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# taz.de -- Mahnmal vor Ex-Gestapo-Zentrale: Narbe im Stadtraum
> Eine Blutspur auf dem Gehweg: Am Hamburger Stadthaus, der einstigen
> Zentrale der Gestapo, entsteht derzeit das Kunstwerk „Stigma“.
Bild: Finden den Eingriff brutaler als vorher gedacht: Ute Vorkoeper (l.) und A…
Eine lange, konfliktreiche Geschichte ist an ihr Ende gekommen, und ob es
ein gutes ist, steht dahin. Angesägt und herausgestemmt werden derzeit
Gehwegplatten vor dem [1][Hamburger Stadthaus, einem attraktiven Gebäude
aus dem 19. Jahrhundert]. Seit 1814 residierte dort das Hamburger
Polizeipräsidium, im Dritten Reich auch die [2][Gestapo]-Leitstelle für
ganz Norddeutschland sowie die Kriminalpolizei.
Hunderte SchreibtischtäterInnen bereiteten dort die Überwachung und
Deportation jüdischer, widerständiger oder anderweitig missliebiger
BürgerInnen vor. Auch die berüchtigten „Polizeibataillons“ für
Massenerschießungen in Polen und der Ukraine wurden dort rekrutiert. Die
Gestapo verhörte und folterte im Stadthaus Hunderte
WiderstandskämpferInnen, trieb viele gezielt in den Selbstmord.
„Das Stadthaus ist ein Ort, der bei Angehörigen ehemals Verfolgter bis
heute Beklemmungen auslöst“, hat der Historiker und NS-Forscher Herbert
Diercks der taz kürzlich gesagt. „Luxus-Geschäfte, Restaurants, ein Hotel
in der einstigen,Folterhölle’ werden als der Opfer unwürdig empfunden.“ B…
heute fordern die Nachkommen, deren Freitags-Mahnwachen heute ins vierte
Jahr gehen, einen angemessenen Gedenk- und Lernort.
Den hat die Stadt Hamburg beim Verkauf der Immobilie 2009 zwar dem
Investor, der Quantum AG, in den Vertrag geschrieben, doch Quantum rechnete
die geforderten 750 Quadratmeter auf einen „Erstinformationsort“ von 70
Quadratmetern neben dem Café eines Buchladens klein. Formaljuristisch sei
der Vertrag erfüllt, sagt Kultursenator Carsten Brosda (SPD). Das sei
bedauerlich, aber nicht zu ändern.
## Ein paar Stelen plus Kunst
Um indes den öffentlichen Unmut zu befrieden, berief die Kulturbehörde
einen Beirat, der auf Verbesserungen sinnen sollte. Mühsam ertrotzte der
sechs Info-Stelen über dem „Seufzergang“, durch den die Verhafteten zum
Verhör getrieben wurden. Halb überzeugt fand sich der Beirat auch mit dem
Behördenvorschlag ab, den Mini-Gedenkort künstlerisch aufzuwerten und einen
Wettbewerb auszuschreiben.
Gewonnen haben die Hamburger Künstlerinnen Ute Vorkoeper und Andrea
Knobloch mit ihrem Entwurf „Stigma“. Sie werden in die Lücken, die die
zerstörten Gehwegplatten hinterlassen, rötliches Granulat füllen, einer
Blutspur ähnlich, aber explizit kein plattes Symbol. „Indem wir den frisch
fertiggestellten Bürgersteig zerstören, entsteht eine Narbe im Stadtraum“,
sagt Ute Vorkoeper. „Jetzt, wo die Arbeiten begonnen haben, merken wir,
dass der Eingriff noch brutaler ist als imaginiert.“ Und wenn die Lücken in
einigen Wochen verfüllt seien, werde man bei jedem Schritt merken, „dass an
diesem Ort etwas nicht stimmt“.
## Zersplittertes Gedenken
Allerdings fällt „Stigma“ deutlich kleiner aus als geplant und nimmt auch
einen anderen Weg: Die Spur beginnt nicht mehr vor dem
„Erstinformationsort“ am Café, stellt also keinen direkten Bezug zur dort
verhandelten NS-Vergangenheit her. Und obwohl vom Preisgericht zunächst
genehmigt, hatte die Baubehörde im Nachhinein erklärt, „Stigma“ könne aus
statischen Gründen nicht nahe der dortigen Fleetbrücke verlaufen, sagen
Insider.
Stattdessen verläuft die Spur nun weiter rechts, bis zur Rotunde und dann
kurz um die Ecke herum in die schicke Einkaufsmeile Neuer Wall. Dort wird
sie aber nicht zum einstigen Haupteingang des Polizeipräsidiums am
Görtz-Palais geführt, bleibt also auch dort auf halbem Wege stehen. „Unser
Entwurf sah nie vor, ‚Stigma‘ bis zum Görtz-Palais zu ziehen“, sagt Ute
Vorkoeper. „Die für den Neuen Wall nötigen Abstimmungs- und
Genehmigungsprozesse hätten die Realisierung außerdem erheblich verzögert.“
[3][Detlef Baade, Sohn eines im Stadthaus gefolterten Widerstandskämpfers]
und Mitorganisator der Mahnwachen, nennt den Gedenkort deshalb „den
Unvollendeten“.
Auch Ex-Polizeipräsident und Beiratsmitglied Wolfgang Kopitzsch sagt, es
gebe in Hamburg eine Tendenz, das NS-Gedenken zu zersplittern und aus dem
glatt gebügelten Stadtzentrum herauszuhalten. „Aber das muss auch an den
Orten geschehen, von wo aus Terror und Unterdrückung organisiert und auch
durchgeführt wurde, wo gefoltert und gequält wurde, wo Unrecht gesprochen
und wo hingerichtet und gemordet wurde. Das waren unter anderem Stadthaus –
einschließlich Görtz-Palais –, Polizeigefängnis Hütten, Strafjustizgebäu…
Hanseatisches Oberlandesgericht, Untersuchungsgefängnis, Fuhlsbüttel und
Neuengamme. Die Darstellung des Widerstandes auf Fuhlsbüttel zu
konzentrieren, wäre ein sehr unvollständiges Bild.“
23 Oct 2021
## LINKS
[1] /Historiker-ueber-fruehere-Gestapo-Zentrale/!5780123
[2] /Gestapo/!t5399916
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## AUTOREN
Petra Schellen
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