# taz.de -- EU-Kandidatenstatus für die Ukraine: Der lange Weg in die Union | |
> In Brüssel spricht sich eine Mehrheit der Mitgliedstaaten für den | |
> Kandidatenstatus der Ukraine aus. Beim Westbalkantreffen gab es keine | |
> Fortschritte. | |
Bild: Vor dem Europaparlament machen sich Frauen mit ukrainischen Flaggen für … | |
BRÜSSEL taz | „Historisch“, „geopolitisch bahnbrechend“: Noch bevor der | |
EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel begonnen hatte, schwelgten die | |
Diplomaten in Superlativen. Mit dem Kandidatenstatus für die Ukraine und | |
Moldau werde die EU Geschichte schreiben und Kremlchef Wladimir Putin in | |
die Schranken weisen, sagte der Vertreter eines westlichen EU-Lands. | |
Nach Deutschland, Frankreich und Italien hatten auch die Skeptiker aus den | |
Niederlanden und Dänemark den Weg für die beiden EU-Bewerber aus dem Osten | |
freigemacht. Sogar Viktor Orbán, der notorische Neinsager aus Ungarn, gab | |
grünes Licht für den ersten, symbolischen Schritt zum Beitritt. Dem | |
Gipfelerfolg, so schien es, steht nichts im Wege. | |
Doch ungetrübt war die Freude an diesem warmen Sommertag in Brüssel nicht. | |
Der Westbalkangipfel, den [1][Ratspräsident Charles Michel] vor dem | |
eigentlichen EU-Treffen angesetzt hatte, endete mit einem Flop. Fast vier | |
Stunden berieten die Staats- und Regierungschefs der EU mit ihren Kollegen | |
aus Serbien, dem Kosovo, Nordmazedonien, Albanien, Montenegro und | |
Bosnien-Herzegowina – ohne Ergebnis. | |
Der Beginn der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien, wofür | |
sich Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner Balkanreise eingesetzt hatte, | |
bleibt weiter blockiert. Keine Bewegung gab es auch im Streit mit Serbien | |
über die EU-Sanktionen gegen Russland. Am Ende wurde sogar die gemeinsame | |
Pressekonferenz abgesagt – angeblich aus Zeitgründen. Es herrschte dicke | |
Luft. | |
Der Westbalkan, der seit fast 20 Jahren von der „europäischen Perspektive“ | |
träumt, fällt nun zurück in die Dauerwarteschleife ohne klare | |
Zukunftsperspektiven. Albanien und [2][Nordmazedonien], die seit 2014 | |
beziehungsweise 2005 den Status des Beitrittskandidaten haben, könnten | |
abgehängt werden. Albanien warnte die Ukrainer auch davor, sich auf dem Weg | |
in die EU „Illusionen“ zu machen. | |
Lediglich symbolischer Schritt | |
Der Kandidatenstatus ist eben nur der erste, weitgehend symbolische Schritt | |
auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft. Danach kommt, oft Jahre später, die | |
Eröffnung der Beitrittsverhandlungen. Diese werden in 35 „Kapiteln“ zu | |
Themen wie Wirtschaft oder Rechtsstaat geführt, wobei es nicht nur voran-, | |
sondern auch rückwärtsgehen kann. Die Gespräche können sogar auf Eis gelegt | |
werden wie mit der Türkei. | |
Doch daran wollte niemand denken, als es am Abend (nach Redaktionsschluss) | |
zur Entscheidung kommen sollte. Alle 27 EU-Länder, so die feste Erwartung | |
auch von Scholz, würden für die Ukraine und Moldau stimmen. „Wir haben mit | |
unserem Besuch in Kiew die Voraussetzung für eine mögliche Einheit | |
geschaffen“, sagte Scholz bei seiner Ankunft im Gipfelgebäude. | |
Der SPD-Politiker war am vergangenen Donnerstag in die ukrainische | |
Hauptstadt gereist, [3][gemeinsam mit Emmanuel Macron aus Frankreich und | |
Mario Draghi] aus Italien. Dort hatten die „großen drei“ für den | |
EU-Beitritt geworben. Nun gelte es, „Solidarität mit der Ukraine (zu) | |
zeigen“ und das Land auf seinem „voraussetzungsvollen Weg“ in die EU zu | |
begleiten, sagte Scholz. „Wir müssen uns auch selbst erweiterungsfähig | |
machen“, fügte er hinzu. | |
Bisher ist die EU kaum auf neue Mitglieder vorbereitet. Der letzte Beitritt | |
war 2013 Kroatien. Danach ist der europäische Klub geschrumpft – der | |
Brexit ist bis heute nicht vollständig verarbeitet. In vielen Fragen von | |
der Flüchtlingspolitik bis zu den Russlandsanktionen gibt es Streit. Der | |
Zwang zur Einstimmigkeit in der Außenpolitik sorgt immer wieder für | |
Blockaden. | |
Die Ukraine kommt trotzdem voran. Dass es jetzt so schnell geht, sei auch | |
„der geopolitischen Lage“ geschuldet, sagte der niederländische | |
Premierminister Mark Rutte, der lange auf der Bremse stand. Ohne die | |
russische Invasion, so lassen sich Ruttes Worte deuten, hätte das Land noch | |
lange auf grünes Licht warten können. | |
23 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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