# taz.de -- Warnstreiks in den Häfen: Ein Streik am Ende der Lieferkette | |
> Während der Stau der Containerschiffe in der Deutschen Bucht angekommen | |
> ist, setzt die Gewerkschaft Ver.di einen drauf und bestreikt die Häfen. | |
Bild: Viel Arbeit im Hamburger Hafen: Gestapelte Container, hier im Jahr 2010 | |
Hamburg taz | Der weltweite Stau der Containerschiffe ist auch in | |
Nordeuropa angekommen. Allein in der Deutschen Bucht warten ein Dutzend | |
Schiffe mit 150.000 Containern darauf, Bremerhaven oder Hamburg anlaufen zu | |
dürfen. Trotzdem – oder gerade wegen des damit verbundenen Drohpotenzials – | |
hat die Gewerkschaft Ver.di am Donnerstagnachmittag mehrere Tausend | |
Beschäftigte zu einem Warnstreik aufgerufen. In Hamburg beteiligten sich | |
nach Angaben von Ver.di mehr als 90 Prozent der Spätschicht-Belegschaft. | |
„Wir wollen unseren Tarifforderungen Nachdruck verleihen“, sagte | |
Ver.di-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth. Als Teil der | |
kritischen Infrastruktur hätten die Beschäftigten in den letzten Jahren | |
durchgehend gearbeitet und seien an Belastungsgrenzen gegangen. Dafür | |
hätten sie „Anerkennung und ihren gerechten Anteil verdient“. | |
Der [1][Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS)] bezeichnete | |
den Warnstreik als unverhältnismäßig. „Wir befinden uns mitten in einer | |
absoluten Ausnahmesituation“, sagte ZDS-Verhandlungsführerin Ulrike Riedel. | |
„Von der einen Seite kommt eine große [2][Welle verspäteter Schiffe auf | |
uns] zu, auf der anderen Seite gibt es große Engpässe im Güterverkehr der | |
Bahn.“ Jetzt zu Warnstreiks aufzurufen, sei verantwortungslos und werde | |
auch den laufenden Tarifverhandlungen nicht gerecht. | |
Der ZDS hat als Vertreter der Arbeitgeberseite vorgeschlagen, die Löhne für | |
die Beschäftigten in Containerbetrieben über zwei Jahre im Gesamtvolumen | |
von 7 Prozent zu steigern und um 6,1 Prozent für die Mitarbeiter anderer | |
Bereiche. Dazu käme eine Einmalzahlung von insgesamt 600 Euro. Die jährlich | |
Pauschale für Beschäftigte in Vollcontainerbetrieben soll um 200 auf 3.500 | |
Euro steigen. Zusammen mit dem Entlastungspaket der Bundesregierung für die | |
Ukraine-Krise soll das die Inflation ausgleichen. | |
## Die Forderungen | |
Ver.di fordert für die 12.000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen | |
Betrieben in Niedersachsen, Bremen und Hamburg dauerhaft 1,20 Euro mehr pro | |
Stunde sowie einen „tatsächlichen Inflationsausgleich“. Die jährliche | |
Zulage für Beschäftigte im Containerumschlag soll um 1.200 Euro steigen, | |
der Tarifvertrag nur zwölf Monate laufen. | |
Die Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen des Hafens verdienen sehr | |
unterschiedlich. Das Grundgehalt im Containerumschlag liegt bei 60.000 Euro | |
pro Jahr und kann durch Arbeit in der Nacht, am Wochenende sowie durch | |
Überstunden auf über 90.000 Euro gesteigert werden. In anderen Bereichen | |
liegt das Grundgehalt nur bei 30.000 Euro. | |
Allerdings laufen auch die Geschäfte der verschiedenen Sparten der Häfen | |
mehr oder weniger gut. Während es mit dem Containerumschlag nach dem | |
Einbruch der Coronakrise rasch wieder aufwärts ging, tut sich etwa der | |
Auto-Export schwer. „Das sollte sich in dem Angebot auch abbilden“, sagt | |
Leonard Kutscher vom ZDS. | |
Mit Blick auf den Containerverkehr sagt Vincent Stamer vom Kieler Institut | |
für Weltwirtschaft (IfW): „[3][Es wird schon mehr gehandelt als vor der | |
Pandemie].“ Allerdings kommen die Waren neuerdings nicht an: Nach Zählung | |
des IfW stecken vor den Häfen Deutschlands, Belgiens und der Niederlanden | |
gegenwärtig knapp zwei Prozent der globalen Frachtkapazität fest und können | |
weder be- noch entladen werden. | |
Ursache für den Stau ist, dass die Häfen keine Container mehr unterbringen | |
können. „Eines der größten Probleme ist seit einigen Wochen, dass | |
Importcontainer nicht abgeholt werden und dadurch den Hafen verstopfen“, | |
sagt etwa Hans-Jörg Heims vom [4][Hamburger Terminalbetreiber HHLA]. | |
Normalerweise stünden Container nur zwei bis drei Tage auf den Terminals, | |
seit ein paar Wochen seien es sechs bis sieben, in manchen Fällen sogar 30 | |
Tage. | |
Warum der Weitertransport stockt, darüber kann Heims nur spekulieren. „Es | |
könnte sein, dass die eigenen Lagerkapazitäten vieler Importeure erschöpft | |
sind, weil diese in den letzten Jahren zurückgefahren wurden und | |
Lagerpersonal abgebaut wurde“, sagt Heims. Aber auch der verhaltene Konsum | |
sowie der an vielen Stellen gestörte Eisenbahnverkehr könnten Gründe sein. | |
Nicht nur die Schiene habe Kapazitätsprobleme, sagt Burkhard Lemper, | |
Geschäftsführer des [5][Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und | |
Logistik (ISL).] Dies gelte auch die Straße. So hätten die Corona- und die | |
Ukraine-Krise den Lkw-Fahrer-Mangel verstärkt. Weitere Probleme würden | |
verspätet einlaufende Schiffe schaffen, die dadurch wiederum Plätze im | |
Hafen blockierten. „Das sorgt dafür, dass die Häfen wesentlich weniger | |
effizient arbeiten, als das eigentlich möglich wäre“, sagt Lemper. | |
Den nachmittäglichen Ausstand der Hafenarbeiter will der Professor nicht | |
überbewerten: „Wir reden über den Warnstreik einer Schicht, der wird die | |
Lage nicht drastisch verschärfen, kommt aber trotzdem zu einem ungünstigen | |
Zeitpunkt“, sagt Lemper. | |
9 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://zds-seehaefen.de/2022/05/23/zds-angebot-fur-neuen-lohntarifvertrag-… | |
[2] /Mega-Schiffsstau-vor-Schanghai/!5844626 | |
[3] /Welthandel-in-Coronazeiten/!5749570 | |
[4] /Zusammenarbeit-von-HHLA-und-Eurogate/!5686578 | |
[5] https://www.isl.org/de/ueber-isl/team/lemper-burkhard | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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