| # taz.de -- Antisemitismus-Skandal auf der documenta: Podium mit Leerstellen | |
| > Auf keinen Fall konkret werden: Bei der ersten Podiumsdiskussion zum | |
| > Skandal in Kassel äußerten sich die Verantwortlichen der Kunstschau | |
| > weiter nicht. | |
| Bild: Kurator Ade Darmawan als Sprecher der documenta-Chefkuratoren Ruangrupa | |
| Es war erneut ein verstörender Auftritt in Kassel. Am Mittwochabend wollte | |
| man auf der documenta unter dem Titel „Antisemitismus in der Kunst“ endlich | |
| über den Skandal diskutieren. Wie es dazu kam, dass es antisemitische | |
| Inhalte auf diese „Weltschau“ schafften? | |
| Das Banner „People’s Justice“ des indonesischen Kollektivs Taring Padi | |
| hängt nicht mehr. Doch Angela Dorn, Hessens Ministerin für Wissenschaft und | |
| Kunst, machte in ihrem Grußwort zu Beginn der Veranstaltung keinen Hehl | |
| daraus, dass auch andere auf der documenta fifteen gezeigte Positionen | |
| einen auf Israel bezogenen Antisemitismus beförderten. Eine Überprüfung der | |
| bis 18. September laufenden Schau findet deswegen derzeit statt. | |
| So wurde auch ein die Japanische Rote Armee verklärendes Video in Kassel | |
| inzwischen aus dem Verkehr gezogen. Die linksextremistische japanische | |
| Organisation wurde von der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) in | |
| deren Lagern im Libanon ausgebildet. | |
| Im Auftrag der PFLP verübte sie 1972 ein übles Massaker in Israel am | |
| Flughafen Lod bei Tel Aviv. 26 Menschen starben. Auch über andere | |
| fragwürdige Beiträge auf der documenta fifteen wird im Hintergrund noch | |
| gestritten. | |
| ## Ruangrupa spricht nicht | |
| Über all dies hätte man am Mittwochabend gerne von den verantwortlichen | |
| Kuratoren, Beiräten, Künstlern, documenta-Team und -Geschäftsführung etwas | |
| gehört. Doch niemand von ihnen hatte wohl den Mumm, die Verantwortung bei | |
| einer öffentlichen Diskussion zu übernehmen und am Podium teilzunehmen. | |
| Lediglich zu Beginn der Gesprächsrunde meldete sich aus dem Publikum der | |
| indonesische Künstler und Kurator Ade Darmawan als Sprecher der | |
| documenta-Chefkuratoren Ruangrupa kurz zu Wort. Man sei hier, „um zu lernen | |
| und zuzuhören“. Mehr kam nicht. | |
| [1][Das klingt inzwischen nach einer routinierten Ausrede], um für die | |
| „Weltschau“ (Budget 42,2 Millionen Euro) nur dann Verantwortung zu | |
| übernehmen, wenn es einem passt. Ruangrupa hätte nun die Chance gehabt, | |
| mit zwei gebürtigen jüdischen Israelis wie Doron Kiesel vom Zentralrat der | |
| Juden in Deutschland und Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank aus | |
| Frankfurt öffentlich zu diskutieren. | |
| Wie der Leiter der früheren documenta 14, Adam Szymczyk, unterstützt | |
| Ruangrupa-Sprecher Ade Darmawan Aufrufe, die Israel als Staat pauschal | |
| denunzieren und sein Existenzrecht in Frage stellen. Sie stammen von der | |
| Israel-Boykottbewegung BDS und finden bei Kulturfunktionären weltweit rege | |
| Resonanz. Der Export von Waren aus Israel, aber auch generell der Austausch | |
| mit jüdischen Israelis, soll weltweit blockiert werden. | |
| ## Silent Boycott? | |
| Doron Kiesel vom Zentralrat zweifelte denn auch daran, dass es ein Zufall | |
| sei, wenn an dieser documenta bei 1.500 in Kollektiven beteiligten | |
| Künstlern sich keine jüdischen Israelis fänden. Auch Mendel befürchtete in | |
| diesem Zusammenhang einen „silent boycott“, den die documenta fifteen in | |
