gibt ein Verständnis für die Situation und eine Bereitschaft, sich zu | |
| engagieren. Ich begrüße auch, dass [5][Kanzler Scholz in Belgrad] klar | |
| Position in Bezug auf die Anerkennung des Kosovo bezogen hat, das war ein | |
| starkes Statement.“ | |
| Eine deutliche Botschaft in Richtung Humanität, so die Beschlusslage, | |
| beabsichtigt auch die slowenische Regierung zu senden: Der [6][sogenannte | |
| „Schengen-Zaun“ zwischen Slowenien und Kroatien] soll definitiv abgebaut | |
| werden. „Wir wollen nicht, dass sich Menschen dort am Stacheldraht | |
| verletzen. Und wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem | |
| weiteren Vorgehen beschäftigt.“ | |
| Denn so oder so muss die Schengen-Außengrenze geschützt werden – in der | |
| Woche zuvor hatte sich bereits der österreichische Amtskollege Alexander | |
| Schallenberg bei einem Besuch in Ljubljana besorgt über den geplanten Abbau | |
| gezeigt. In Slowenien hingegen macht man sich eher Sorgen um die | |
| Schengen-widrigen Grenzkontrollen der Österreicher, von denen diese trotz | |
| inländischen Drucks nicht ablassen wollen. Und, ach ja: Der Konflikt mit | |
| dem anderen Nachbarland Kroatien um den Grenzverlauf unter anderem in der | |
| Bucht von Piran ist auch noch immer ungeklärt. Zagreb steht natürlich | |
| ebenfalls auf der Reiseliste von Ministerin Tanja Fajon. | |
| Die To-do-Liste der neuen Regierung ist auch sonst lang, vor allem für die | |
| neue Ministerin für Kultur, Asta Vrečko von der Linken, „Levica“, die nun | |
| sowohl mit den Trümmern von Janšas Kulturkrieg als auch mit den Hoffnungen | |
| der slowenischen Intelligenz konfrontiert ist. Ihr Ministerium liegt direkt | |
| gegenüber der Metelkova, dem bekannten Alternativzentrum Ljubljanas, einer | |
| ehemaligen Kaserne, und dem Museum für Moderne Kunst. Bis vor einigen | |
| Wochen war dieses Ministerium noch von den Leuten belagert, für die es | |
| zuständig ist. Von Kulturschaffenden, die mit allen erdenklichen Mitteln | |
| gegen die von hier betriebene Politik protestierten. | |
| Vrečko hat von ihrem nüchtern gehaltenen Büro bereits mit den | |
| Aufräumarbeiten begonnen, obwohl sie erst drei Wochen im Amt ist: Nicht | |
| weit vom Ministerium dürfen NGOs, Aktivist*innen und Kunstschaffende in | |
| einem Gebäude bleiben, aus dem sie unbedingt vertrieben werden sollten. Und | |
| der von ihrem ungeliebten Vorgänger eingesetzte Direktor des | |
| Nationalmuseums, eigentlich ein IT-Spezialist, ist von alleine | |
| zurückgetreten. Er war im Begriff, eine Ausstellung mit internationalen | |
| Kunstwerken aus dem Besitz einer slowenischen Unternehmerfamilie zu | |
| eröffnen, unter denen sich zahlreiche offenkundige Fälschungen befanden. | |
| Ein veritabler Skandal. Eine qualifizierte Frau wird ihm nachfolgen, eine | |
| Kunsthistorikerin. | |
| Ministerin Asta Vrečko ist in Ljubljana gut bekannt und vernetzt, war aktiv | |
| in der Szene rund um das alternative Kulturzentrum Škuc. Dort hofft man | |
| darauf, dass sie weiterhin um seine Nöte weiß, auch wenn sie ihre Gäste nun | |
| im Ministerium empfängt, den Pressesprecher mit am Tisch. Eine Sekretärin | |
| bringt Kaffee. Vrečko, rötliches halblanges Haar und ebenfalls im | |
| sommerlichen Kleid, versichert, dass sie sich darum bemühen will, den | |
| sozialen Status der Kulturarbeiter zu verbessern, die allzu oft in prekären | |
| Verhältnissen leben und in der Coronazeit keineswegs mit großzügigen | |
| Zahlungen rechnen konnten. | |
| Schwieriger wird es werden, die in der Janša-Zeit gestellten Weichen in den | |
| Personalabteilungen zu korrigieren. „Wir halten uns in dieser Hinsicht an | |
