# taz.de -- Internationale Lieferketten: Es hakt in den Häfen | |
> Lange hat der Westen vom Handel mit China profitiert. Jetzt steckt die | |
> Welt im Stau – und das liegt nicht nur an der Pandemie. | |
Bild: Gigantisch: Luftaufnahme vom Hafen in Shanghai | |
Schöne Dinge, die man nicht wirklich dringend braucht – so lässt sich | |
beschreiben, was das Unternehmen Philippi auf seiner Verkaufswebseite | |
anbietet: eine Salatschale in Bootsform mit Emaillebeschichtung. Dazu | |
Besteck aus Akazienholz, das an Ruder erinnert. Oder einen Tischkamin, | |
mit Lampenöl gefüllt, das über mehrere Dochte für Lagerfeueratmosphäre auf | |
dem Esstisch sorgt. Die ausgefallenen Ideen, das Design und die saubere | |
Verarbeitung dürften vielen Freude bereiten. | |
Es seien „begehrte Produkte des letzten Jahres“, die „ab sofort wieder | |
bestellbar“ sind, heißt es an einer anderen Stelle auf der Webseite. | |
Branchenkenner wissen, dass dahinter ein Problem steckt. Denn das | |
Geschäftsmodell in der Konsumgüterbranche basiert nicht zuletzt darauf, | |
dass sich laufend Neuheiten im Repertoire finden. Worunter die Firma von | |
Jan Philippi derzeit leidet: Lieferengpässe. „Vor Beginn der Pandemie lag | |
der Anteil der Produkte aus China bei etwa 70 bis 75 Prozent“, sagt der | |
Gründer und Betreiber. „Jetzt liegen wir vielleicht noch bei 55 bis 60 | |
Prozent, Tendenz fallend. Leider.“ | |
Seit 26 Jahren bietet Philippi Geschenkartikel und Accessoires im Bereich | |
Wohnen, Reise und Büro an. Das Unternehmen hat seinen Sitz bei | |
Henstedt-Ulzburg vor den Toren Hamburgs. In dem doppelstöckigen | |
Fabrikgebäude beschäftigt Philippi Designer. Sie entwerfen die Produkte, | |
auch die Prototypen entstehen zum Teil hier. Hergestellt für den Verkauf | |
wird die Ware aber rund 8.000 Kilometer weiter östlich. Chinesische | |
Auftragsfirmen produzieren sie in ihren Fabriken bis auf das kleinste | |
Detail exakt und schicken sie dann nach Deutschland. Das war von Beginn an | |
das Konzept der Firma Philippi. | |
„Ich bin in den vergangenen 30 Jahren regelmäßig nach China gereist, um die | |
Produzenten auszuwählen und mit ihnen die Details zu besprechen“, sagt | |
Philippi. Durch die Reisebeschränkungen der vergangenen zwei Jahre | |
funktioniert dieses Prozedere aber nicht mehr. „Uns fehlen die engen und | |
persönlichen Absprachen mit unseren chinesischen Partnern.“ | |
## Stau im Hafen | |
Dabei hatten die meisten deutschen Firmen die Coronakrise bereits | |
abgeschüttelt. Seit es Impfstoffe gibt und die harmloseren Virusvarianten | |
nicht mehr für ganz so schwere Erkrankungen und hohe Todeszahlen sorgen, | |
hat sich das Konsumverhalten hierzulande normalisiert. Wenn da nicht der | |
Arbeitskräftemangel in vielen Branchen wäre, die massiv gestiegenen Preise | |
von Energie und Lebensmitteln im Zuge des Ukrainekriegs. Und die Probleme | |
mit China. | |
Zwei Jahre war es der chinesischen Führung mit ihrer Zero-Covid-Strategie | |
gelungen, das Coronavirus aus dem Land zu halten, indem sie es fast | |
komplett vor Besucher*innen aus dem Ausland abschirmte. Das Leben in | |
China konnte dafür weitgehend normal laufen. In diesem Frühjahr aber | |
verbreitete sich auch in einigen chinesischen Städten die sehr viel | |
ansteckendere Omikron-Variante. Und trotz vorhandener Impfstoffe hält | |
Chinas Führung weiter rigoros an ihrem harten [1][Zero-Covid-Kurs mit | |
strengen Lockdowns] fest. | |
Shanghai, Chinas wichtigste Handelsmetropole, [2][traf es im April und Mai | |
besonders hart]. Ursprünglich als nur viertägiger Lockdown angekündigt, | |
einmal auf der einen Seite des Flusses Huangpu, anschließend für die | |
Stadtteile auf der anderen Flussseite, waren die Geschäfte, Schulen, | |
