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# taz.de -- Neues Mediengesetz in der Ukraine: „Instrumente von Zensur“
> Das ukrainische Parlament hat ein neues Mediengesetz verabschiedet – mit
> mehr Macht für den Präsidenten. Journalistenverbände sind besorgt.
Bild: Bei einer Pressekonferenz der Kiewer Stadtverwaltung in der U-Bahn-Statio…
KYJIW taz | Die Ukraine hat am Dienstag in zweiter Lesung ein neues
Mediengesetz verabschiedet. Zwar ist der Text auf der entsprechenden Seite
des Portals des ukrainischen Parlamentes [1][noch nicht veröffentlicht],
doch ukrainische Medien und Abgeordnete haben die zentralen Inhalte bekannt
gegeben.
Nun habe die Ukraine eine weitere Empfehlung für den EU-Kandidatenstatus,
die Brüssel der Ukraine angetragen hatte, erfüllt, heißt es in Kreisen der
Regierungspartei „Diener des Volkes“.
„Wir können mit Zuversicht sagen, dass die Werchowna Rada der Ukraine ihren
Teil getan und alle notwendigen Gesetze zur Umsetzung der Empfehlungen der
Europäischen Kommission verabschiedet hat“, zitiert das staatliche Portal
Suspilne.media Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk im Zusammenhang mit
der Annahme des Mediengesetzes im ukrainischen Parlament. Auf der Website
des Parlaments wird das neue Gesetz zudem als „weiteren Schritt auf dem Weg
zur europäischen Integration“ bezeichnet.
Am 23. Juni hatte die [2][Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten
erhalten]. In diesem Zusammenhang hatte die EU-Kommission der Ukraine auch
eine Medienreform empfohlen. Der Hintergrund dieser Empfehlung ist der
Umstand, dass sich die ukrainische Medienlandschaft zu einem großen Teil in
der Hand von Oligarchen befindet.
## Strafen ohne Gerichtsbeschluss
In der Onlinezeitung Ukrajinska Prawda begrüßen drei VertreterInnen des
„Reanimationspakets der Reformen“, einer Koalition mehrerer
Nichtregierungsorganisationen, das Gesetz, harmonisiere es doch die
ukrainische Gesetzgebung mit der EU-Richtlinie über audiovisuelle
Mediendienste. „Dieses Dokument stärkt insbesondere die Befugnisse der
Medienaufsichtsbehörde – des Nationalen Rates für Fernsehen und Rundfunk“,
so die AutorInnen.
Genau diese Machtfülle, die das neue Mediengesetz dem Nationalen Fernseh-
und Rundfunkrat und damit dem Präsidenten einräumt, fürchten seine Kritiker
dagegen. So kann der Präsident vier von acht Mitgliedern dieses Rates
ernennen. Vier weitere Mitglieder ernennt das Parlament. Und in diesem
verfügt die Präsidentenpartei „Diener des Volkes“ über die Mehrheit.
Einer der schärfsten Gegnerinnen dieses Gesetzes ist die Nationale
Journalistengewerkschaft. Auf ihrer Facebookseite sieht deren Chef Serhiy
Tomilenko in dem Gesetzentwurf, der Text des verabschiedeten Gesetzes ist
ja noch nicht veröffentlicht, „Instrumente von Zensur“ und eine Bedrohung
der Informationsfreiheit.
Nach Informationen der Journalistengewerkschaft kann dieser Rat gegen alle
Medien Strafen verhängen, ohne dass hierfür ein Gerichtsbeschluss
erforderlich wäre, für 14 Tage Onlinemedien vom Netz nehmen,
Internet-Provider auffordern, gewisse Inhalte zu sperren, Printmedien die
Lizenz entziehen, Youtube und Facebook auffordern, Inhalte zu löschen und
von Google verlangen, Nutzern gewisse Ergebnisse ihrer Suche nicht
anzuzeigen.
## Zur europäischen Agende zurückkehren
Mit der Verabschiedung des Gesetzes, so Tomilenko, hätten die Abgeordneten
hunderte von ukrainischen Journalisten aus Dutzenden Redaktionen, die
Unterschriften gegen den Gesetzentwurf gesammelt hatten, gedemütigt.
