| # taz.de -- Diskussion um BPK-Mitglied: Bühne für Verschwörer | |
| > Der frühere Online-Chef von RT Deutsch wurde in die Bundespressekonferenz | |
| > aufgenommen. Dagegen äußern bestehende Mitglieder nun Bedenken. | |
| Bild: Seit 1949 findet die Bundespressekonferenz regelmäßig statt | |
| Für die Bundespressekonferenz (BPK) ist es die Diskussion Reitschuster 2.0. | |
| Nach heftigen Auseinandersetzungen im vergangenen Jahr um den rechten | |
| [1][Blogger Boris Reitschuster] gibt es im Verein der | |
| Hauptstadtkorrespondent:innen eine neue Kontroverse. Diesmal im | |
| Mittelpunkt: Florian Warweg, früherer Online-Chef des russischen | |
| [2][Propagandamediums RT Deutsch]. Er arbeitet seit Juni für den vom | |
| früheren SPD-Politiker Albrecht Müller herausgegebenen Blog Nachdenkseiten, | |
| in dem regelmäßig eine angebliche „Meinungsmache“ der etablierten | |
| Presseorgane angeprangert wird und öffentlich-rechtliche Medien als | |
| „Propagandamaschinerie“ diffamiert werden. | |
| Der Mitgliedsausschuss der BPK hat vor ein paar Tagen die Aufnahme des | |
| Bewerbers Warweg beschlossen. Seither läuft eine zehntägige | |
| Einspruchsfrist. Bis Mitte dieser Woche haben sechs Mitglieder ihre | |
| Bedenken vorgetragen, unter ihnen auch der Autor dieses Textes, der seit | |
| 1994 Vereinsmitglied ist. Gestritten wird um die Frage: Was hat ein | |
| Kreml-Propagandist in einem Verein zu suchen, der sich laut Satzung einer | |
| „an Tatsachen orientierten und fairen Vermittlung von politischen | |
| Informationen, Aussagen und Positionen“ verpflichtet fühlt? Problematisch | |
| an dem Fall ist dabei allerlei: das frühere Medium von Warweg, das heutige | |
| Medium von Warweg und Warweg selbst. | |
| Die BPK ist ein traditionsreicher Verein, 1949 in Bonn gegründet. Die | |
| zentrale Idee: Politker:innen und Sprecher:innen kommen als Gäste | |
| der Journalist:innen – wird bis heute fortgeführt. Um den neuen | |
| Konflikt um Warweg zu verstehen, lohnt der Rückblick ins vergangene Jahr, | |
| als unter anderem der Blogger Reitschuster Unruhe ins Geschehen brachte. | |
| Ihm wurde vorgeworfen, die Pressekonferenzen immer wieder als Bühne für | |
| [3][Verschwörungsideologien] zu nutzen. | |
| Mehr als 60 Mitglieder schrieben damals einen offenen Brief. Sie warnten | |
| vor einer drohenden Eskalation. Unter anderem hieß es: „Die | |
| Bundespressekonferenz ist ein Ort der Pressefreiheit. Wer sie für | |
| propagandistische Zwecke und für die Verbreitung von Verschwörungsmythen | |
| und Desinformationen benutzt, für Polarisierung und Profilierung, hat | |
| keinen Platz.“ Die Rede war sogar davon, dass „Kolleginnen und Kollegen | |
| während ihrer Arbeit öffentlich und physisch attackiert wurden“. | |
| ## Reitschuster 2.0 | |
| Namen der Kritisierten wurden in dem Brief nicht genannt. Allerdings | |
| verstanden ihn viele, wohl nicht zu Unrecht, als Anspielung sowohl auf | |
| Reitschuster als auch auf Warweg, der damals als Mitglied des Vereins der | |
| Ausländischen Presse (VAP) an den Pressekonferenzen teilnahm. Die BPK | |
| diskutierte auf ihrer Mitgliederversammlung ausführlich. Im Ergebnis wurden | |
| die Vereinsziele in der Satzung präzisiert und die Rolle beim | |
| „freiheitlichen, kritischen und unabhängigen Diskurs in der demokratischen | |
| Öffentlichkeit“ betont. Zuvor war als Vereinszweck lediglich benannt | |
| worden, Pressekonferenzen zu veranstalten und den Mitgliedern so | |
| „Möglichkeiten einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit zu | |
| verschaffen“. | |
| Ein Ausschlusskriterium für Reitschuster war die Satzungsnovelle nicht. Der | |
| musste den Verein in diesem Jahr deshalb verlassen, weil er nach Montenegro | |
| umgezogen ist. Und ein Kriterium gegen die Aufnahme von Warweg, so die | |
| Prüfung des Mitgliedsausschusses, ist die veränderte Satzung offenbar auch | |
| nicht. „Meinungspolizei“ oder „Gesinnungs-TÜV“ will die BPK nicht sein, | |
