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# taz.de -- Erinnerungskultur in Niedersachsen: Land will KZ-Baracke nicht erha…
> Auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Meppen verfällt eine alte
> KZ-Baracke. Niedersachsens Justizministerium ist ein Erhalt zu teuer.
Bild: Viel erinnert nicht mehr ans ehemalige Straflager Versen: Info-Tafel vor …
Meppen taz | Wer durchs Tor der Justizvollzugsanstalt Meppen (JVA) geht,
stößt nicht weit vom Eingang auf ein paar Bäume. Direkt dahinter liegt
[1][eine halb verfallene Baracke aus Holz und Teerpappe]. Sie steht seit
Jahren leer. Ihre Wände sind löchrig, Fäule und Verwitterung setzen den
Fenstern zu. Geschieht nicht bald etwas, fällt das 70 Meter lange Gebäude
in sich zusammen.
Für Pastor Ulli Schönrock, seit fast 20 Jahren evangelischer
Gefängnisseelsorger der JVA, ist die marode Baracke ein Ort „geronnener
Täterschaft“. Sie ist [2][ein Relikt des Konzentrationslagers (KZ) Versen],
Wachmannschaften waren in der einstigen Dienstbaracke 18 untergebracht.
„Wenn wir nichts tun, den Verfall aufzuhalten“, sagt Schönrock der taz,
„verhöhnen wir die Opfer.“
Baracke 18 hat eine düstere Vergangenheit. Wo heute die JVA liegt, wurden
mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz
gezwungen, im Stalag VI B. Von Ende 1944 bis Frühjahr 1945 war Versen
[3][ein Außenkommando des KZ Neuengamme]. Die Bedingungen waren brutal,
viele Insassen starben. Sie mussten in der Torfindustrie arbeiten, in der
Landwirtschaft oder beim Bau der Küstenverteidigungslinie „Friesenwall“
helfen.
In der NS-Zeit gab es im Landkreis Emsland und der Grafschaft Bentheim
[4][15 Konzentrations-, Strafgefangenen- und Kriegsgefangenenlager]. Nur
noch wenige Spuren sind von den Emslandlagern geblieben. Die Baracke in
Meppen ist eine.
## Erhalt der Emslandlager
Zusammen mit seinem katholischen Kollegen Heinz-Bernd Wolters kämpft
Schönrock dafür, dass sie erhalten bleibt, auch durch einen Förderverein.
Ihr Konzept sieht vor, einen Teil des Gebäudes originalgetreu zu
restaurieren und als musealen Erinnerungs- und Gedenkort zu nutzen. Der
Rest soll ein Begegnungszentrum werden, für die Seelsorge und als
Schulungsort für die rund 400 Inhaftierten der JVA.
Der Leiter der JVA habe laut Schönrock zudem die Idee geäußert, den Ort
mithilfe der Inhaftierten zu renovieren, die eine entsprechende Ausbildung
im Handwerk absolvieren. Darunter seien auch rechtsradikale Gewalttäter.
4,3 Millionen Euro würde das alles kosten. „Wir suchen derzeit nach
Sponsoren, nach privaten Spendern“, sagt Schönrock. Aber sehr überzeugt
klingt er nicht, dass diese Summe je zusammenkommt. Er sieht das Land
Niedersachsen in der Pflicht, den Eigentümer der denkmalgeschützten
Immobilie. Immerhin ist sie als Kulturdenkmal eingetragen – und
Kulturdenkmale sind zu pflegen.
Aber das Niedersächsische Justizministerium winkt ab: Zu
Erhaltungsmaßnahmen sei das Land nur „im Rahmen seiner finanziellen
Leistungsfähigkeit verpflichtet“, erklärt es auf eine Kleine Anfrage vom
niedersächsischen Landtagsabgeordneten Volker Bajus (Grüne) aus diesem
Frühjahr. Und im Landeshaushalt stünden „aktuell keine Mittel zur
Verfügung“. Unterhaltungs- und Sicherungsmaßnahmen würden „aufgrund
fehlender Nutzung“ nicht durchgeführt.
## Suche nach Spenden
Aus der Antwort vom Ministerium geht hervor, dass das Land Mitte 2020 zwar
[5][bis zu 250.000 Euro vom Bund eingeworben habe], dieses Geld fließt aber
erst, wenn das Land dieselbe Summe zuschießt. Und das sei eben nicht
geplant, obwohl auch das Justizministerium in der Baracke einen
„beispielhaften geschichtlichen Wert“ erkennt. Das Verzeichnis der Meppener
Baudenkmale weist ihr eine „Bedeutung im Rahmen von Nationalgeschichte“ zu.
„Wir arbeiten da seit Jahren dran“, sagt Schönrock. „Und das ist jetzt
unser letzter Versuch. Es ist sehr schwer, dafür Ohren zu finden.“
Immerhin, bei der JVA Meppen wird man gehört: „Wir wollen das Gebäude gern
erhalten“, sagt Vize-Anstaltsleiter Bernhard Saalfeld der taz. „Und es wäre
schön, es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Der Bedarf an Erinnerungsarbeit sei groß, sagt Schönrock. Je weniger
Zeitzeugen es gebe, desto wichtiger werde die Authentizität von Orten, an
denen Geschichte stattgefunden hat. „Das beeindruckt sehr nachhaltig.“
Außerdem reisen nach wie vor Angehörige der einstigen Opfer an. Aber
Gedenkarbeit an einem Ort, der einsturzgefährdet ist, ist schwer.
Früher waren in der Baracke Teile der JVA-Verwaltung untergebracht. Heute
ist der Bau abgesperrt. Schönrock hat noch drei Dienstjahre vor sich. Ob er
erlebt, dass die Baracke gerettet wird, ist offen.
9 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/osnabrueck_emsland/Seelsorger-…
[2] https://justizvollzugsanstalt-meppen.niedersachsen.de/wir_ueber_uns/hauptan…
[3] https://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/geschichte/kz-aussenlager/aussen…
[4] https://www.gedenkstaette-esterwegen.de/geschichte/die-emslandlager/
[5] https://www.cdu-emsland-papenburg.de/artikel/bund-foerdert-sanierung-der-la…
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Erinnerungskultur
NS-Gedenken
Straflager
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