Behörden und die meisten Betriebe fast zwei Monate dicht. Die Menschen | |
durften nicht mal zum Einkaufen ihre Wohnungen verlassen. Essen bekamen sie | |
von den Behörden geliefert – oft unzureichend. | |
Tausende große und kleine Containerschiffe stauten sich wochenlang an der | |
Mündung des Yangtse-Delta vor Shanghai, weil sie die Häfen in der Region | |
nicht anlaufen durften. „Von der weltweiten Containerfrachtkapazität | |
standen rund 3 Prozent im Stau im Hafen von Shanghai“, stellte das | |
Bundeswirtschaftsministerium im Mai fest und warnte vor [3][massiven | |
Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft]. | |
Denn China ist der größte Exporteur sehr vieler Dinge: Spielzeug, | |
Textilien, Elektronik, Chips, Akkus, Pharmaprodukte. Prompt kommt es | |
deshalb auch in Deutschland zu massiven Engpässen. Und weil die | |
Auswirkungen noch Monate zu spüren sein werden, bangt die | |
Konsumgüterbranche bereits um ihr Weihnachtsgeschäft. Angesichts der langen | |
und nicht zu kalkulierenden Lieferzeiten könnte es knapp werden mit der | |
rechtzeitigen Lieferung von Weihnachtsgeschenken. | |
Weltweit bekommen Häfen nun die Lockdowns von Shanghai zeitlich verzögert | |
und mit voller Wucht zu spüren. Erst kamen die Containerschiffe aus | |
Ostasien nicht in den deutschen Häfen an, weil sie vor Shanghai festsaßen. | |
Nachdem die Behörden dort den Hafen wieder geöffnet hatten, wurden die | |
Schiffe mit neuer Ware vollgeladen, um ihre weltweiten Bestellungen rasch | |
abzuarbeiten. Daraufhin stauten sie sich vor den Häfen im Rest der Welt, | |
unter anderem auch in der Nordsee. | |
Knapp 2 Prozent der globalen Frachtkapazität steckten fest und konnten | |
weder be- noch entladen werden, stellte das Kiel Institut für | |
Weltwirtschaft (IfW) im Juni fest. Allein in der Deutschen Bucht warteten | |
zwischenzeitlich etwa ein Dutzend große Containerschiffe mit einer | |
Kapazität von etwa 150.000 Standardcontainern – mit drastischen Folgen für | |
den Im- und Export und die Industrien, die daran hängen. Und das sind in | |
Deutschland besonders viele. | |
Seit 2016 ist China wichtigster Handelspartner Deutschlands: Zwischen | |
beiden Ländern wurden 2021 Waren im Wert von über 245 Milliarden Euro | |
gehandelt. Besonders hart treffen die Lieferengpässe den Einzelhandel. 80,1 | |
Prozent der deutschen Händler klagten im Mai, dass sie nicht alle | |
bestellten Waren liefern konnten, [4][wie aus einer Umfrage des ifo | |
Instituts hervorging]. | |
So berichteten alle befragten Spielwarenhändler von ausbleibenden | |
Lieferungen. Lücken im Regal gibt es in nahezu allen Baumärkten und | |
Supermärkten. Bei den Fahrradhändlern fehlen bis heute Komponenten. | |
Fehlende Halbleiter und Chips lassen auch die Auswahl bei elektronischen | |
Produkten schrumpfen. „Viele Waren stehen nicht im Regal, sondern im | |
Container in einem Hafen von China“, sagte der Leiter der ifo-Umfragen, | |
Klaus Wohlrabe. Die Hafenstaus von Shanghai – sie sind damit zum Sinnbild | |
dafür geworden, wie der wohl größte Lockdown in der Menschheitsgeschichte | |
die globalen Lieferketten belastet. | |
Diese Lieferengpässe treffen Philippis Firma vor den Toren Hamburgs auch | |
bei den Kosten hart. „Es fing mit den hohen Container-Preisen und den | |
Transportkosten an, einhergehend mit höheren Rohmaterial-Preisen“, | |
berichtet er. Denn auch bei den Rohmaterialien kommt der Löwenanteil aus | |
China. Aluminium sei jetzt zweieinhalbmal so teuer wie noch vor zwei | |
Jahren, Edelstahl doppelt so teuer. Und auch die Papierpreise hätten sich | |
verdoppelt. „Darauf können wir nur wenig verzichten. Denn gerade, weil | |
unsere Produkte häufig als Geschenkartikel dienen, muss die Ware auch schön | |