| heißt es aus der Führung. | |
| Aber sieht der Verein nicht die Gefahr, vor der beispielsweise Pia Lamberty | |
| warnt? Die Expertin für Verschwörungsmythen sagt der taz: „Die | |
| Nachdenkseiten sind immer wieder dadurch aufgefallen, mindestens | |
| verschwörungsideologisches Geraune zu verbreiten, und erfüllen damit eine | |
| Art Scharnierfunktion.“ Wenn nun der frühere Online-Chef von RT Mitglied | |
| werden solle, sei das „durchaus besorgniserregend“. Er erfahre so eine | |
| Aufwertung und könne seine Narrative setzen. „Darauf sollte die BPK | |
| vorbereitet sein.“ | |
| Gewarnt ist die BPK. Im Februar 2021 schickte der Journalist und Autor | |
| Manfred Quiring, unter anderem früherer Moskau-Korrespondent der Berliner | |
| Zeitung und der Welt, einen Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung und | |
| bedankte sich, dass das Blatt beleuchtet hatte, wie sich „obskure | |
| Journalisten über die demokratische Institution der Bundespressekonferenz | |
| hermachen“. In dem damals erschienenen „gut recherchierten Stück“ seien … | |
| „subversiven Methoden solcher Leute wie Boris Reitschuster (Blogger) oder | |
| Florian Warweg (RT.de)“ aufgedeckt worden, „die versuchen, die in ihrer Art | |
| weltweit einzigartige Einrichtung zynisch für ihren Kampf mit der | |
| Demokratie in Deutschland zu missbrauchen“. | |
| ## Gespaltene Ansichten | |
| Der Publizist Wolfgang Storz, von 1985 bis 1996 als Parlamentskorrespondent | |
| der Badischen Zeitung in Bonn BPK-Mitglied, stört sich vor allem daran, | |
| dass die Nachdenkseiten erstmals im Verein der | |
| Parlamentskorrespondent:innen vertreten sein wollen. „Journalismus | |
| ist unter anderem: Vielfalt an Perspektiven, Meinungen, Interessen | |
| darstellen, vollständig informieren. Die Nachsdenkseiten pflegen das | |
| Gegenteil: Meinungsmache, mit dem Handwerkskasten des Journalismus. Ich | |
| finde: In die BPK gehört, will sie ihre Autorität behalten, jedoch nur | |
| Journalismus“, sagt Storz der taz. | |
| Ein Geheimnis haben die Nachdenkseiten aus ihrer Agenda nie gemacht. Im | |
| Oktober 2021 schrieb Herausgeber Müller: „Wir sind umgeben von Propaganda, | |
| von gezielter Propaganda – für das Impfen, gegen die Russen“. Er | |
| bezweifelte, dass „unsere eigenen Medien einigermaßen plural und kritisch | |
| wären“. Und lobte RT Deutsch. Ohne den Sender „wären wir noch schlechter | |
| informiert“. Die Amadeu-Antonio-Stiftung ordnete die Nachdenkseiten in | |
| einer vor einem Jahr erschienenen Analyse den „linken | |
| Verschwörungsideolog:innen“ zu und warf dem Blog unter anderem vor, die | |
| „Glaubensgrundsätze um die Machenschaften des, tiefen Staates“ zu teilen. | |
| In der BPK sind manche der Ansicht, dass der Verein auch ein Neumitglied | |
| Warweg aushalten kann – und muss. Ein Mitglied, das namentlich nicht | |
| genannt werden möchte, widerspricht: „Es besteht durchaus die Gefahr, dass | |
| Verschwörungsmythen und Desinformationen verbreitet und am Ende auch | |
| normalisiert werden durch Leute wie Warweg oder früher Reitschuster.“ | |
| Sollte Warweg doch aufgenommen werden, liege es aber „auch an den anderen | |
| Mitgliedern selbst, durch Präsenz und eigene Fragen in den | |
| Pressekonferenzen die Deutungshoheit nicht diesen Akteuren zu überlassen“. | |
| Eine Kollegin regt an, auf Paragraf 14 der Vereinssatzung zu schauen, | |
| wonach ein Mitglied ausgeschlossen werden kann, wenn es „den Zweck des | |
| Vereins gefährdet oder dessen Ansehen oder Belange schädigt“. Vielleicht | |
| geht die Sache am Ende sogar vor Gericht. Warweg selbst will sich auf | |
| taz-Anfrage zu dem laufenden Verfahren um seinen Aufnahmeantrag nicht | |
| äußern: Sobald er die Bestätigung der BPK erhalten habe, melde er sich | |
| gerne, schreibt er. | |
| 1 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Matthias Meisner | |
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