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# taz.de -- Ökonom über G7-Gipfel: „Schuldenschnitt eminent wichtig“
> Armen Ländern Schulden zu erlassen, würde dem globalem Klimaschutz und
> nachhaltiger Entwicklung helfen, sagt Ökonom Ulrich Volz. Wo ist das
> Problem?
Bild: Entwicklungsländern wie Burkina Faso käme ein Schuldenerlass zugute
taz: Die Klimabewegung bringt vor dem G7-Gipfel einen [1][Schuldenschnitt
für arme Länder] ins Gespräch. Was hat Schuldenerlass mit Klimaschutz zu
tun?
Ulrich Volz: Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind stark
überschuldet und haben ohne Schuldenerlass keine Chance, [2][in Klimaschutz
und -anpassung zu investieren]. Zudem sind sie aufgrund ihrer
Klimavulnerabilität strukturell benachteiligt. Ihre Schulden können sie nur
abbezahlen, indem sie andere Ausgaben kürzen. Als Folge zahlen viele Länder
aktuell mehr in den Schuldendienst, als sie für ihr Gesundheits- und
Bildungssystem oder eben für Klimaschutz und -anpassung ausgeben.
Schulden können erlassen werden, wenn das Schuldnerland etwa durch eine
Naturkatastrophe in Zahlungsnot gerät. Oder präventiv, ohne dass es dafür
eine akute Krise geben muss. Was ist sinnvoller?
Nach zwei Jahren Pandemie sind viele Länder ja schon mitten in der Krise.
Und jetzt kommen noch hohe Lebensmittel- und Energiepreise dazu. Die Länder
müssen die Möglichkeit bekommen zu investieren, um aus der Krise zu kommen
und sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen. Sonst sind wir in
Gefahr, dass die Dekade des Handelns, in der wir uns eigentlich gerade
befinden sollten, eine verlorene Dekade wird.
Eine Hoffnung lautet: Ein Schuldenerlass führe dazu, dass fossile
Energieträger im Boden bleiben und stattdessen Erneuerbare ausgebaut
werden. Für wie realistisch halten Sie das?
Die Gefahr, dass finanziell schwache Länder ohne Schuldenerlass ihre
fossilen Ressourcen erschließen, um wenigstens kurzfristig ihre
Finanzsituation zu verbessern, ist groß. Ein Schuldenerlass könnte Ländern
die Möglichkeit bieten, stattdessen in nachhaltige Wirtschaftsmodelle zu
investieren. Für viele Entwicklungsländer sind aber besonders Investitionen
in Klimaanpassungsmaßnahmen wichtig, da sie die Folgen des Klimawandels
bereits deutlich spüren. Wichtig ist: Reiche Länder, die die Hauptschuld am
Klimawandel tragen und selbst beim Klimaschutz hinterherhinken, sollten den
Schuldnerländern nicht vorschreiben, was diese mit den frei gewordenen
Ressourcen machen dürfen. Sinnvoller wäre eine Art Selbstverpflichtung der
Schuldnerländer.
Die Idee des Schuldenerlasses ist nicht neu. Woran liegt es, dass es bisher
kein vernünftiges Programm dazu gibt?
[3][IWF und Weltbank haben anerkannt, dass ein Schuldenerlass für bestimmte
Länder sinnvoll sein kann]. Leider fehlt ein internationales Verfahren, das
sowohl staatliche als auch private Gläubiger mit einbezieht. Private
Gläubiger halten in vielen Ländern einen Großteil der Schulden, haben aber
kein Interesse daran, einen Teil ihrer Forderungen aufzugeben. Und auch die
Schuldnerländer selbst setzen sich nicht aktiv dafür ein. Sie haben Angst,
ihnen werde eine Forderung nach Schuldenerlass als Zahlungsunfähigkeit
ausgelegt. Eine Einigung wird zudem durch politische Spannungen zwischen
den G7 und China erschwert – während chinesische Staatsbanken in vielen
Ländern die wichtigsten Gläubiger sind.
Was muss also passieren?
Damit private Gläubiger sich auf einen Schuldenerlass einlassen, braucht es
Anreize. Diese könnten über einen Garantiefonds bei der Weltbank geschaffen
werden. Darüber hinaus müssen die Regierungen der Länder, in denen die
wichtigsten Gläubiger sitzen, Druck machen. Das haben die G7 und China
bisher nicht ausreichend getan.
Was ist mit den Staaten selbst – können die nicht vorangehen und ihre
Schulden zuerst erlassen?
Ein Schuldenerlass ergibt nur Sinn, wenn sowohl öffentliche als auch
private Gläubiger am Schuldenerlass teilnehmen. Wenn nur die staatlichen
Forderungen erlassen werden, besteht die Gefahr, dass die freiwerdenden
Ressourcen dann in Zahlungen an die privaten Gläubiger fließen – die
privaten Gläubiger würden also auf Kosten der Steuerzahler gerettet.
Während der Pandemie hat die Gruppe der G20 ein Schuldenmoratorium
entwickelt. Kann man darauf aufbauen?
Das G20-Schuldenmoratorium war wichtig, es war aber nur auf
Niedrigeinkommensländer begrenzt und hat die privaten Gläubiger nicht
eingeschlossen. Mit dem [4][„Common Framework“] haben die G20 ein
erweitertes Rahmenwerk geschaffen, aber auch dieses geht noch nicht weit
genug.
Was erwarten Sie vom G7-Gipfel in Elmau?
Leider keinen großen Durchbruch in der Schuldenfrage, auch wenn dies
dringend notwendig wäre. Wegen des Kriegs in der Ukraine stehen viele
Länder akut vor einer Hungersnot und können ihre Energieimporte nicht mehr
zahlen – von Klimainvestitionen ganz zu schweigen. Umso wichtiger wäre es,
dass die G7 gemeinsam mit China ein Signal setzen und einen breit
angelegten Schuldenerlass auf den Weg bringen.
25 Jun 2022
## LINKS
[1] /UNO-warnt-vor-Hunger-und-Schuldenkrisen/!5846217
[2] /Bessere-Finanzierung-von-Klimaschutz/!5858980
[3] /Debatte-um-Klimahilfen-fuer-arme-Laender/!5809379
[4] /Schuldenreport-2022/!5827566
## AUTOREN
Lena Wrba
## TAGS
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