| # taz.de -- „Hart aber fair“ mit neuem Moderator: Am Ende zu versöhnlich | |
| > In der ersten „Hart aber fair“-Sendung mit Moderator Louis Klamroth geht | |
| > es wohltuend sachlich zu. Die Gäste verabreden sich sogar zum Abendessen. | |
| Bild: Führte bestimmt, aber empathisch durch die Diskussion: Moderator Louis K… | |
| Eigentlich könnte es beim Einstieg in diese Kritik auch gleich um | |
| Linsensuppe gehen. Aber das Beste kommt zum Schluss. Und positiv | |
| Anzumerkendes [1][zur „hart aber fair“-Premiere des Moderators Louis | |
| Klamroth] gibt es auch sonst reichlich: dass zum Beispiel fast durchgehend | |
| sachlich [2][über Armut und Inflation] diskutiert wurde; dass Betroffene in | |
| Würde und ohne sozialvoyeuristischen Beigeschmack zu Wort kommen konnten; | |
| dass so eine Polittalk-Sendung mal von einem 33-Jährigen statt arrivierten | |
| Moderator:innen in ihren Mittfünfzigern angeleitet wurde. | |
| Dass Klamroth seine Premiere ohne großen Kampf um Autorität begehen | |
| durfte, hatte aber auch mit einer für „hart aber fair“-Verhältnisse eher | |
| zahmen Runde zu tun. Ein bisschen mehr Die-anderen-aussprechen-Lassen tat | |
| dieser Sendung, bei der es in den vergangenen Jahren immer wieder | |
| ungenießbar unübersichtlich wurde, zugleich gut. Typisch Talkshow waren | |
| dann doch: Politiker, die ihre Politikerfloskeln nicht ablegen wollten. | |
| Keiner von ihnen sagte irgendwas, das nicht so auch erwartet worden wäre: | |
| CDU-Politiker Jens Spahn kritisierte den innerkoalitionären Streit und dass | |
| viele Entscheidungen der Ampel zur Entlastung der Bürger:innen zu spät | |
| getroffen worden seien. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil verteidigte die | |
| Maßnahmen der Regierung und wehrte sich gegen den Vorwurf, dass bei all den | |
| angekündigten Ausgleichszahlungen keiner mehr durchblicke. | |
| Gut, dass da noch die sogenannte Wirtschaftsweise Monika Schnitzer und | |
| Spiegel-Journalistin Melanie Amann saßen, die das Altbekannte mit | |
| substantieller Gegenrede unterbrachen. Amann verteidigte die Idee, | |
| Mehrwertsteuern für Lebensmittel auszusetzen, was gezielt Bedürftige | |
| entlasten würde, weil die einen größeren Teil ihres Einkommens dafür | |
| ausgeben als Besserverdienende. Schnitzer widersprach, weil diese Maßnahme | |
| nicht gezielt genug sei und Mitnahmeeffekte ermögliche, sodass Händler und | |
| Hersteller statt Konsument:innen profitieren könnten. Sie sprach sich | |
| für einen temporären Energiesoli aus. | |
| Zum Glück saß in der Runde aber auch der Metallarbeiter und Familienvater | |
| Engin Kelik, der nicht nur eindrücklich darüber berichtete, was es | |
| bedeutet, in diesen Zeiten mit einem Nettoeinkommen von 2.300 Euro eine | |
| Familie mit zwei Kindern zu ernähren. Er hatte auch keinerlei Scheu, den | |
| ihn umgebenden Medien- und Politprofis zu widersprechen. | |
| ## „Abgaben für Reiche müssen auf Dauer sein“ | |
| „Also ich glaube das eher weniger“, intervenierte Kelik etwa, als die | |
| Wirtschaftswissenschaftlerin Schnitzer prognostizierte, dass die Preise für | |
| Lebensmittel „über kurz oder lang deutlich nach unten gehen werden“, sobald | |
| sich auch die Inflation ([3][im Oktober bei 10,4 Prozent, Höchststand seit | |
| 1951]) und somit die Kosten für die Herstellung von Lebensmitteln | |
| normalisieren. | |
| Als die Runde gegen Ende der Sendung endlich beim wohl wirksamsten Mittel | |
| der Armutsbekämpfung angekommen war, Spahn und Klingbeil wieder nur das | |
| Erwartbare vorbeteten und Amann prophezeite, dass diese Maßnahme aber nicht | |
| kommen werde, weil die FDP das so in den Koalitionsvertrag reinverhandelt | |
| habe, fragte Klamroth Kelik, ob er es denn gerecht fände, wenn „Leute, die | |
| sehr viel Geld verdienen, temporär noch ’ne Abgabe zahlen müssen“. „Ob … | |
| es gerecht finde? Ich finde, dass das auf Dauer so sein muss“, antwortete | |
| Kelik, und sorgte wieder einmal für verlegenes Lächeln bei manch anderem | |
| Gast. | |
| Nach dieser klaren Ansage suchte Klamroth, der ansonsten bestimmt, aber | |
| empathisch durch die Diskussion geführt hatte, leider doch noch ein | |
| versöhnliches Ende. Er fragte die Gäste nach ihrem besten Gericht mit | |
| Hülsenfrüchten und mit wem aus der Runde sie es essen würden – der grüne | |
| Landwirtschaftsminister Özdemir hatte nämlich vorgeschlagen, die | |
| Mehrwertsteuer auch für Hülsenfrüchte auszusetzen. Spahn entschied sich für | |
| Erbsensuppe mit Bockwurst, mit Lars Klingbeil „auf die gute alte | |
| Groko-Zeit“. Engin Kelik dagegen lud alle aus der Runde auf eine originale | |
| türkische Linsensuppe ein. | |
| 10 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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