verpackt sein.“ | |
Täglich stünden seine Mitarbeiter per WeChat im Kontakt mit den | |
chinesischen Partnern, berichtet er. WeChat ist der in China gängige | |
Kurznachrichtendienst. „Wenn wir jetzt eine neue Bestellung abgeben, müssen | |
wir mit mindestens zehn bis 20 Prozent zusätzlichen Kosten rechnen.“ Schon | |
in China selbst würde es haken. Die Fabriken hätten auch dort Probleme, an | |
Rohmaterial zu kommen, weil Lkws an Sperren festhängen. Das könne irgendwo | |
im Land sein, berichtet Philippi. „Und wir hören, dass unsere Hersteller | |
nicht genügend Arbeitskräfte haben, weil Mitarbeiter nicht in die Fabriken | |
kommen können.“ Das verschärfe wiederum die Engpässe. | |
„Wenn wir früher mit zwei Monaten Produktions- und Lieferzeit kalkuliert | |
haben, rechnen wir nun mit vier bis sechs Monaten“, sagt Philippi. Vor der | |
Pandemie habe China wie ein Uhrwerk funktioniert. Diese Präzision sei total | |
raus. „Alles ist aus dem Takt geraten.“ | |
Kaum etwas hat den Welthandel so sehr beflügelt wie China und die | |
Containerschifffahrt. Zwei Jahrzehnte waren sie eine Symbiose eingegangen. | |
Mit dem Beitritt in die Welthandelsorganisation war das bis in die frühen | |
80er Jahre abgeschottete Riesenreich zur Werkbank der Welt aufgestiegen. | |
Hunderte Millionen von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern strömten in | |
die Küstenregionen im Süden und Osten des Landes und schufteten für den | |
Weltkonsum. | |
Erst nähten sie T-Shirts und strickten Socken, dann stellten sie Sneakers | |
und Plastikspielzeug her. Später schraubten sie in gigantischen | |
Manufakturen iPhones und Flachbildfernseher zusammen. Die Welt profitierte | |
davon. Dass wir in Europa mehr als zwei Jahre keine wirkliche Inflation | |
erlebten, hatte auch damit zu tun: China produzierte für wenig Geld, was | |
der Westen verbrauchte. | |
Damit einher ging die Entwicklung in der Containerschifffahrt. Denn | |
Container lassen sich nicht nur leicht stapeln. Sie machen es auch möglich, | |
Waren aus Fertigungsstätten in Shenzhen, Ningbo oder Shanghai bis in den | |
Werkhof eines Empfängers ins Sauerland oder ins schwäbische Waiblingen zu | |
transportieren, ohne sie mehrfach umladen zu müssen. Das allein hat die | |
Transportkosten extrem gesenkt. | |
Hinzu kamen in den Hafenstädten gigantische neue Terminals, in denen fast | |
perfekt aufeinander abgestimmt die Container nahezu komplett automatisiert | |
vom Schiff auf Güterzüge oder Lkws umbeladen wurden. Das führte zu einem | |
hocheffizienten Ablauf, der allerdings einen akribisch durchgeplanten | |
Lösch- und Ladeplan erfordert. Es sind diese engmaschig abgestimmten | |
Lieferketten, die nun für die massiven Probleme an Häfen weltweit sorgen. | |
Hakt es an einem Hafen, hakt es rasch überall. | |
In Rotterdam, dem größten Hafen von Europa, gaben sich die Zuständigen bis | |
vor Kurzem noch zuversichtlich, was die allgemeine Lage betraf. Als die taz | |
vergangenen Winter zur damaligen Containerkrise recherchierte, wollte man | |
bei den Zuständigen in Rotterdam den Begriff Krise gern vermeiden. Im | |
Februar dieses Jahres ließ man per Pressemitteilung verlauten, 2021 wieder | |
auf dem Niveau von vor der Pandemie operiert zu haben. | |
Inzwischen ist man aber auch in Rotterdam weniger zuversichtlich. Sigrid | |
Hesselink, Sprecherin des Betriebs Port of Rotterdam, sagt, zwar sei der | |
Hafen in Shanghai während des Lockdown in Betrieb geblieben, die | |
Unterbrechung der Lieferketten im Binnenland sei aber eine sehr große | |
Herausforderung gewesen. Daher beschlossen Reedereien auf andere Häfen | |
auszuweichen, aber auch Abfahrten komplett zu streichen. | |
Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni waren nach Angaben der Rotterdamer | |
Hafengesellschaft insgesamt 11 Verbindungen zwischen Shanghai und | |
Nordwesteuropa betroffen, aus chinesischen Häfen insgesamt 58. In Rotterdam | |
erwarten die Betreiber bis weit in den Juli hinein zunächst weniger Volumen | |
aus Asien. Danach dafür umso mehr. „Die Zeiten sind sehr herausfordernd“, | |
sagt Hesselink. | |
Dabei hat sich vor Ort in Shanghai die Lage mittlerweile entspannt: Der | |
Warenumschlag liegt seit Anfang Juni wieder auf Normalbetrieb, die | |
Wartezeiten haben sich im Vergleich zu vor wenigen Monaten halbiert, die | |
Transportkosten sinken langsam, und auch Lastwagenfahrer für die Landwege | |
gibt es wieder ausreichend. Logistiker gehen trotzdem davon aus, dass es | |
viele Monate dauern wird, bis sich die Lieferketten normalisiert haben. Das | |
ist wie bei einem Stau auf der Autobahn, der sich weiterverbreitet und | |
aufschaukelt, obwohl sich der eigentliche Grund dafür längst aufgelöst hat. | |
In der zweiten Jahreshälfte erwartet man auch in Rotterdam weiter ein Auf | |
und Ab. Und das Weihnachtsgeschäft? Ja, wegen der Lieferunsicherheiten | |
komme es schon jetzt zu einem christmas rush, bestätigt Sigrid Hesselink. | |
„Alle kaufen schon mal ein, um die Weihnachtsware rechtzeitig im Laden zu | |
haben.“ | |
„Wegen den schlechten Erfahrungen der vorangegangen zwei Jahre haben wir | |
dieses Mal schon im Januar bestellt“, sagt Unternehmer Philippi. „Wir haben | |
versucht, unser Lager so vollzufüllen wie möglich.“ Das heißt aber auch, | |
dass seine Firma beim Einkauf überhaupt nicht flexibel reagieren kann. | |
„Früher haben wir geschaut, welche Produkte sich besonders gut verkaufen | |
und konnten noch mal nachproduzieren lassen.“ | |
Diese Unsicherheit kennt auch Pascal Vermeulen gut. Er ist operativer | |
Direktor beim Logistikunternehmen RMI. Auf dessen Gelände im westlich von | |
Rotterdam gelegenen Hafengebiet Botlek befindet sich das Containerterminal | |
RBC. „Der Markt ist vollkommen gestört, es ist unvorhersehbar geworden“, | |
sagt Vermeulen am Telefon. „Einmal werden die Häfen geschlossen, und dann | |
geht alles mit einem Mal wieder los, und sie stopfen uns das Depot voll.“ | |
Wie fragil die weltweiten Lieferketten sind, bekam der Hafen von Rotterdam | |
im Frühjahr des vergangenen Jahres während der wochenlangen [5][Blockade | |
des Suezkanals] durch das Mega-containerschiff „[6][Ever Given]“ zu spüren. | |
Damals lagen im Zuge des Staus im Roten Meer auf dem RBC-Terminal, das | |
15.000 Containern Platz bietet, nur 2.000. Wie anfällig dieses | |
Gleichgewicht ist, beschreibt der Direktor so: „Weltweit gibt es etwa 25 | |
Millionen Container. Wenn 1 Prozent des Volumens reduziert wird, etwa wegen | |
einer Rezession, hat das sehr heftige Auswirkungen.“ | |
Das RBC-Terminal, wo die Container so hoch wie sieben Stockwerke gestapelt | |
sind, ist im Rotterdamer Maßstab nicht mehr als ein Akteur mittlerer Größe. | |
[7][Botlek] ist kein reiner Containerstandort, sondern wird von | |
petrochemischer Industrie und Tanklagerung dominiert. Trotzdem haben auch | |
sie die turbulente Lage am Containermarkt miterlebt. Vor einem halben Jahr | |
hatte ein Terminal auf der Maasvlakte keinen Platz mehr für seine leeren | |
Container. Also brachten sie die hierher. „Mensch, du hättest diesen Stau | |
sehen müssen“, erzählt Adrie Lagerwerf, der hier als Hafenarbeiter | |
angestellt ist. Mehrere Wochen habe das gedauert, bis sich der Stau wieder | |
aufgelöst hatte. | |
Auf der Maasvlakte, einem nach dem Zweiten Weltkrieg künstlich angelegten | |
Teil des Rotterdamer Hafens, bekommt man eine Vorstellung von diesen | |
Dimensionen. Sie liegt knapp 30 Kilometer westlich von Botlek und grenzt | |