| Kassel praktiziere. [2][Andere Diskutantinnen wie Professorin Nikita Dhawan | |
| fegten hingegen mit Fanon und Said] über solch konkrete Fragen mit | |
| autoritärer Geste hinweg. | |
| Man hätte zu gerne auch von Kulturmanagern aus documenta-Findungskommission | |
| und -Beiräten wie Ute Meta Bauer oder Charles Esche gehört, mit welchen | |
| Erwartungen sie 2019 Ruangrupa als künstlerische Leiter auswählten. So | |
| hatte Charles Esche, BDS-Befürworter, mit Ruangrupa bereits zuvor | |
| zusammengearbeitet. | |
| Esche hat seit 2004 den üppig dotierten Postens des Direktors des Van | |
| Abbemuseums im niederländischen Eindhoven inne. Dort stellt parallel zu | |
| seinem jetzigen documenta-Auftritt in Kassel der australische Künstler | |
| Richard Bell aus. Das nennt man Synergie. | |
| Bell schimpft nun aus der Ferne in den niederländischen Medien über eine | |
| angeblich islamophobe Kampagne gegen die documenta fifteen. So kann man die | |
| Dinge auch verdrehen. | |
| 30 Jun 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Antisemitismus-auf-der-documenta-fifteen/!5860742 | |
| [2] /Antisemitismus-auf-der-Documenta/!5859650 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Fanizadeh | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| Documenta | |
| Kunst | |
| Postkolonialismus | |
| Antisemitismus | |
| Kassel | |
| Frantz Fanon | |
| Documenta | |
| Antisemitismus | |
| Documenta | |
| Israel | |
| Ausschuss | |
| Documenta | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| BDS-Movement | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Podiumsdiskussion zu 70 Jahre documenta: Kunst kann höchstens die Art des Gesp… | |
| Beim Fest zum 70-jährigen Jubiläum der documenta gab es eine | |
| Podiumsdiskussion in Kassel mit den Kuratoren der letzten Ausgaben. Aber | |
| etwas fehlte. | |
| Antisemitische Filme auf der documenta: Augen zu und durch | |
| Die Reihe „Tokyo Reels“ auf der documenta fifteen zeigt historische | |
| Propagandafilme. Hat die antisemitischen Werke in Kassel niemand | |
| durchgesehen? | |
| Documenta-Chefin will nicht zurücktreten: Das Problem ist größer | |
| Documenta-Geschäftsführerin Sabine Schormann steht für ein Kulturmilieu, | |
| das Kritik an BDS mit Rassismusvorwürfen kontert. | |
| Botschafter in Israel: Seibert tritt neuen Job an | |
| Der ehemalige Regierungssprecher Steffen Seibert ist neuer Botschafter für | |
| Deutschland in Israel. Mit einer Videobotschaft stellte er sich bei der | |
| Bevölkerung vor. | |
| Bundestagsausschuss tagt zu Documenta: Kassels OB meidet Berlin | |
| Ein Bundestagsausschuss beschäftigte sich mit Antisemitismus auf der | |
| Documenta. Generaldirektorin und Aufsichtsrat schicken Kurator alleine vor. | |
| Aufarbeitung des documenta-Skandals: Woran lag es denn nun? | |
| Auf der documenta werden jetzt strukturelle Änderungen gefordert. Klar ist, | |
| dass jemand Verantwortung für das Desaster übernehmen muss. | |
| Antisemitismus auf der documenta fifteen: Größenwahn und Niedertracht | |
| Die documenta fifteen ist Produkt einer ahistorischen und folkloristischen | |
| Kunstauffassung. Aber auch Ausdruck institutioneller Überheblichkeit. | |
| Antisemitismus auf der Documenta: Waterloo der Postkolonialen | |
| Kulturfunktionäre aus aller Welt begleiteten den Entstehungsprozess der | |
| Documenta. Kaum zu fassen, wie der offene Antisemitismus durchgehen konnte. |