| die Gesetze und Regeln“, sagt Vrečko. Doch selbst wenn sie eine Politik des | |
| „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ betreiben würde, hätte sie Schwierigkeiten, … | |
| viel qualifiziertes Personal auf einen Schlag zu finden, denn insbesondere | |
| in den letzten beiden Jahre sind viele gut ausgebildete Slowen*innen aus | |
| der Kunst- und Kulturlandschaft desillusioniert abgewandert. | |
| Die Daheimgebliebenen indes hoffen auf rasche Veränderungen. Anja Golob, | |
| eine der bedeutendsten Dichterinnen des Landes, fragte zum Beispiel gerade | |
| via offenem Facebook-Brief, was die neue Ministerin angesichts der | |
| Frankfurter Buchmesse im nächsten Jahr zu tun gedenke. Dann nämlich wird | |
| Slowenien Gastland sein, ein Glücksfall für das kleine Land, den es der | |
| vormaligen Leiterin der Nationalen Buchagentur Renata Zamida zu verdanken | |
| hat – die anschließend aber zugunsten eines Nachfolgers von Janšas Gnaden | |
| gehen musste. Asta Vrečko sagt nun, dass sie wirklich alles daransetzen | |
| werde, damit diese „Jahrhundert-Chance“ nicht vorbeizieht – und war berei… | |
| in Frankfurt. | |
| In Astas Vrečkos Zuständigkeit fällt auch die „größte kulturelle | |
| Institution“ des Landes, wie sie es bezeichnet, nämlich der | |
| öffentlich-rechtliche Rundfunksender RTV: „Wir müssen das Vertrauen der | |
| Menschen in den Sender zurückgewinnen“, sagt sie. Im Parlament wird gerade | |
| eine Vorlage erarbeitet, nach der die Verhältnisse in den Rundfunkräten | |
| zulasten der bisher offenkundig doch zu mächtigen Politiker in Richtung der | |
| Mitarbeitenden und der Zivilgesellschaft verschoben werden soll. | |
| In Ljubljana werden nun die Lehren aus den vergangenen zwei Jahren gezogen | |
| – und nach kaltem Dunkel folgt heller, warmer Schein. Die geschasste Renata | |
| Zamida wird das neue Rok-Kulturzentrum leiten, das gerade am Ufer der | |
| Ljubljanica auf dem Gelände einer alten Fahrradfabrik hochgezogen wird. Und | |
| mit der Cukrarna, der alten Zuckerfabrik, wurde eines der größten Kunst- | |
| und Kulturzentren Europas eröffnet, ebenfalls mit einer Frau an der Spitze. | |
| Und auch Marta Kos ist zurück in der slowenischen Politik, eine der | |
| vielleicht talentiertesten Politikerinnen des Landes. [7][Als slowenische | |
| Botschafterin in Berlin] war es ihr gelungen, das Land, das in Deutschland | |
| immer alle mit der Slowakei verwechseln, nicht nur bekannter zu machen, | |
| sondern auch noch sympathisch. Hervorgetan hatte sie sich auch durch ihren | |
| Einsatz für die Rechte von LGBTI – bevor sie schließlich, zu diesem | |
| Zeitpunkt war sie bereits Botschafterin in Bern, von Janšas Mannen im | |
| Auswärtigen Amt kujoniert den Bettel hinwarf und wieder als | |
| Unternehmensberaterin arbeitete. | |
| Doch dann erreichte sie „der Ruf der Heimat“, wie sie via Videochat aus | |
| Bern mitteilt. Nun ist sie zweite Vorsitzende der neuen Svoboda-Partei des | |
| amtierenden Ministerpräsidenten Golob. Eine Position, die sie sofort | |
| aufgeben würde, wenn die Kandidatur für ein anderes Amt gelingt: Marta Kos | |
| hat Ende Juni verkündet, dass sie die nächste Präsidentin des Landes werden | |
| möchte. | |
| Kos sagt, dass sie in der Svoboda-Partei von Anfang an eine Chance gesehen | |
| hätte für jene Kräfte im Land, die man unter Mitte-links subsumiert und die | |
| die Mehrheit stellen: „Mein Eindruck ist, dass sich diese Menschen nicht | |
| mehr orientieren konnten in einer entideologisierten Welt. Die grüne | |
| Transformation hat ja nicht mehr zwingend etwas mit Links-Sein zu tun, das | |
| gleiche gilt für die Menschenrechte, die sind ja auch kein rein linkes | |