direkt an die Nordsee. Auf der Fahrt dorthin wähnt man sich auf einem | |
Archipel aus Kränen und Verladestationen. Entlang der Straße türmen sich | |
Containerburgen. Was keinesfalls von einer Krise zeugt, sondern das | |
alltägliche Gesicht dieses Gebiets ist. Bemerkenswert ist vielmehr der | |
Gedanke, wie enorm der Andrang sein muss, wenn selbst auf diesem Terrain | |
der Platz für Container ausgeht. | |
Schwierig ist die Situation allerdings nicht nur auf den Kais und in den | |
Terminals, sondern auch für die Seeleute, die den Transport erst möglich | |
machen. „Das ist schon seit Beginn der Pandemie der Fall“, berichtet Sascha | |
Meijer. Seit nunmehr zwei Jahren macht die Geschäftsführerin von | |
[8][Nautilus International], der Gewerkschaft der Seefahrenden, auf deren | |
schwierige Lage aufmerksam: Zwangsquarantäne an Häfen, die sie anliefen, | |
Verbote, überhaupt an Land zu dürfen. | |
Rotterdam habe diesbezüglich noch eine gute Reputation, sagt Meijer, da die | |
Verantwortlichen immerhin probiert haben, etwa sichere Korridore von | |
Schiffen zu Teststationen und Quarantänehotels bereitzustellen. Anders sehe | |
das in China aus, wo Crewmitglieder mit Zahnschmerzen noch nicht einmal | |
einen Zahnarzt aufsuchen durften. „Sie sagen über sich selbst, dass sie die | |
Parias des Welthandels sind.“ | |
## Nur ein Vorgeschmack? | |
Ist die Pandemie nur ein Vorgeschmack dessen, was sich mit dem Handelskrieg | |
zwischen China und dem Westen, aber auch ab davon durch die gestiegenen | |
Löhne in China anbahnt? „Ja, China ist für uns auch vor der Pandemie | |
bereits deutlich teurer geworden“, sagt Philippi. „Das ist der Lauf der | |
Dinge.“ | |
„Mit den Reformen unter Deng Xiaoping hatte China für große Veränderungen | |
in unserem Konsumverhalten gesorgt“, sagt Unternehmer Philippi. Deutschland | |
sei ja einmal in der Porzellanindustrie führend gewesen. Eine Tasse kostete | |
nach heutigen Maßstäben 20 Euro. Dann seien China und Ikea gekommen, und | |
eine Tasse habe plötzlich nur noch 2 Euro gekostet. „Plötzlich haben sich | |
die Leute ganz viele Tassen gekauft und nicht nur sechs.“ Mit China als | |
Werkbank war alles deutlich billiger geworden, die Dinge wurden aber auch | |
weniger wertgeschätzt. „Jetzt fällt es unserer Gesellschaft natürlich | |
schwer zu akzeptieren, dass die Preise wieder steigen“, meint der | |
Unternehmer. | |
Er selbst schaut sich bereits anderweitig um, mit der Absicht, von China | |
unabhängiger zu werden. Aber das sei gar nicht so einfach. „Wir machen zwar | |
deutlich mehr mit Indien“, sagt Philippi, die chinesischen Lieferanten | |
seien aber zuverlässiger und die hergestellten Waren hochwertiger in der | |
Qualität. In China hatte man den wirtschaftlichen Aufstieg der vergangenen | |
Jahrzehnte genutzt, um in Infrastruktur und Maschinen investiert, während | |
in Indien weiterhin die Handarbeit dominiere. „Wir sind jetzt eher | |
versucht, mehr Dekoratives in Auftrag zu geben und nicht mehr so viele | |
Nutzgegenstände, wie wir sie aus China lange Zeit bezogen haben.“ | |
Er selbst zähle sich zu den Glücklichen, die miterlebt haben, wie China aus | |
dem „Mao-Schlaf“ erwachte und wirtschaftlich aufstieg. Jetzt will er | |
umstellen, die Produktion verlagern – aber das sei in der aktuellen | |
Situation nicht möglich: „Wir befinden uns in einer Situation, wo wir bloß | |
noch versuchen, das zu verteidigen, was gar nicht mehr sein soll“, sagt er. | |
Und: „Das ist ein blödes Gefühl.“ | |
10 Jul 2022 | |
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[7] https://www.portofrotterdam.com/de/ausbau-des-hafens/sicherer-hafen/wassers… | |
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