Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Inflation und Energiekrise: Warten auf Sozialproteste
> Die Preise steigen, Politiker rufen Menschen zum Energiesparen auf,
> gleichzeitig profitieren Konzerne von der Krise. Wo bleiben die Demos?
Bild: Gründe, um auf die Straße zu gehen, gibt es gerade eigentlich genug
Die Preise für Lebensmittel und Energie steigen, Politiker:innen
[1][appellieren an die Sparsamkeit] von Bürger:innen und warnen vor
einem harten Winter, Städte bereiten für diesen schon [2][Wärmehallen] vor.
Und immer wieder fragt jemand in einem sozialen Medium: Wo bleiben die
sozialen Proteste? Wer organisiert sie?
An die Handlungsfähigkeit der parteiförmigen Linken glaubt schließlich
nicht mal mehr sie selbst. Und auch ein großer Teil der
außerparlamentarischen Linken beschäftigt sich lieber mit identitären
Binnenkonflikten. Völlig verständlich ist es deshalb, dass die Fragenden
ihre Frage um eine Sorge ergänzen: Wenn nicht Linke diese sozialen Proteste
organisieren, dann organisieren sie womöglich Rechte! Aus gleichen Bedenken
fragt der Deutschlandfunk [3][den Soziologen Matthias Quent] angesichts der
sozialen Notlage: „Was braut sich denn da gerade zusammen?“ Der antwortet:
„Es ist absehbar, dass sich hier eine neue Protestwelle zusammenbraut, die
vor allem von rechts orchestriert wird.“
Der Blick, der erwartungsvoll progressiven Sozialprotest sucht, ist deshalb
einerseits berechtigt. Die [4][spanische Regierung hat gerade eine
Übergewinnsteuer] für Energiekonzerne und Banken angekündigt, die von der
Krise profitieren, um mit dem Geld Bürger:innen zu unterstützen, die
durch diese Krise in soziale Not geraten. Und in Deutschland hält eine
liberale Regierungspartei aus ideologischen und klientelistischen Gründen
an der [5][kategorischen Ablehnung von Steuererhöhungen fest], während ihr
grüner Koalitionspartner Bürger:innen aufruft, weniger zu duschen, und
darüber nachdenkt, bei Gasknappheit [6][Unternehmen statt Menschen zu
priorisieren].
Und der sozialdemokratische Bundeskanzler dieses Gruselkabinetts
[7][antwortet mit einem trockenen „Nö]“, wenn er auf die grünen
Energiespartipps angesprochen wird, und findet sich selbst dabei
augenscheinlich auch noch lustig. Zu allem Überfluss feiern die Regierenden
eine Luxushochzeit auf Sylt, deren Bilder als Beleg sozialer Ignoranz durch
die Nation gehen. Wenn nicht jetzt auf die Straße, wann dann?
## Vermeintliche Notwendigkeit
Andererseits zeugt das Warten auf Sozialproteste von einem eigenartigen
veralteten Politikverständnis. Wenn es den Menschen nur schlecht genug
geht, dann begehren sie schon auf, so die Annahme der Verelendungstheorie.
Dazu gehört der altmarxistische, quasireligiöse Glaube an die unumgängliche
historische Notwendigkeit einer sozialen Revolution, die wegen des sich
zuspitzenden Antagonismus des Kapitalismus unausweichlich sei – weil
Arbeiter:innen als historische Subjekte zuerst das notwendige
revolutionäre Bewusstsein erlangen und dann Produktionsmittel und
politische Macht an sich reißen würden.
Dass es nicht ganz so einfach ist, das hat die Geschichte gezeigt. Und sie
hat auch gezeigt, dass es in ganz andere, unerfreuliche Richtungen gehen
kann, wenn man sich auf vermeintliche historische Notwendigkeiten verlässt.
16 Jul 2022
## LINKS
[1] /Energie-sparen-in-Kriegszeiten/!5861271
[2] /Gaskrise-und-soziale-Verwerfungen/!5864002
[3] https://www.deutschlandfunk.de/wer-entschaerft-den-sozialen-sprengstoff-dlf…
[4] /Inflation-in-Spanien/!5864323
[5] /Debatte-um-Uebergewinnsteuer/!5856571
[6] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/gasversorgung-habeck-101.h…
[7] https://twitter.com/ARD_BaB/status/1541774228852285440
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
IG
Antikapitalistische Linke
Streik
Protest
Kolumne Postprolet
Energiekrise
Kolumne Red Flag
Flughafen
Rechte Szene
Die Linke
Die Linke
Schwerpunkt Frankreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Hart aber fair“ mit neuem Moderator: Am Ende zu versöhnlich
In der ersten „Hart aber fair“-Sendung mit Moderator Louis Klamroth geht es
wohltuend sachlich zu. Die Gäste verabreden sich sogar zum Abendessen.
Urlaub zwischen Pandemie und Krieg: Ehe die Welt untergeht
Immer häufiger stellt sich die Frage: Wer kann sich eigentlich noch einen
Urlaub leisten? Und was macht fehlende Erholung mit einer Gesellschaft?
Warnstreik am Flughafen: Ohne sie fliegt nichts
Etwa 20.000 Beschäftigte an deutschen Flughäfen sollen am Mittwoch ihre
Arbeit niederlegen. Verdi ruft das Lufthansa-Bodenpersonal zum Warnstreik
auf.
Mobilisierung durch das rechte Lager: Gegen Armut, gegen rechts
Wegen explodierender Kosten droht eine neue Armutswelle. Rechte machen sich
bereit, die Not für sich zu nutzen. Wo bleibt die Mobilisierung von links?
Linkspartei sucht Wege aus der Krise: Künftig mehr Miteinander?
Ein Problem der Linken: das schwierige Verhältnis zwischen Partei- und
Fraktionsführung. Ein Maßnahmenkatalog will das nun ändern.
Partei in der Krise: Sieben Thesen zur Linken
Am Wochenende trifft sich die Linke zum Parteitag. Wird jetzt alles anders?
Oder war es das, und zwar dieses Mal wirklich?
Wandbilder für die Revolution: Viva la Commune!
Paris ist die Hauptstadt des Protests. Viele Bewegungen beziehen sich mit
Graffiti noch heute auf die Commune von 1871.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.