Bereits nach der ersten Lesung des Gesetzes am 30. August hatte die in New
York ansässige internationale Journalistenvereinigung Committee to Protect
Journalists (CPJ) das ukrainische Parlament aufgefordert, von dem
Gesetzentwurf Abstand zu nehmen.
Das neue ukrainische Mediengesetz, so Gulnoza Said, beim CPJ für Asien und
Europa zuständig, ermögliche der Regierung den Informationsraum zu
kontrollieren und gefährde so die Pressefreiheit. „Und dies just zu einem
Zeitpunkt, an dem die Bürger in besonderem Maße auf Informationen
angewiesen sind“, so Said.
Ähnlich sieht dies auch Tetjana Kotjuschinska, Chefin der nationalen
Assoziation der ukrainischen Medien, auf gordonua.com: „Die Hälfte des
Gesetzentwurfs zielt auf Änderungen und Ergänzungen zur Regelung der
journalistischen Arbeit ab. Woraus besteht diese Hälfte? Aus Verboten und
Einschränkungen“, so Kotjuschinska, die in dem Gesetz keine Annäherung an
europäische Standards erkennen kann.
Schließlich debattierten in Europa Journalistengewerkschaften über einen
„Media Freedom Act“, der Medieneigentümer einschränken und den
Journalistenkollektiven mehr Rechte und Garantien für ihre redaktionelle
Unabhängigkeit geben solle, so Kotjuschinska. „Die Ukraine muss ehrlich und
offen zur europäischen Agenda zurückkehren und sich von asiatischen Träumen
einer Zensur verabschieden.“
## Alle bisherigen Gesetze außer Kraft
Doch auch aus einer anderen Richtung kommt Kritik. So kritisierte der
Abgeordnete Mikola Knjaschizkij von der Partei von Ex-Präsident Poroschenko
„Europäische Solidarität“, dass der neue Gesetzentwurf das Verbot
russischer Musik in der Ukraine außer Kraft setze, berichtet
Suspilne.Media. Knjaschizkij wies auch darauf hin, dass das Verbot der
Vorführung von Filmen, in denen die Hauptfiguren „Vertreter des
Aggressorstaates“ sind, in der neuesten Fassung des Dokuments nicht mehr
enthalten ist. Das neue Gesetz entferne die Ukraine von der EU, so
Knjaschizkij. Trotz aller Kritik hatten aber letztendlich zwei Drittel der
Abgeordneten der Oppositionsparteien „Europäische Solidarität“ und „Hol…
für das Gesetz gestimmt, berichtet ukranews.com und erwähnt gleichzeitig,
dass der Gesetzentwurf von westlichen Journalisten und der OSZE kritisiert
worden sei.
Bereits 2021 hatten die ukrainischen Behörden mehrere Fernsehsender und
Nachrichtenportale gesperrt, [3][die als prorussisch angesehen werden]. Und
in diesem Jahr wurde Kanälen von Ex-Präsident Petro Poroschenko der Zugang
zum ukrainischen Kabelfernsehen gekappt.
Das neue Mediengesetz, so das Portal des ukrainischen Parlaments, werde
mehrere „veraltete“ Gesetze ersetzen, darunter die Gesetze zu Fernsehen und
Rundfunk, zum Nationalen Rat der Ukraine für Fernsehen und Rundfunk, zu
Printmedien, zu Nachrichtenagenturen sowie Gesetze zu Verfahren der
Berichterstattung über die Tätigkeit der staatlichen Behörden und lokalen
Selbstverwaltungsorgane in der Ukraine durch die Massenmedien und auch
solche zum Schutz der öffentlichen Moral.
Seit Donnerstag liegt der Gesetzentwurf dem Präsidenten zur Unterschrift
vor. Mit der Unterzeichnung dieses neuen Gesetzes sind dann alle anderen
Gesetze, die bisher den Medienbereich in der Ukraine reguliert haben, außer
Kraft gesetzt.
18 Dec 2022
## LINKS
[1] http://w1.c1.rada.gov.ua/pls/zweb2/webproc4_1?pf3511=69353
[2] /EU-Kandidatenstatus-fuer-die-Ukraine/!5863018
[3] /Pressefreiheit-in-der-Ukraine/!5824760
## AUTOREN
Bernhard Clasen
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