| Thema“, sagt sie. | |
| Marta Kos will vor allem, dass das Land nicht mehr im Rückwartsgang fährt – | |
| und hofft auf eine Stabilisierung der politischen Landschaft links der | |
| Mitte. Schon jetzt kommt Frischluft in die Höhle. Gerade erst bestätigte | |
| das Verfassungsgericht der Republik Slowenien, dass ein Gesetz, das | |
| vorsieht, dass nur zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts heiraten | |
| können, mit dem verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot unvereinbar | |
| ist – und dies gilt auch für das Adoptionsrecht. Ein Referendum gegen diese | |
| Regelung ist laut Gericht nicht möglich und das ist wichtig: Zuletzt hatte | |
| ein von, natürlich, Janšas Partei organisiertes Referendum dafür gesorgt, | |
| [8][dass die Einführung der Ehe für alle wieder rückgängig gemacht wurde]. | |
| Marta Kos hofft, dass es nun so bleibt mit der frischen Luft. „Ich will | |
| nicht mehr, dass Frauen auf ihre Schuhe oder ihre Tattoos reduziert werden. | |
| Und ich will auch nicht, dass jemand kommt und sagt ‚Geh doch zurück in die | |
| Küche‘.“ Sie ist das Reaktionäre endgültig leid: „Zuletzt gab es in | |
| Slowenien sogar eine Demonstration gegen Abtreibung – die erste in der | |
| Geschichte.“ | |
| Sie möchte ein „Role Model“ sein, ein Vorbild, und auch eine moralische | |
| Institution: „In den letzten zwei Jahren haben wir wirklich unseren Kompass | |
| verloren“, sagt Kos. In der Schweiz, so sagt sie, habe sie gelernt, was | |
| eine konsensuale Demokratie ist, und findet, dass man genau dies nun | |
| brauche in dem zerstrittenen, gespaltenen Slowenien. | |
| Der Balkan, das sind immer die anderen. Und die Hölle, das sind wir, frei | |
| in Umkehrung des berühmten Sartre-Zitats, leider meist selbst: Politisch | |
| erwachsen wird Slowenien wohl erst dann werden, „wenn sich nicht alles und | |
| jeder im Land ausschließlich auf einen Referenzpunkt bezieht“, sagt Goran | |
| Lukić, und meint den gerade erst wieder in seiner Gruft verschwundenen | |
| Ex-Ministerpräsidenten: „Es gibt hier anscheinend eine Tendenz zum | |
| Autoritären – denn sonst hieße es ja nicht: Ja, er ist böse, aber ein guter | |
| Anführer.“ | |
| Lukić von Delavska Svetovalnica, einer Arbeitsberatung mit Sitz in | |
| Ljubljana, macht sich aber auch ohne Janez Janša Sorgen um die Zukunft des | |
| Landes: „Die neue Regierung wird Schwierigkeiten bekommen, qualifizierte | |
| Leute zu finden“, sagt er. Warum sich in Slowenien herumärgern, wenn man in | |
| der Schweiz oder in Deutschland für die gleiche Arbeit das Doppelte | |
| bekommt? „Umgekehrt wissen die Slowenen oft gar nicht, wie sehr sie auf die | |
| noch billigere Arbeit der Menschen aus den ‚Western Balkans‘ angewiesen | |
| sind, die hierherkommen, um ihre Familien zu ernähren“, sagt Lukić. Sie | |
| arbeiten für ein Haus, ein Auto und, eher selten, für einen Urlaub, „und | |
| merken erst nach zehn Jahren, dass sie verpasst haben, ihre Kinder | |
| aufwachsen zu sehen. Das ist traurig“. | |
| Vor drei Wochen gab es im Land lange Schlangen an den Tankstellen, weil der | |
| Benzinpreis nach langer Alimentierung durch die Vorgänger-Regierung den | |
| realen Verhältnissen angepasst wurde, und die meist auf das Auto | |
| angewiesenen Slowen*innen noch mal schnell zum alten Preis den Tank | |
| vollmachen wollten. Und nicht nur die Preise für Energie steigen. | |
| Spätestens im Herbst erwartet Goran Lukić erneute Unruhe im Land. Dieses | |
| Mal aus anderen, materielleren Gründen. | |
| 20 Jul 2022 | |
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| Martin Reichert | |
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